Ist der "NOM"-Ritus verkehrt?

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
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Pit
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Beitrag von Pit »

Einmal abgesehen von den Anglikanern habe ich eine kurze Frage:
Ist für Dich ein Katholik, der eine Messe nach dem "NOM"-Ritus mitfeiert, ein Katholik oder nicht?

Gruß, Pit
Tetzel hat geschrieben:
Doch die verwässerten Texte und Gebete bleiben. Die Gestik ist auch weiterhin reduziert.
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Tetzel hat geschrieben: Schauen die Anglikaner etwa nur auf Äußerlichkeiten?
Nein. Wir sind nur in der Lage, mehr als eine Dimension zu sehen.
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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Doch die verwässerten Texte und Gebete bleiben. Die Gestik ist auch weiterhin reduziert.


Sag das doch auch mal dem Hl. Petrus, dem Hl. Paulus und all den anderen Aposteln und frühen Kirchenväter, die alle die "tridentinische Messe" nicht gefeiert haben.

Die Messe (das Memorial-Opfer des Neuen Bundes) hat sich nicht geändert. Sie wird seit 2000 Jahren gefeiert. Was sich geändert hat und immer wieder ändern wird, ist die Liturgie.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

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Athanasius2
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Beitrag von Athanasius2 »

FranzSales hat geschrieben:
Doch die verwässerten Texte und Gebete bleiben. Die Gestik ist auch weiterhin reduziert.


Sag das doch auch mal dem Hl. Petrus, dem Hl. Paulus und all den anderen Aposteln und frühen Kirchenväter, die alle die "tridentinische Messe" nicht gefeiert haben.

Die Messe (das Memorial-Opfer des Neuen Bundes) hat sich nicht geändert. Sie wird seit 2000 Jahren gefeiert. Was sich geändert hat und immer wieder ändern wird, ist die Liturgie.
Das macht ja auch nichts. Aber der hl. Petrus, der hl. Paulus und die ersten Päpste Roms haben sehr wohl, doch die gebetenen Grundlagen des Römischen Kanons und der ganzen römischen Liturgie gelegt. Auch der Gewänder übrigens. Die tridentinische hl. Messe ist organisch gewachsen aus dieser römischen Urliturgie. Übrigens ist natürlich klar, dass ich z.B. Kardinal Daoud nicht angreifen würde weil er den Syrischen Ritus zelebriert. Im Gegenteil. Ich respektiere die Diversität.

Die Probleme des Novus Ordo sind in der Tat die verwässerten Gebete und Lesungen (konsequent wurden Hölle, Sünde, Realpräsenz rausgelassen als "negative Theologie", das habe ich von einem Mitglieder der Bugnini-Kommission!). Die eucharistische Gebete II, IV und weiter enthalten keinen Ausdruck zum Opfercharakter, was die ersten Liturgien sehr wohl hatten (man schaue nur auf den christlichen Osten und die Anaphoren dort, der römische Kanon kann man in den Einzelgebeten bis ins 3. Jahrhundert zurückweisen, sowie die vor-1968 Formen der Priester- und Bischofsweihen).

Die Intention der Schaffer der neuen Liturgie ist ganz klar. Die ist sehr, sehr der katholischen Liturgie entgegengestellt. Aber das macht die Liturgie an sich in offiziellen Auslagen nicht häretisch oder schlecht.

Die Messe ist vor allem auch Sühnopfer. Nicht nur Gedächtnis. Nun, das "in commemorationem meam" ist den Aussagen Moses' am Sinai gleich, als das Opfer des Alten Bundes vorgestellt wurde.

Und was Sie sagen ist nicht ganz wahr: die Liturgie revolutionisiert sich nicht, ändert sich nicht, erreichert sich nur im organischen Wachsen. Das entspricht deinen evolutionistisch klingenden (panta rhei) Aussagen nicht.

Letztendlich geht es darum, ob diese oder jene Liturgie dem Wesen der Eucharistie, des sacrificium, entspricht. Alle Riten tun es, aber der Novus Ordo Missae hat Schwierigkeiten. Natürlich ist eine Ungültigerklärung oft übertrieben, wenn auch in der Pastoralpraxis häufig vorkommend (z.B. bei Priestern die in die Texte protestantische Gedanken und Gesten zur Eucharistie einfügen als wären es Rubriken, das schafft eine intentio contra Ecclesiam únd somit Ungültigkeit).

