Ralf hat geschrieben:Ich habe mal in den Franziskus-Quellen hier bei mir nachgeschaut, da Jorge keine Quelle bis dato geliefert hat.
Bitte entschuldigt, ich musste den Kreuzgang im Dezember ziemlich Hals über Kopf verlassen (aus Gründen, die mit dem Forum und seinen Beiträgen nichts zu tun haben) und habe mich dann später längere Zeit nicht blicken lassen und woanders herumgetrieben.
Ralf hat geschrieben:Das ist angesichts der Elogien des Franz auf das Priestertum nur albern.
Das ist ein Missverständnis, um Gottes willen. Ich hatte nicht ernsthaft vor, dem hl. Franz eine „Messsimulation“ zu unterstellen, sondern wollte nur auf unkonventionelle, teils regelrecht provozierende Zeichenhandlungen hinweisen, die aus einer ängstlich-legalistischen Sichtweise heraus in ihrer Eigenmächtigkeit beunruhigend erscheinen mussten, sich letztlich aber natürlich als rechtgläubig und zielführend erwiesen haben und uns Anhaltspunkte liefern können, wie weit das Kriterium der „Katholizität“ und „Kirchlichkeit“ dehnbar ist, wenn wahre Treue zu Jesus Christus zugrunde liegt.
Ralf hat geschrieben:Also, die Sammlung (oder Legende) von Perugia beschreibt in Absatz 97, wie Franziskus als Gast des Bischofs Almosen sammelt und diese dann auf den festlich gedeckten Tisch legt, obwohl da also weit mehr als genug zu essen ist. Die anwesenden Gäste (Ritter, die Verwandte des Bischofs sind) nehmen von diesem Brot. Der Bischof ist froh, daß es Schwarzbrot ist - eine irgendwie auch nur angedeutete Meßsimulation ist da vollkommen abwegig und unerwähnt.
Du hast die Quelle hier aber doch ein wenig entschärft.
Legenda Perusina hat geschrieben:
5 Postquam aliquantulum comedit beatus Franciscus, accepit de suis helemosinis et unicuique militi et capellanis domini episcopi
parum misit ex parte Domini Dei.
6 Qui omnes pariter
cum multa devotione acceperunt, alii comedentes, alii reponentes propter eius devotionem.
7 Immo extrahebant sibi infulas propter devotionem sancti Francisci cum accipiebant helemosinas.
8 Et gavisus est inde dominus episcopus propter devotionem illorum, maxime quia ille helemosine non erant de pane triticeo.
Nachdem der selige Franziskus ein wenig gegessen hatte, nahm er von seinen Almosen und reichte jedem Ritter und den Kaplänen des Herrn Bischofs ein kleines Stück von seiten des Herrgotts. Sie alle nahmen es mit großer Ehrfurcht an; die einen aßen es, die anderen legten es aus Verehrung für ihn zurück. Ja, sie zogen sogar ihre Hochmützen aus Verehrung für den heiligen Franziskus, als sie die Almosen in Empfang nahmen. Da freute sich der Herr Bischof wegen ihrer Verehrung, besonders, weil die Almosen nicht aus Weizenbrot waren.
