Raphael hat geschrieben:Wenn Du den Begriff "existentiell" benutzt, leuchten bei einem Tradi, wie sie sich bspw. im Umfeld der FSSPX versammeln, direkt alle Alarmlämpchen auf!
Denn der Existentialismus als philosophische Richtung stammt urspünglich aus dem protestantischen Umfeld. Stichwort:
Søren Kierkegaard
Im weiteren Verlauf haben sich dann bekennende Atheisten dieser philosophischen Schule weitgehend bemächtigt. Stichwort:
Jean-Paul Sartre und
Martin Heidegger
Darüber hinaus hat "existentiell" eine empirische Komponente; mithin eine Komponente, die dem rationalistisch durchstrukturierten Tradi-Glauben immer schon suspekt war.
Oha !
Ja, ich bin bezüglich der klassischen Philosopie ein ziemlicher Laie, und ich frage mich, ob das mehr eine Behinderung ist oder eine Gnade ...
Jedenfalls dachte ich bei "existentiell" überhaupt nicht an diese Philosophen, sondern an "umfassend meine gesamte Existenz (dieses Wort wieder im bürgerlichen, nicht im philosophischen Sinne) betreffend". Aber gut, das ist ja dank der Nachfragen wohl deutlich geworden.
lifestylekatholik hat geschrieben:Wie opferst du denn deine »privaten Inseln«, ja deine Macht über dich Gott auf?
Das ist eine gute Frage.
Erstmal ist da die Grundsatzentscheidung, dass Gott alles von mir wollen darf. Mit allem was das jemals bedeuten mag.
Das schließt natürlich auch Fragen wie Berufung, Zölibat oder Familie, Beruf und Wohnort ein.
Im Einzelnen heißt es, dass ich Fragen und Entscheidungen ausdrücklich in Zwiesprache mit Ihm, im Gebet kläre.
So bin ich ziemlich sicher, dass meine Berufung tatsächlich die Familie ist, und dass ich jetzt hier in Ostdeutschland am richtigen Platz bin. Diese Fragen habe ich intensiv durchbetet, als sie anstanden. Das Gebet hier nicht als fromme Übung, sondern ausdrücklich als Reden und Hören. Und selbst sowas wie das neue Auto letztes Jahr, da habe ich solche Fragen wie welches, und woher usw. auch immer "nebenbei" mit bebetet.
Aber Du fragst ja, wie sich das jetzt im Alltäglichen verwirklicht ... Wenn ich mich z.B. mit meiner Frau streite, bete ich auch manchmal nebenher, frage was davon jetzt Rechthaberei ist, was jetzt wichtig ist, werfe die Geschichte vor Gott und bitte Ihn, dass Er jetzt daraus etwas gutes macht.
Oft merke ich dann, wie sowas dann eine überraschende Wendung nimmt, oder wie mir dabei plötzlich ein ganz bestimmter Punkt klar wird. Dass Er offenbar seine Finger mit im Spiel hat.
Das ist nur
ein Beispiel. - Um eine wirklich aussagekräftige Antwort zu geben, merke ich, muss ich selber noch über einiges nachdenken und mir selbst auch noch Rechenschaft ablegen.
Der Selbstanspruch ist ja das Eine, aber die kleine Münze des Alltags ist das Andere, auch bei mir.