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Tetzel
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Beitrag von Tetzel »

Was sich geändert hat und immer wieder ändern wird, ist die Liturgie.
Die Messe aller Zeiten hat sich mit wenigen Änderungen organisch entwickelt.
Diese wurde nicht wie der Novus Ordo erst beim Konzil von Trient zusammengebastelt, sondern geht in weiten Teilen auf die Urkirche zurück

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Athanasius2
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Beitrag von Athanasius2 »

Ist für Dich ein Katholik, der eine Messe nach dem "NOM"-Ritus mitfeiert, ein Katholik oder nicht?

Gruß, Pit
Was meinst Du mit "mitfeiern". Das ist wieder so eine Terminologie die dem Protestantismus annähert. Der Priester feiert die hl. Messe, wir feiern - wenn überhaupt - geistig mit, was er, als Instrument Christi, sakramentalisch für uns vollzieht.

Natürlich sind Katholiken die alle Dogmen anerkennen und dem NOM nicht aus einer Vorliebe für Missbräuche und möglichen Häresien, sondern als Ritus der Kirche beiwohnen, völlige Katholiken. So einfach ist es doch.

Es geht darum ob man geistig dem katholischen Verständnis der Eucharistie beitritt, erst dann kommt die Orthopraxie. Und die kann es - wenn auch heute fast nicht zu finden bei allen Missbräuchen (Fingerkommunion, Messdienerinnen, Bastelgebete, Kommunionhelfer ohne Bombardement und Sowjetlager) - geben.

Etwa bei den Servi Jesu et Mariae von P. Hönisch SJ. Blindenmarkt, Österreich.

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Athanasius2
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Beitrag von Athanasius2 »

Tetzel hat geschrieben:
Was sich geändert hat und immer wieder ändern wird, ist die Liturgie.
Die Messe aller Zeiten hat sich mit wenigen Änderungen organisch entwickelt.
Diese wurde nicht wie der Novus Ordo erst beim Konzil von Trient zusammengebastelt, sondern geht in weiten Teilen auf die Urkirche zurück
Dem kann ich beitreten. Und wiederum in guter Gesellschaft. Der führende Liturgiewissenschaftler Prof. Dr. Adrian Fortescue sagte dies zum sogenannten "Tridentinischen" Ritus von Pius V., der eigentlich einfach der Römische Ritus ist:
Essentially the Missal of Pius V. is the Gregorian Sacramentary; that again is formed from the Gelasian book, which depends on the Leonine collection. We find the prayers of our Canon in the treatise De Sacramentis and allusions to it in the IVth century. So our Mass goes back, without essential change, to the age when it first developed out of the oldest liturgy of all. It is still redolent of that liturgy, of the days when Caesar ruled the world and thought he could stamp out the faith of Christ, when our fathers met together before dawn and sang a hymn to Christ as to a God. The final result of our enquiry is that, in spite of unsolved problems, in spite of later changes there is not in Christendom another rite so venerable." (Quelle: Adrian Fortescue (1912). The Mass: a study of the Roman liturgy. Longmans, Green: New York, London.)
Auch die Liturgien des Ostens haben ihre Ursprünge in den ersten Jahrhunderten und haben sich oft kaum geändert (vor allem der armenische Ritus hat sich textlich nur wenig vom alten Ritus der dort 303 zum Staatskult ausgerufen wurde [erste christliche Nation] entfernt).

Es ist einfach wahr, und wird sogar von Mitarbeitern Bugninis zugegeben, dass der Novus Ordo Missae zusammengebastelt wurde, etwas, was in der Liturgiegeschichte noch nie gesehen wurde, so Kardinal Ratzinger. "Ich war entsetzt." (Milestones, Ignatius Press.)

(Übrigens ist das Buch Milestones, ich weiss nicht wie es auf deutsch heisst, ein Zeugnis für den verwirrten und eher revolutionär eingestellten Geist Joseph Ratzingers. Leider.)

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Athanasius2
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Beitrag von Athanasius2 »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Athanasius2 hat geschrieben: Im wirklichen Brompton Oratory wird aber auch nach 1962 zelebriert (neben dem Novus Ordo Missae, N.O.M. von Paul VI., 1969). :freude: Hw. Uwe Lang ist ein bekannter Deutsche dort.
Im Brompton Oratory wird auch 1969 so zelebriert, daß es sehr nach 1962 ausschaut. Den Kritikern des NOM würde ich empfehlen, mal dort hinzugehen. Dann kann man sehen, daß man auch den NOM sehr "traditionell" zelebrieren kann. Außerdem ist der Chor klasse.

