Juergen hat geschrieben:Früher hatte man wohl eine andere Sicht, die berücksichtigte, daß der ganze Raum etwas auszudrücken vermag. Vielleicht ist diese Symbolik heute vordergründig in Vergessenheit geraten, aber dennoch merken vielleicht die Leute im Inneren, daß diese Räume mehr sind, als ein "Funktionsraum".
Natürlich merken sie das - und sie merken es weitgehend unabhängig davon, ob der Raum jetzt romanisch, gotisch, renaissance oder barock geprägt ist.
Sie merken es vor allem daran, daß der Raum eine Orientierung hat und über ein Kraftfeld verfügt, das Blicke und Schritte in eine bestimmte Richtung lenkt - zu einem Altar hin.
Sie merken es aber auch daran, daß der Raum nicht nur von bestimmten Funktionselementen, sondern ganz wesentlich von bestimmten architektonischen Stereotypen bestimmt wird: Säulen und Pfeiler, bunt verglaste Fenster, Empore, eingewölbte Decken, Skulpturenschmuck. Wenn ich von diesen Elementen 3 in einem orientierten Raum verwende, wird fast jeder, der ihn betritt, sagen: Das sieht ja aus wie eine Kirche.
Wenn man so will: Die Kraft der Äußerlichkeiten.
Jeder mittelmäßige Theater- oder Filmregisseur weiß, wie er eine Kirche und wie er einen Hörsaal darzustellen hat und wie man dafür sorgt, daß man beides nicht verwechselt. Christoph Schlingensief wußte es, als er seine "
Kirche der Angst vor dem Fremden in mir" projektierte:

Blasphemiker wie Hermann Nitsch wissen es, wenn sie ihre eklikgen Inszenierungen aufbauen, sogar Satanisten wissen es, wenn sie eine schwarze Messe zurüsten.
Die einzigen, die es nicht zu wissen scheinen, sind die Kirchenbaumeister, die im Zuge der Hermeneutik des Bruchs begeisterte Abnehmer finden.