Edi: "Ich denke nicht, dass der Name 'Judas' mit der Judenverfolgung 'direkt' etwas zu tun hat ...
Bob: Entschuldigung - aber das scheint mir jetzt doch eine jesuitisch, spitzfindige Sicht der Dinge zu sein, die historische Tatsachen recht einseitig gewichtet. So wie sie auch die allergrößte Bedeutung der christlichen, besonders der römisch, katholischen Kirche für die abendländische Kultur allgemein geringschätzen würde. Man denke nur an Genies wie Bach, Händel, Beethoven, Chopin oder Mozart und viele andere - die es ohne den historischen Kontext, ohne den Katholizismus so wahrscheinlich nicht gegeben hätte ...
Was im Okzident entstanden ist, hat IMMER auch mit den kulturprägenden, ganz besonders der römisch, katholischen Kirche zu tun. Und es scheint mir eine unbestreitbare Tatsache, dass der Antijudaismus stets auch mit dem im NT erwähnten Judas daher kam, also assoziiert wurde - ob von den christlichen Kirchen forciert oder nicht; da haben wohl auch jeweils zeitspezifische Opportunitäten und sehr weltliche Faktoren eine Rolle gespielt, die nur im historischen Zusammenhang nachvollziehbar sind ...
Edi: "Im NT findet man den Begriff 'Juden' schon im Sinne der Jesus ablehnenden Synagoge, die bereits von den Evangelisten und Paulus kritisiert wird ...
Bob: Ja - ich las mal, dass die ersten Jünger der Gemeinde Christi oft sogar "Hausverbot" in den Synagogen bekamen: weil sie angeblich dort nur "Unruhe gestiftet" hätten ...
Aus meinen Recherchen und Studien meine ich mich zu erinnern, dass diese Ablehnung der Christen durch die damals selbstverständlich "alttestamentarischen" jüdischen Protagonisten, also die maßgeblichen Rabbiner, hauptsächlich damit begründet wurde, dass es im Judentum ein "abtrakteres" Gottesbild gibt - und das kategorisiere eine "Vermenschlichung" Gottes in persona des Jesus von Nazareth als "Blasphemie". Allerdings ohne darum Jesus Christus seine Eigenschaft als "Prophet" abzusprechen - wie die Mohammedaner übrigens auch.
Und man fürchtete vonseiten der jüdischen Hohepriester im Tempel ganz sicher ebenso um die "Auslegungs-Hoheit" bei der Interpretation der "reinen Lehre" des einen Gottes, inklusive den Verlust rein irdischer Pfründen und Privilegien - mag wer will sein eigenes Handeln, seine eigenen Motive darin erkennen oder nicht ...
Edi: "Zum andern hat die Synagoge zuerst die Christen verfolgt, ...
Bob: Was ich oben bestätigen konnte ...
Edi: "..., wofür Saulus, der sich dann bekehrte, ein Beispiel ist - neben andern Verfolgungen, die sich später ereigneten wie z.B. der Mord an Jakobus dem Jüngeren ...
Bob: Meines Wissens gab es nach der Kreuzigung und Himmelfahrt unter den Jüngern Jesu einen Streit, ob man die neue "Christen-Religion" nur für Juden - oder für "alle Welt" öffnen solle. Wer "gewonnen" hat, dürfte jeder Christ wissen. Man zog also hinaus, und verbreitete die christliche "Religion der Liebe" ...
Edi: "Das war längst nicht das Ende der Christenverfolgung - wobei Juden ihre Stellung im römischen Reich nutzten, um Christen bei den römischen Behörden anzuzeigen ...
Bob: Opportunismus (auch der des "Denunzianten") ist ein allgemeines menschliches Phänomen; da ist kaum ein Mensch gefeit. Da sollte wirklich nur jener den "ersten Stein werfen, der ohne Sünde" ist - und der würde es nicht tun. Es sei denn, er wäre der Hl. Antonius ...
Edi: "Erst viel später hat sich dann die Lage umgekehrt ...
Bob: Ja - diese "Umkehrung" entstand mit Kaiser Konstantin den Großen. Und sie ging mit sehr relevanten "Umgewichtungen" bis dahin gültiger katholischer Primate einher. Erlauben Sie mir bitte, hier etwas "pointiert" meine Sicht dieses Teiles der katholischen - und damit auch der Geschichte des Abendlands darzustellen:
Historiker schreiben, ab anno 315 habe Konstantin der Erste die Christen zu gleichberechtigten Bürgern Roms ernannt und deren Jahrhunderte dauernde Verfolgung beendet; im Jahr 391 wurde dann das Christentum zur Staatsreligion im ganzen Römischen Reich – natürlich im Auftrag Gottes.