Fr Uwe Lang ist übrigens der Autor des höchst lesenswerten Buches "Conversi ad Dominum" über die Gebetsrichtung im christlichen Gottesdienst.
Ich kann Deinem Beitrag mal völlig zustimmen, Stephen!

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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Auch der Gewänder übrigens.
Petrus trug eine Baßgeigen-Kasel? :freude:
Die eucharistische Gebete II, IV und weiter enthalten keinen Ausdruck zum Opfercharakter, was die ersten Liturgien sehr wohl hatten (man schaue nur auf den christlichen Osten und die Anaphoren dort, der römische Kanon kann man in den Einzelgebeten bis ins 3. Jahrhundert zurückweisen, sowie die vor-1968 Formen der Priester- und Bischofsweihen).
Natürlich enthält das 4. Hochgebet ausdrückliche Bezüge zum Opfercharakter. Schon mal gelesen?
Und auch im 2.Hochgebet zeigt das "wir bringen dir dar" klaren Opfercharakter. Das Hochgebet der "Apostolischen Traditionen" klingt sehr ähnlich:

„Traditio apostolica"des Hippolyt v. Rom (?)(um 215 n.Chr. ?)
4. (DAS DARBRINGEN DES OPFERS)
Nachdem nun jemand zum Bischof eingesetzt worden ist,sollen ihm alle den Friedenskuß geben und ihn begrüßen,denn er hat die Würde erlangt. Die Diakone sollen ihm dieOpfergabe reichen.Er breitet die Hände über der Gabe aus, und dabei soll erzusammen mit dem gesamten Presbyterium das Dankgebetsprechen:
Der Herr sei mit euch.Und alle sollen antworten:Und mit deinem Geiste.Empor die Herzen.Wir haben sie beim Herrn.Laßt uns danksagen dem Herrn.Das ist würdig und recht.Und er soll so fortfahren:Wir sagen dir Dank, Gott, durch deinen geliebten KnechtJesus Christus, den du uns in diesen letzten Zeiten alsRetter, Erlöser und Boten deines Willens (vgl. Jes 9,5LXX) gesandt hast. Er ist dein von dir untrennbares Wort,durch ihn hast du alles geschaffen zu deinemWohlgefallen, ihn hast du vom Himmel gesandt in denSchoß einer Jungfrau. Im Leib getragen, wurde er Menschund offenbarte sich als dein Sohn, geboren aus demHeiligen Geist und der Jungfrau.Der deinen Willen erfüllen und dir ein heiliges Volkerwerben wollte, hat in seinem Leiden die Händeausgebreitet, um die von Leiden zu befreien, die an dichgeglaubt haben.Als er sich freiwillig dem Leiden auslieferte, um den Todaufzuheben, die Fesseln des Teufels zu zerreißen, die Unterwelt niederzutreten, die Gerechten zu erleuchten, eine Grenze zu ziehen und die Auferstehung kundzutun, nahm er Brot, sagte dir Dank und sprach: „Nehmt, eßt, dies ist mein Leib, der für euch zerbrochen wird" (vgl. Lk 22,19;lKor 11,24) Ebenso nahm er auch den Kelch und sprach:Dies ist mein Blut, das für euch vergossen wird. Wenn ihrdies tut, tut ihr es zu meinem Gedächtnis (vgl. Lk 22,20;lKor 11,25).Seines Todes und seiner Auferstehung eingedenk bringenwir dir das Brot und den Kelch dar. Wir sagen dir Dank,daß du uns für würdig erachtet hast, vor dir zu stehen unddir als Priester zu dienen. Auch bitten wir dich, deinenHeiligen Geist auf die Gabe der heiligen Kirche herabzusenden. Du versammelst sie zur Einheit, so gib allen Heiligen, die sie (sc. die Opfergabe) empfangen,Erfüllung mit Heiligem Geist zur Stärkung des Glaubens in der Wahrheit, dass wir dich loben und verherrlichen durch deinen Knecht Jesus Christus, durch den Herrlichkeit und Ehre ist dem Vater und dem Sohn mit dem Heiligen Geistin deiner heiligen Kirche jetzt und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen."

