Ivo Matthäus hat geschrieben:
(...)
Interessant sind die
Einschätzungen des Revisionsspezialisten Gerhard Strate, der das Ganze für informell geregelt hält. Anders sieht das Ganze
Wolfgang Kubicki.
Am Montag Nachmittag wissen wir mehr, wenn die StA sich entschieden hat...
I. M.
Ich habe auch den Eindruck einer informellen Absprache und gehe deswegen davon aus, daß die Staatsanwaltschaft nicht in Revision gehen wird.
Eigentlich hätte der Staatsanwalt eine Unterbrechung der Verhandlung fordern müssen, als klar wurde, daß die Höhe der Steuerschuld noch nicht ermittelt war. Es ist nun ein Unterschied, ob man drei Mio angeklagt und dann - in einer best-case-Berechnung - 28 Mio € zur Debatte stehen. Da stellt sich dann auch die Frage, wie der Staatsanwalt Anklage erheben konnte, ohne daß die Bankunterlagen vorlagen(!), geschweige denn durch die Steuerfahndung ausgewertet waren. Ist es nicht widersinnig, Anklage aufgrund einer - nach seiner Meinung unvollständigen - Selbstanzeige zu erheben, die dort aufgeführten Beträge dann aber in der Anklageschrift anzuführen? Wie kann dann der Nachweis geführt werden, daß die Selbstanzeige nicht vollständig ist?
Auf Seiten des Angeklagten war ich überrascht, wie schnell die Verteidiger die -überschlägig- ermitteltete Steuerschuld abnickten. Eigenmächtigkeiten des Angeklagten während des Prozesses wurden publikumswirksam von seinem Verteidiger unterbunden; sie hätten ggfs. zu zusätzlichen, unangenehmen Fragen (in der Presse, nicht in der Verhandlung) führen können.
Das Gericht hat dann noch den in der Berechnung fehlenden Soli entdeckt und somit nachgewiesen, daß es sich mit der Berechnung intensiv beschäftigt hat.
Dem Publikum wurde - nach meinem Eindruck - oscarpreisverdächtiges Theater vorgespielt - das Ergebnis stand vorher fest und alle(!) haben gewonnen:
Die Anklagebehörde hat eine Haftstrafe durchgesetzt.
Hoeneß bekam eine milde Strafe und muß nicht fürchten, daß die Konten und die darauf dokumentierten Geldbewegungen noch weiter untersucht werden.
Der Richter hat seinen Ruf als "Richter Gnadenlos" auch vor Prominenten nicht zurückzuschreckt und den Prozeß in der vorgesehenen Zeitspanne durchführt - sicherlich nicht karriereschädlich.
Die Politiker können darauf verweisen, daß der Rechtstaat "funktioniert" und das staunende Volk sieht, daß man - entgegen landläufiger Ansicht - die Großen nicht laufen läßt, gleichzeitig aber auch die "Lebensleistung" eines Publikumslieblings des dortigen Sprengels gewürdigt wird.
Ich will das nicht verurteilen, denn besonders bei Wirtschaftsstrafverfahren ist man bemüht, aus prozeßökonomischen Gründen zu einer einvernehmlichen Regelung zu gelangen, um eine umfangreiche Beweisaufnahme (hier wäre das die genaue Ermittlung der hinterzogenen Beträge gewesen) zu vermeiden. Allerdings sollte auch niemand glauben, daß hier schulmäßig der Sachverhalt ermittelt und dann "Recht" gesprochen wurde - man bekam ein Urteil, mehr nicht.
Auch die Kommentatoren scheinen allmählich zu erkennen, daß da doch "mehr" sein könnte, als in dem Prozeß bekannt wurde:
Was Hoeneß vor einer Revision in Karlsruhe zurückschrecken lässt, ist wohl eher die Angst, dass es dann noch schlimmer für ihn kommen könnte. Denn es ist gut vorstellbar, dass die Bundesrichter eine ähnlich strenge Elle anlegen wie die Staatsanwaltschaft, die zwei Jahre Knast mehr gefordert hatte. Und womöglich fände eine andere Strafkammer bei einer Neuauflage des Prozesses noch weitere Leichen im Keller: Dass Hoeneß unmittelbar vor der Verhandlung weitgehend unsortierte Berge von Kontounterlagen einreichte und die Richter diese dann in einem Turboprozess von nur vier Tagen prüften, lässt das nicht als undenkbar erscheinen.
(...)
Dennoch ist nicht recht einzusehen, dass sich die Strafkammer unter Zeitdruck setzen ließ. Dass Hoeneß so spät so viele Daten nachreichte, hätte Anlass geboten, das Verfahren auszusetzen. Strafprozesse in Wirtschaftssachen dauern oft viel zu lange, da hätten sich die Urteilsfinder hier ruhig mehr Zeit lassen können. Zumal der Angeklagte selbst schuld daran hatte, dass sich die Besorgung der Bankbelege wohl wirklich mühsam gestaltete: Hätte er nicht die Zockereien ins Ausland verlagert und auf Kontoauszüge verzichtet, um nicht auf dem Radar des Fiskus aufzutauchen, hätte er diese Mühen gar nicht erst gehabt.
Ausgeklammert blieb leider auch die Frage: Stammten die mehr als 15 Millionen Euro, die sich zeitweilig auf dem Konto befanden, wirklich nur aus Finanz-Wetten? Oder dienten sie ganz anderen Zwecken und stammten aus unbekannten Quellen? Immerhin zeigten sich Cheffahnderin und Kammervorsitzender konsterniert, dass in den Abrechnungen Sprünge in Millionenhöhe auftauchten, die nicht zu erklären waren. Nun kann man sagen, dass etwaige Straftaten von Korruption oder Untreue ohnehin verjährt wären. Doch hätte die Amtsaufklärungspflicht nicht geboten, nachzubohren, um die Schuld von Hoeneß beurteilen zu können?
(Hervorhebung von mir)
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/u ... 47212.html
Die Fragen werden wohl nie beantwortet werden, denn ich nehme ein an, daß man auch auf Seiten des Fiskus jetzt eine sog. "tatsächliche Verständigung" abschließen wird, in der die im Strafprozeß festgestellten hinterzogenen Beträge übernommen werden. An einer genauen Aufklärung hat offensichtlich niemand Interesse - schade.
@Yeti:
Daß die hohen Kontostände ertradet worden sind, kann sein - muß aber nicht. Die oben erwähnten unerklärlichen Sprünge sprechen dagegen. Endgültige Aussagen ließen sich nur durch eine genaue Überprüfung der Kontobewegungen machen - dies wird wohl nie geschehen.