Der vor einer Schlacht und nach einer "himmlischen Offenbarung" zum Jünger Jesu geläuterte Kaiser brauchte – außer einer disziplinierenden Religion und Gold; er agierte ja in DIESER Welt – auch spirituelle "Verbündete", um das zerfallende Imperium unter seine Kontrolle zu bekommen. Weil ihm das in der dekadenten, von alten Seilschaften dominierten Stadt auf den sieben Hügeln zu schwierig schien, machte er aus Byzanz Konstantinopel, die "goldene" Hauptstadt eines blühenden und expandierenden Reiches, das viele Eroberungs- und Verteidigungskriege gegen die Muselmanen führte. Bis anno 1453, als der zu Andersgläubigen tolerante Sultan Mehmet die Stadt am Bosporus für den Islam eroberte - und wieder Rom das damals mächtigste katholische Zentrum einer zu christianisierenden Erde wurde.
Vor dem „großen“ Kaiser durften Christen nicht prassen und töten. Spätestens mit der Herrschaft Konstantins verabschiedete sich die katholische Amtskirche viel zu weit von vorher "gottgefälligen" Armutsgelübden und des Bergpredigers Primat der Friedfertigkeit. Mord, Raub und Erpressung wurden sogar zeitweise und immer wieder „gesegnetes“ Tun, wenn es "im Namen des Herrn" geschah – und leider auch zur Freude von dessen Stellvertretern auf Erden. Denn viele von ihnen ließen sich von der neuen irdischen "Macht" korrumpieren, und wurden selber korrupt.
Die nach schwierigem Beginn – in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt ist so mancher wahre Jünger in finstersten Katakomben oder im Rachen eines Löwen gestorben - entstandene Priesterkaste hatte das in der Mission des Messias wurzelnde Mönchtum instrumentalisiert, um zu expandieren, ihre missionarisch motivierte und daraus entstandene Macht über die Erde zu verbreiten ... (Ende der historischen Bandschleife)
Edi: "Die orthodoxen Juden aber sind die 'Feinde Christi' und der Kirche bis zum heutigen Tag. Das geht so weit, dass sie der Kirche die 'Fürbitte' für sie verbieten wollen ...
Bob: Wenn Sie hier die jüngsten Irritationen nach einer Botschaft des Pontifex meinen, habe ich das schon weiter oben erwähnt. Da gab es wohl ein echtes Missverständnis zwischen Juden und dem Papst - das meines Wissens inzwischen ausgeräumt ist ...
Und inwieweit "orthodoxe Juden" die "Feinde Christi" seien, kann ich aus meinem Wissensstand heraus nicht beurteilen - können Sie mir da weiterhelfen?
Was ein wesentlicher Dissens zwischen Judentum und Christentum sein könnte, scheint aber das unterschiedliche Gottesbild zu sein, das (wie weiter oben schon geschrieben) eine angebliche "Vermenschlichung" Gottes in persona des Jesus Christus ausschließt - was allerdings an die Substanz christlichen Selbstverständnisses geht, weil es die "heilige Dreifaltigkeit" relativiert. Doch damit sollte eine starke und in sich gefestigte Kirche leben können - es gibt eben nicht nur die katholische Religion und deren spirituelles Bild von Gott...
Edi: "..., wogegen sie nach alter Tradition die Abtrünnigen verfluchen wie die 12. Bitte ihres Achtzehnbittengebets zeigt.
Zitat: 'Den Verleumdern sei keine Hoffnung, und alle Ruchlosen mögen im Augenblick untergehen, alle mögen sie rasch ausgerottet werden, und die Trotzigen schnell entwurzle, zerschmettre, wirf nieder und demütige sie schnell in unseren Tagen. Gelobt seist du Ewiger, der du die Feinde zerbrichst und die Trotzigen demütigst!"
Bob: Oh ja - feindselige Eiferer gibt's überall. Die Frage ist nur, welchen Einfluss solche in ihrer "Kirche" und im gesellschaftlichen Leben haben. Und die Mehrzahl der Juden ist wohl eher NICHT "fundamentalistisch" und "orthodox" ...
Ich hoffe, dass Sie nicht irritiert sind, wenn ich vielleicht manchmal zu sehr "pointiere" - womit ich Ihnen keinesfalls weh tun möchte. Benennen Sie bei Bedarf Ihre "Grenzen", innerhalb derer ich in unserem Gespräch meine "suchenden" Gedanken "zu zügeln" habe - denn ich weiß, dass dies hier ein "katholisches" Forum ist, kann das sehr gut respektieren ...
Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende!

"Religions have promised many roses - but you end up with only thorns." (U. G. Krishnamurti)