Die Alte Kirche war sich des Opfers bewußt, auch wenn sie nicht ständig den Begriff im Mund geführt hat. Die Eucharistie wird nicht zum Opfer indem man sie ständig so bezeichnet, sondern sie ist aus sich heraus Opfer. Selbst wenn nur die Einsetzungsworte gebetet würde, wäre es ein eucharistisches Opfer.

Kennst Du eigentlich irgendeine protestantische Denomination -von Anglokatholiken mal abgesehen- die zB. das 2. Hochgebet übernommen haben, dass ja auch so protestantisch ist.
Max Thurian schreibt:
“Recently a Protestant commission was given the task of revising the prayers of the Last Supper. It was proposed that they adopt the second Catholic Eucharistic Prayer (inspired by St. Hippolytus). That proposition was rejected, because the commission considered that the doctrine implied in that prayer did not correspond to the actual common faith of Protestants... the invocation of the Spirit on the bread and wine presupposed Transubstantiation.” (Max Thurian, Quoted in La Croix (Paris), June 15, 1977.)
Nicht nur Gedächtnis.
Dein Verständnis von "Gedächtnis" hört sich für mich völlig protestantisch und nicht sehr katholisch an. Was ist denn für Dich ein "Gedächtnis"?
Zuletzt geändert von FranzSales am Dienstag 7. November 2006, 14:22, insgesamt 1-mal geändert.
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Pit
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Beitrag von Pit »

Deiner Meinung nach gehen sowohl die tridentinische Liturgie als auch die entsprechenden liturgischen Gewänder auf die ersten Christen (und damit auch auf Petrus und Paulus) zurück.

Hast Du dafür Belege?

Gruß, Pit
Athanasius2 hat geschrieben:
Auch der Gewänder übrigens. Die tridentinische hl. Messe ist organisch gewachsen aus dieser römischen Urliturgie.
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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Pit hat geschrieben:Deiner Meinung nach gehen sowohl die tridentinische Liturgie als auch die entsprechenden liturgischen Gewänder auf die ersten Christen (und damit auch auf Petrus und Paulus) zurück.

Hast Du dafür Belege?

Gruß, Pit
Athanasius2 hat geschrieben:
Auch der Gewänder übrigens. Die tridentinische hl. Messe ist organisch gewachsen aus dieser römischen Urliturgie.
Na ja, zumindest die Gewänder sind schon in der Antike getragen worden. Auch der Aufbau und viele Elemente der Liturgie sind sehr alt.

Das kann man alles nachlesen.

Was sagen denn die Experten hier im Forum dazu?
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Ewald Mrnka hat geschrieben:
Na ja, zumindest die Gewänder sind schon in der Antike getragen worden. Auch der Aufbau und viele Elemente der Liturgie sind sehr alt.

Das kann man alles nachlesen.

Was sagen denn die Experten hier im Forum dazu?
Soweit ich weiß, haben sich die liturgischen Gewänder schlicht aus den Alltagsgewändern der Antike entwickelt. Während sich die andere Mode weiterentwickelte, hat die Kirche schlicht die Gewänder von damals beibehalten (und in Teilen veredelt).

Insofern könnte man auch argumentieren, daß die Freikirchler, die Gottesdienste im Straßenanzug leiten, die apostolische Tradition fortführen. ;)
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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Ewald Mrnka hat geschrieben:
Na ja, zumindest die Gewänder sind schon in der Antike getragen worden. Auch der Aufbau und viele Elemente der Liturgie sind sehr alt.

Das kann man alles nachlesen.

Was sagen denn die Experten hier im Forum dazu?
Soweit ich weiß, haben sich die liturgischen Gewänder schlicht aus den Alltagsgewändern der Antike entwickelt. Während sich die andere Mode weiterentwickelte, hat die Kirche schlicht die Gewänder von damals beibehalten (und in Teilen veredelt).

Insofern könnte man auch argumentieren, daß die Freikirchler, die Gottesdienste im Straßenanzug leiten, die apostolische Tradition fortführen. ;)
Für die Kleidung trifft das sicher zu - aber die Liturgie hat noch ältere Wurzeln; da geht es ja nachweibar bis in die Synagoge zurück.
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Ewald Mrnka hat geschrieben: Für die Kleidung trifft das sicher zu - aber die Liturgie hat noch ältere Wurzeln; da geht es ja nachweibar bis in die Synagoge zurück.
Hallo Ewald,

ich sehe hier immer mehr eigentlich den Tempel als Ursprung, weniger die Synagoge. Der Hebräerbrief ist für mich der Schlüssel dessen, was in der Messe geschieht - und von dort deutet vieles auf die Liturgie des Versöhnungsfestes im Tempel.

