Johannes vom Kreuz, Karmelberg, Buch 3, Kapitel 19 hat geschrieben:3 Das Feistwerden der Seele, die vor ihrer Verfettung von Gott geliebt war, geschieht durch das
Versinken im Genuß der Geschöpfe. Daraus ergibt sich die erste Stufe des Schadens: die Seele wendet
sich zurück. Das Gemüt wird stumpf gegen Gott, die göttlichen Werte sind ihm verdunkelt wie die
Luft durch Nebel, weil das Sonnenlicht nicht hindurchdringt. Sowie nämlich ein Geistesmensch sich
an irgendeinem Ding erfreut und dem Begehren ungebührlich die Zügel überlässt, verfinstert er sich,
durch diese Tat selbst, Gott gegenüber, und die einfältige Urteilskraft wird vernebelt, wie der göttli-
che Geist es im Buche der Weisheit lehrt mit den Worten: Eitles und witziges Wesen verschattet das Gute;
Drang des Begehrens verkehrt den arglosen Sinn (4, 12.). Damit gibt der Heilige Geist zu verstehen: mag
der Verstand sich auch keiner Bosheit bewußt sein, so genügt das Begehren nach zeitlichen Dingen
und die Freude daran, die Seele im ersten Grade zu schädigen durch Abstumpfung des Gemütes und
Verdunkelung des Urteils, das die Wahrheit erfassen und jedes Ding so beurteilen soll, wie es ist.
4 Heiligkeit und gutes Urteil sichern den Menschen nicht gegen diesen Schaden, wenn er der
Begierde oder Freude an zeitlichen Dingen Raum gibt. Darum spricht Gott durch Moses uns zur War-
nung die Worte: Nimm keine Geschenke an; denn sie verblenden sogar die Einsichtsvollen (Ex 23,

. Die-
ses Wort ergeht besonders an jene, die Richter sein sollen; denn ihr Urteil muß vor allem klar und
geweckt sein, wird es jedoch nicht sein, wenn sie nach Geschenken begehren und sich daran freuen.
Darum auch befahl Gott dem Moses, zu Richtern solche aufzustellen, die der Habsucht feind sind, da-
mit ihr Urteil nicht durch die Wallung der Leidenschaft getrübt werde (Ex 18, 21-22). Sie sollen nicht
nur keine Gaben begehren, sondern solchem Begehren feind sein. Will sich nämlich jemand durchaus
wehren gegen eine Liebesleidenschaft, so muß er einen Abscheu dagegen hegen, so daß ein Gegensatz
dem andern wehrt. Aus eben diesem Grunde war auch Samuel stets ein gerechter und erleuchteter
Richter: niemals nahm er, wie er im Buche der Könige schrieb, von jemandem irgendein Geschenk an
(1 Sm 12, 3).