[Übersetzung nach H. Feld (leicht redigiert)]
Also: Keiner
nimmt sich von dem Brot, sondern Franz reicht jedem ein Stückchen "vonseiten Gottes, des Herrn", und die Leute empfangen es ehrfürchtig und entblößen dabei sogar ihr Haupt. Dass die Verehrung nur dem Heiligen galt (und keinesfalls dem Brot), wird extra zweimal betont, was ebenso wie die etwas gequälte Freude des zukünftigen Papstes zeigt, wie missverständlich die Situation tatsächlich war. Besonders die Erleichterung Hugolins darüber, dass es kein Weizenbrot war (was eine Verwechslung mit eucharistischen Gaben aus seiner Sicht ausschloss), zeigt, dass eine solche Verwechslungsgefahr im Grundsatz durchaus bestand. Häretische Brotbrechfeiern kamen im ketzer- und armutsbewegten Norditalien und Südfrankreich damals vor und die Beteiligten wussten um die kirchenpolitische Sprengkraft solcher Gesten. Dementsprechend stellt der Kardinal den Heiligen anschließend unter vier Augen offenbar ziemlich entsetzt zur Rede. Auch wenn es dem Bericht zufolge in dem Gespräch nicht um die missverständliche Zeichenhandlung selbst, sondern nur um die Tatsache gegangen sein soll, dass Franziskus auf der Straße eingesammelte Brotstücke an den reich gedeckten Tisch seines Gönners gebracht hat, wird man wohl doch die Situation als Ganze als den eigentlichen Grund für die Irritation des Kardinals ansehen müssen.
Franz erklärt sein Handeln unter anderem als Demutsgeste, die seinen Brüdern als Beispiel dienen soll, damit sich niemand schämen oder davor drücken kann, auf Almosengang zu ziehen. Zum Schluss gelangt er zu der Feststellung, das Almosenbrot sei „heiliges Brot, geheiligt durch den Lobpreis und die Liebe Gottes“, was wiederum aufhorchen lässt, zumal Franz den Ausdruck „heiliges Brot“ in seinen Schriften für den eucharistischen Leib Christi benutzt, und zwar keineswegs (wie man aus heutiger Sicht vielleicht denken könnte), um damit die Bedeutung der Priester oder gar die Realpräsenz irgendwie zu relativieren oder zu mindern, sondern ganz im Gegenteil:
Der hl. Franziskus hat geschrieben:Täglich kommt er zu uns in demütiger Gestalt; täglich steigt er vom Schoß des Vaters herab auf den Altar in den Händen des Priesters. Und wie er sich den Aposteln im wahren Fleisch gezeigt hat, so zeigt er sich auch jetzt uns im heiligen Brot. Und wie sie beim Anblick seines Fleisches nur Fleisch sahen, aber glaubten, dass er Gott sei, wenn sie ihn mit geistigen Augen betrachteten, so sollen auch wir, wenn wir Brot und Wein mit körperlichen Augen sehen, sehen und fest glauben, dass es sein allerheiligster Leib und sein lebendiges und wahres Blut ist.
(1. Ermahnung an die Gefährten, hier auf Latein)
Der Kardinal war damit offenbar zufrieden und gab dem Franziskus der Legende nach ausdrücklich freie Hand, das zu tun, „was gut ist in deinen Augen.“
Legenda Perusina hat geschrieben:20 panis enim helemosine est panis sanctus, quem sanctificat laus et amor Dei, quoniam cum frater vadit pro helemosina prius debet dicere:
21 Laudatus et benedictus sit Dominus Deus (vgl. Ps 112,1.2; Lk 24,53), postea debet dicere: Facite nobis helemosinas amore Domini Dei".
22 Et plurimum fuit hedificatus dominus episcopus de collatione verborum sancti patris.
23 Et dixit ad eum: "Fili, quod bonum est in oculis tuis facias (vgl. 1Kö 14,36), quoniam Dominus tecum est (vgl. 2Kö 7,3; Lk 1,28) et tu cum ipso".
Das Almosenbrot ist nämlich heiliges Brot, geheiligt durch den Lobpreis und die Liebe Gottes, denn wenn ein Bruder um Almosen geht, muss er zunächst sagen: „Gelobt und gebenedeit sei Gott, der Herr.“ Und danach muss er sagen: „Gebt uns Almosen, um der Liebe des Herrgotts willen.“
Und der Herr Bischof war von der Rede des heiligen Vaters sehr erbaut. Und er sagte zu ihm: „Mein Sohn, was gut ist in deinen Augen, das tu, weil Gott mit dir ist und du mit ihm.“