Gruß
Stephen
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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Ewald Mrnka hat geschrieben: Für die Kleidung trifft das sicher zu - aber die Liturgie hat noch ältere Wurzeln; da geht es ja nachweibar bis in die Synagoge zurück.
Hallo Ewald,

ich sehe hier immer mehr eigentlich den Tempel als Ursprung, weniger die Synagoge. Der Hebräerbrief ist für mich der Schlüssel dessen, was in der Messe geschieht - und von dort deutet vieles auf die Liturgie des Versöhnungsfestes im Tempel.

Gruß
Stephen
Sicher ist der Hebräerbrief ein Schlüssel zur Theologie der Messe; dennoch hat die Synagoge die Liturgie wohl entscheidender beeinflußt als die Tempelrituale.

Man muß ja im Auge behalten, daß die ersten christlichen Gemeinden direkt aus der jüdischen Religion hervorgegangen sind - und die praktizierte man gewöhnlich in der Synagoge. Der Tempelkult dagegen war verhältnismäßig exklusiv und er ging um 70 unter.

Aber ich bin nur Laie und möglicherweise sind meine Informationen zu dürftig.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
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Athanasius2
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Beitrag von Athanasius2 »

1. Pit, ja, die römische Liturgie und der Grossteil der liturgischen Gewänder gehen auf die Urkirche zurück. Nur Mitra und z.B. Manipel (aus dem 5. Jahrhundert), sowie Chormantel (möglich erst im 5. Jh. vom Osten, wo es die Kasel war, im Westen implementiert, oder um 800 aus Mönchkleidung zum Chorgebet in karolingischen Gebieten entstanden).

2. FranzSales, die Kanones von Hippolyt sind umstritten und es ist unklar, ob sie in der Liturgie tatsächlich verwendet wurden. Mit seinen Weiheriten ist dies anders, deren Spuren findet man noch heute bei Maroniten, Syrern und Kopten zurück. Tatsächlich ist die Behauptung, das II. eucharistische Hochgebet der Bugnini-Kommission (heute im Novus Ordo Missae) sei dem Kanon von Hippolyt gleich, grösster Unsinn. Das II. eucharistische Gebet kommt nicht mit dem Kanon von Hippolyt (dessen liturgischen Gebrauch nicht einmal feststeht, da Hippolyt damals Gegenpapst und Schismatiker war) überein. Das ist schon längst erwiesen: Eucharistic Prayer II and the Canon of Hippolytus.

So kann ich noch eben weitergehen....

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Athanasius2
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Beitrag von Athanasius2 »

Petrus trug eine Baßgeigen-Kasel?
Man kann entweder au sérieux diskutieren, oder den "Gegner" lächerlich machen, wenn man keine Argumente mehr hat, FranzSales.

Tatsache bleibt, dass die Kasel auf Frescen von Jesus als "Liturg" schon im 2. Jahrhundert abgebildet wurde und vom römischen Volke ab 300 v. Chr. bis 100 n. Chr. getragen wurde (danach mehr und mehr von griechischen Kleidern ersetzt). Die mit einem Kreuz verzierten Kaseln blieben aber Tracht der Liturgisten der Kirche, während die weltliche Mode sich änderte.

Übrigens ist die Dalmatik (und Tunik) zwar früh verwendet, aber eigentlich späteren Ursprung. In der Missa praesantificatorum der Karfreitagsliturgie Roms vor 1955 wird auch für Diakone die Kasel, allerdings ohne Manipel, vorgeschrieben.

Die Albe findet man in der hl. Schrift schon symbolisch zurück, während die Stola schon im Alten Testament Zeichen der Autorität und Gottesvollmacht war.

Reservierte Gewänder für den Gottesdienst sind schon sehr früh nachweisbar und mit der jüdischen Geschichte der Urkirche übereinzustimmen. Das mosaische Gesetz schrieb bereits Kleidung für den Kult vor. Das hat man bei den ersten Christen gut verstanden, aber auch, dass man die Tieropferpriesterkleidung nicht direkt übernehmen konnte. Man christianisierte die weltliche Tracht der Reichen (nur das beste wollte man für Gott).

