Unter der Titel
DAS GESPENST DER EURO-KRISE - Kampf gegen die Inflation - Weich, weicher - Euro (leider hinter einer Bezahlschranke) beschäftigt sich die Wirtschaftswoche sehr kritisch mit den Maßnahmen und den Möglichkeiten der EZB und der Bundesregierung. Zwar will oder muß die EZB die Zinsen erhöhen, um die grassierende Inflation in den Griff zu bekommen, jedoch riskiert sie dabei die Pleite der Südländer. Deswegen soll ein neues Instrument, ein Sicherheitsnetz, geschaffen werden.
Das neue „Antifragmentierungsprogramm“ soll daher ein Sicherheitsnetz für Anleger aufspannen und sie so ermuntern, sich weiter Anleihen von hoch verschuldeten Staaten ins Depot zu legen.
Beruhigend ist das nicht. Dass die EZB sich gezwungen sieht, noch vor der ersten Zinserhöhung über ein neues Notfallprogramm nachzudenken, offenbart die „fundamentale Schwäche der Währungs- und Schuldenunion, die in den vergangenen zehn Jahren durch die diversen Anleihekaufprogramme kaschiert worden ist“, kritisieren die Ökonomen der Warburg-Bank.
(...)
Gezielte Anleihekäufe, von denen vor allem die Südländer der Euro-Zone profitieren, schalten nicht nur den Wettbewerb der Länder am Kapitalmarkt aus. Sie verstoßen auch gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung.
Das hat bisher noch niemanden gestört und seitdem das BVerfG mit Merkel-Getreuen besetzt ist, sind die Chancen noch einmal gesunken, daß hier jemand einschreiten könnte. Es wird teuer für Deutschland - aber auch, weil der frühere Finanzminister und jetzige Bundeskanzler versagt hat:
Zumal Lindners Vorgänger Olaf Scholz es versäumt hat, die Schulden des Bundes in der Niedrigzinsphase auf langlaufende Anleihen umzustellen. Stattdessen nahm der Bund in den vergangenen beiden Jahren überproportional viele kurzfristige Schulden auf. So stieg das Volumen der einjährigen Schatzanweisungen um mehr als das Zehnfache auf 154 Milliarden Euro, das von zweijährigen Papieren um 29 Prozent auf 115 Milliarden Euro. Dagegen legte der Bestand an 30-jährigen Bundesanleihen nur um 20 Prozent auf 277 Milliarden Euro zu.
Klar - bei den kurzfristigen Schuldscheinen mußten die Gläubiger noch Geld zahlen, damit der Bund das Geld annahm. Trotzdem - jeder Häuslebauer hat in den letzten Jahren seine Hypotheken möglichst langfristig finanziert, weil es klar war, daß die Niedrigzinsphase nicht dauernd anhalten wird. Wer auf eine flexible Zinsklausel gewettet hat, darf sich jetzt nicht beschweren - aber zumindest verliert er das eigene Geld.
Leider ist zu befürchten, daß eine solche kritische Berichterstattung es nicht bis ins Fernsehen schafft - oder wenn, dann um 23:30 Uhr in einem Spartenprogramm. Am Mythos des Euros darf um keinen Preis gerüttelt werden, sonst könnten sich noch mehr Bundesbürger an die DM und ihre Aufwertung erinnern. Die wurden vom damaligen Wirtschafts- und Finanzminister als "Sozialdividende" dargestellt, weil importierte Produkte und Auslandsurlaube preiswerter wurden. Deswegen ist der Schlußsatz des Artikels besonders gelungen:
Der Euro – eine Weichwährung? Gedacht war er mal, um den Wohlstand auf dem Kontinent zu steigern.
Um die EU-Bürger zu bereichern. Tja.
Aber zum Glück gibt es noch immer eine ausreichende Anzahl von Zeitgenossen, die in "Europa" (hier: die EU) eine Hoffnung sehen - und die stirbt bekanntlich zuletzt.
Warum eine starke Währung auch im Kampf gegen die Inflation hilft, ist in diesem Artikel aus der Schweiz gut dargestellt:
Kampf gegen Inflation: Ist bereits der «umgekehrte Währungskrieg» im Gang?
Man stelle sich einmal das Dilemma vieler Eurostaaten vor: Steigende Zinsen bei einer Staatsschuldenquote von über 100% und dann auch noch ein starker Euro, der die Exporte erschwert und die Wirtschaft einbrechen läßt. Da wird man doch lieber die Inflation wählen, denn vor allem die Deutschen legen in Sparbüchern und Versicherungen ihr Geld an - und die zahlen sowieso.
