CIC_Fan hat geschrieben: ↑Dienstag 3. Oktober 2017, 12:15
Man sollte nur eines bedenken wenn ein Richter von einer Wiederwahl abhängig ist stellt das für ihn sicher eine größere Versuchung dar als eine politische Einflußnahme
In dem verlinkten Artikel wird auch darauf Bezug genommen.
Fast wichtiger als bei Politikern ist diese Unabhängigkeit bei den Beamtenposten, wie man sie in Deutschland nennen würde. Zum Beispiel wird in Arizona (aber nicht in New Mexico) der State Mine Inspector gewählt, der für die Sicherheit der Bergwerke zuständig ist. Er soll durch die Direktwahl in die Lage versetzt werden, politisch unliebsame Dinge zu sagen, ohne Angst um seinen Job haben zu müssen.
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Die Direktwahl führt zu einigen Effekten, die Europäer nicht kennen. Den Gewählten steht es nicht nur völlig frei, ihre persönliche Meinung zu äußern, mehr noch, die Bürger verlangen von ihnen oft, Position zu beziehen.
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Bei Volksbefragungen sehen auch Richter sich berufen, ihre Meinung zu dem einen oder anderen Vorschlag abzugeben, wenn es zum Beispiel um Steuererhöhungen für den Bau von Gefängnissen geht. Solche endorsements können wahlentscheidend sein.
In D. ist es ja so, daß der einzelne Beamte praktisch keine Möglichkeit hat, seine Auffassung der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen, obwohl er unkündbar ist. Es ist der Minister, der allein die Berichterstattung vorgibt, die Fachkenntnis der Beamten kann so "außen vor" bleiben und die Wahlbürger sind ausschließlich auf die offizielle Darstellung angewiesen.
Man stelle sich nur einmal vor, in der gegenwärtigen Situation müßte der Behördenleiter gewählt werden, dessen Amt für die Abschiebung von illegalen Migranten zuständig wäre. Man darf wohl davon ausgehen, daß er - um seine Wiederwahl nicht zu gefährden - ein Interesse an einer hohen Abschiebequote hätte. Das fällt mit den Ausführungen des Autors zusammen. Er verweist darauf, daß gewählte Beamte das Bestreben haben, den "Bürgerservice" zu verbessern, denn sie wollen ja wiedergewählt werden.
Jeder glückliche Kunde ist ein treuer Wähler. Dieser Autor hat nur die besten Erfahrungen mit Behörden gemacht, die einen gewählten Leiter hatten – die Angestellten sind freundlich, zuvorkommend, hilfsbereit und schnell, denn ihr Boss will wiedergewählt werden. Diese Posten werden auf Bundesebene nicht gewählt, was oft zu einem deutlichen Kontrast führt und den gemeinen US-Bürger in seiner Überzeugung bestätigt, dass the feds ein Haufen ineffizienter Geldverschwender sind.
Es sind unterschiedliche Kulturen, die sich auch in der Justiz und öffentl. Verwaltung zeigen. Daß das deutsche System grundsätzlich überlegen ist, kann man nicht unbedingt annehmen. Man erinnere sich nur an
Margrit Lichtinghagen, die Staatsanwältin im Fall Zumwinkel.
Ein behördeninterner Konflikt gipfelte am 9. Dezember 2008, fünf Wochen nach Anklageerhebung und sechs Wochen vor Prozessbeginn gegen Zumwinkel, im Entzug des Verfahrens und Plan zur Versetzung in die Jugendabteilung durch ihre Vorgesetzten. Die Entmachtung sorgte für öffentliche Empörung und beschäftigte in einer Fragestunde den Landtag. Daraufhin drohte das Justizministerium Nordrhein-Westfalen der Bochumer Behörde mit Lichtinghagens Versetzung – unter Mitnahme ihrer Verfahren – zur Staatsanwaltschaft Köln.Auf eigenen Wunsch wechselte sie schließlich zum 1. Januar 2009 zum Amtsgericht Essen und wurde dort als Richterin in allgemeinen Erwachsenen-Strafsachen tätig.
Gegen Margrit Lichtinghagen wurden verschiedene Vorwürfe erhoben und in der Folge durch die Generalstaatsanwaltschaft förmlich überprüft. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass die Vorwürfe weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich aufrechterhalten werden können.
Bei einem gewählten Staatsanwalt hätte die Sache wohl anders ausgesehen....