Offensichtlich wollen hier einige ihre "Bruchgeschichte"-Version durchtreiben, die auch von den Protestanten schon früh gepflegt wurde, nämlich, dass die Bräuche der katholischen Kirche verseucht seien, nicht authentisch und sogar dem "apostolischen Einfältigen Leben" entgegengestellt.

Jedenfalls ist etwa die Kasel von Verfolgungszeit bis um 800 gleichgeblieben, danach wurde sie erreichert und eingekürzt bis zur Geigenkasel der römischen Renaissance- und Barockzeit.

Wie die Frau aber einst Jesus mit Öl salbte, soll auch heute nur das Beste gut genug sein für die Kirche. Vereinfachung und gar Weglassung ist Zeichen davon, dass man mit dem verräterischen Denken des Judas Iskariot infiziert ist: "Lasset uns es den Armen schenken." Das hört man auch heute bei den revolutionären Klerikern.

Natürlich macht das Fehlen der Kasel das Sakrament nicht ungültig, aber im öffentlichen Kult ausser Verfolgung, sollte man die Kasel beibehalten. Wie die anderen Gewänder, die einen tiefen Symbolismus formiert haben der den Gläubigen den Sinn des eucharistischen Geheimnisses klar macht (z.B. das Kreuz auf der Rückseit der Kasel).

Hier die Kasel des Hl. Vitalis von Savigny:
[left]http://www.odox.net/images/st-vitaly-chasuble.jpg[/left]
Zuletzt geändert von Athanasius2 am Dienstag 7. November 2006, 18:26, insgesamt 1-mal geändert.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Ewald Mrnka hat geschrieben: Sicher ist der Hebräerbrief ein Schlüssel zur Theologie der Messe; dennoch hat die Synagoge die Liturgie wohl entscheidender beeinflußt als die Tempelrituale.
Hallo Ewald,

ich denke, dies gilt für den Wortgottesdienst, nicht aber für die Eucharistie. Die zahlreichen Bezüge zum Tempelgottesdienst hat Margaret Barker in ihrem bahnbrechenden Buch "The Great High Priest. The Temple Roots of Christian Liturgy" herausgearbeitet.
Man muß ja im Auge behalten, daß die ersten christlichen Gemeinden direkt aus der jüdischen Religion hervorgegangen sind - und die praktizierte man gewöhnlich in der Synagoge.
Auch wenn die Synagogen wichtig waren, war doch der Dreh- und Angelpunkt bis zur Zerstörung - also auch zur Zeit der Apostel - der Tempelkult in Jerusalem. Gerade wenn man diese jüdischen Wurzeln ernst nimmt, muß man den Tempelkult als Bezugspunkt des frühchristlichen Gottesdienstes sehen. Die Eucharistie ersetzt als Vergegenwärtigung des einmaligen Opfers Christi die Opfer des jüdischen Tempelkultes. Daher ist nur logisch, daß in ihr liturgische Formen dieses Kultes sich wiederfinden. Auch denke ich, daß die Eucharistiefeier in antiker Zeit recht exklusiv war - wir finden in den Vätern immer wieder Hinweise auf die Arkandisziplin.

Aber das nur am Rand.

Gruß
Stephen
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Athanasius2
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Beitrag von Athanasius2 »

Sicher, Stephen. Neben dem neuen, der Christlichen Botschaft Jesu des Messias also, setzte man auch das Gute aus dem Alten Testament fort.

1. Beispiel:

Die Auflegung der Hände auf die Opfergaben. Wurde mit dem Sündenbock von den Juden getan.

2. Die Handauflegung bei der Weihe von Priester und Bischof:

Taten die jüdischen Hohepriester und Leviten auch.

3. Salbung:

Genauso.

4. Weihrauch, Gold:

Genauso bei den Juden vorzufinden, wie im Neuen Testament bei den Gaben der drei Könige.

5. Die Segnung mit den Händen über den Opfergaben:

Tempelkult.

Im Wortgottesdienst aller apostolischen Liturgien sind die jüdischen Einflüsse der altertümlichen Synagogeliturgien deutlich. Das Singen der Texte im Rhytmus z.B. Die Introïtus-Gesänge usw. wenn sie im "modo antiquo" gesungen werden, im "Altrömischen Brauch", stimmen auch deutlich mit dem Melodien der jüdischen Gesänge überein. Höre hier mal: http://www.romancatholicism.org/chant/o ... -chant.htm (Seite scheint gelöscht zu sein oder zeitweise offline.)

Das ist ja alles sehr evident, auch wenn es von den Protestanten vernachlässigt wird oder - am schlimmsten - als "Aberglaube" bezeichnet wird.

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Athanasius2
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Beitrag von Athanasius2 »

Auch denke ich, daß die Eucharistiefeier in antiker Zeit recht exklusiv war - wir finden in den Vätern immer wieder Hinweise auf die Arkandisziplin.
Das ist wahr. Im Westen ist zwar das rood screen verloren gegangen, aber im Osten ist es - wenn nicht wie bei den Armeniern vom Westen aus vernichtet - erhalten geblieben. Das weist die höchste Exklusivität des eigentlichen Opferdienstes auf.

Auch die Bezeichnungen "Brot brechen", "Geheimnisse feiern" usw. sind davon Beispiele.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Hier noch ein Link zu Margaret Barkers Webseite:

www.margaretbarker.com
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John Grantham
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Beitrag von John Grantham »

Ecce Homo hat geschrieben:
Rudolf J. Karner hat geschrieben:...auch die Altkatholiken (Intinctio!) haben nur sie!
Das stimmt nicht - ein sehr guter Freund von mir ist hier in der Stadt altkatholischer Pfarrer. Ich habe einige Male dort und auch schon sonstwo an der Orgel ausgeholfen (war selbstverständlich jeweils vorher oder hinterher - je nach Zeit - in einer römisch-katholischen Messe ;) ).
Und jeder dort in den Gemeinden bekommt die Hostie auf die Hand und taucht dann selbst beim "Kommunionhelfer" ein. Dort gibt es keine Mundkommunion. Und schon gar nicht "nur".
Genau. Bei den Alt-Katholiken gibt es (soweit ich es in meinen drei Jahren bei ihnen gesehen habe) nur HK; genaue Praxis (z.B. ob mit den Fingern, mit ausgetreckter rechten Hand usw.) ist aber unterschiedlich. Ich für meinen Teil mache es womöglich mit der ausgestreckten rechten Hand und esse den Leib aus der Hand heraus.

Aaaaber wenn man MK will, darf man das. Man mache nur den Mund auf. ;-)

Bei den Anglikanern ist es wie SD schon sagte i.d.R. kniende Handkommunion. Ob mit Brot oder Oblaten ist aber unterschiedlich. Ich habe aber schon anglikanische Gottesdienste erlebt, wo man die hl. Kommunion stehend empfängt, allerdings eher selten. MK habe ich zwar noch nie in einem anglikanischen Gottesdienst gesehen, habe aber davon gehört. Aber auch da darf man MK machen -- nur den Mund aufmachen. Vielleicht guckt der Priester schräg, aber immerhin.

Cheers,

John
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[ Alt-Katholisch/Anglikanisch in Hannover ]

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Athanasius2
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Beitrag von Athanasius2 »

Die Altkatholischen Kirchen (Döllingeriten) sind nach za. 1889 immer mehr dem Anglikanischen Gebrauch der hl. Kommunion nachgegangen. Nur in den Niederlanden gab es vereinzelte altkatholische Pfarreien, wo man nur die Mundkommunion praktizierte, allerdings wurde diese, nach dem II. Vatikanischen Konzil in der Römisch-Katholischen Kirche, Ende der 1960er immer mehr abgeschafft.

Das Konflikt 1909 in der altkatholischen Utrechter Union mit dem von Utrecht zum Bischof geweihten ehemals römisch-katholischen, damals altkatholischen Bischof Arnold Harris Mathew hatte auch damit zu tun, dass die meisten Altkatholiken bezüglich der Liturgie z.B. nur noch wenige Heiligen tolerierten, die "neue" Handkommunion des Anglikanismus einführten, die Beichte öfters vernachlässigten oder gar abschafften usw. Mathew starb aber 1919 in einer anglikanischen High Church Pfarrei.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Athanasius2 hat geschrieben: Das Konflikt 1909 in der altkatholischen Utrechter Union mit dem von Utrecht zum Bischof geweihten ehemals römisch-katholischen, damals altkatholischen Bischof Arnold Harris Mathew
Soweit ich weiß ist Mathew vom altkatholischen Erzbischof von Utrecht zum Bischof geweiht worden. Er war zuvor kein römisch-katholischer Bischof gewesen.
Mathew starb aber 1919 in einer anglikanischen High Church Pfarrei.
Ja, Mathew hatte sich nach seinem abenteuerlichen Leben in eine Pfarrei in England zurückgezogen, wo man allerdings anglikanischerseits seine "Weihen" nicht anerkannte, sondern ihn als Laien behandelte.

Inwieweit kennst Du Dich in der Geschichte um Arnold Harris Mathew aus? Mir scheint da sehr vieles noch ungeklärt zu sein.
Offenbar gab es von altkatholischer Seite aus Überlegungen, eine jansenistisch-altkatholische Mission in England zu beginnen. Dafür wurde Mathew als "Missionsbischof" geweiht. Später behauptete man jedoch, Mathew habe für die Weihe gefälschte Dokumente vorgelegt. Auch ließ man den Plan einer altkatholischen Mission in England wieder fallen und trat stattdessen in offizielle Verhandlungen mit der Kirche von England ein, die im Bonn Agreement von 1931 ihren Abschluß fanden. Unklar für mich ist, ob die Probleme mit Mathew in einem ursächlichen Zusammenhang standen mit der Entscheidung, eine Einigung mit den Anglikanern zu erzielen. Offenbar war die Weihe Mathews ein Problem für die Beziehungen zwischen beiden Kirchen, denn sie war der Beweis für die Missionspläne in England.

Jedoch scheint mir der Vorwurf, Mathews habe sich die Weihen erschlichen, nicht aus der Luft gegriffen zu sein. Nachdem sich die Altkatholiken offiziell von ihm getrennt hatten, startete er ein kirchliches Abenteurerdasein und hat als episcopus vagans überall seine "Weihen" verteilt. Zahlreiche Vagantensukzessionen führen ihre Weihelinien auf ihn zurück, darunter auch einige evangelische Hochkirchler in Deutschland.
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John Grantham
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Beitrag von John Grantham »

Hi Athanasius2,
Athanasius2 hat geschrieben:Die Altkatholischen Kirchen (Döllingeriten) sind nach za. 1889 immer mehr dem Anglikanischen Gebrauch der hl. Kommunion nachgegangen. Nur in den Niederlanden gab es vereinzelte altkatholische Pfarreien, wo man nur die Mundkommunion praktizierte, allerdings wurde diese, nach dem II. Vatikanischen Konzil in der Römisch-Katholischen Kirche, Ende der 1960er immer mehr abgeschafft.
Mmmmmhh. Das stimmt so nicht ganz, oder ist nur die halbe Geschichte. Man könnte zwar sagen, dass die Alt-Katholiken dem anglikanischen Gebrauch etwas näher gekommen sind, aber das gilt auch in Gegenrichtung. Gerade bei den alt-katholischen Eucharistiegebeten sehe ich noch Unterschiede in der Handhabung.

Außerdem gibt es anglo-katholische Gemeinden wo MK praktiziert wird. Die Praxis wird nur bei uns nicht vorgeschrieben und hat keine ununterbrochene Tradition, aber diese "high church"-Richtung wird bei uns immer stärker mit der Zeit.

Die Alt-Katholiken dagegen pendelten in den 50ern, 60ern und 70ern sehr stark in eine schlichte modernisierte Richtung und waren soweit ich es mitbekommen habe sogar viel mehr "low church" als wir Anglikaner. Jetzt pendeln sie aber zurück, führen wieder z.B. ausführliche Exsultet zur Osternacht ein.

Gerade beim jüngsten Alt-Katholiken Kongress in Freiburg wurde das deutlich. (Ich war nicht dabei, habe aber einiges mitbekommen.) Der alt-katholische Erzbischof von Utrecht feierte zum Anlaß des 75. Jubiläums des Bonner Abkommens eine Low Mass. ++Rowan Cantaur (der auch dabei war) dagegen ist für seinen liturgischen Scharfsinn bekannt und würde bei einer solchen Gelegenheit nie eine Low Mass feiern.
Athanasius2 hat geschrieben:Das Konflikt 1909 in der altkatholischen Utrechter Union mit dem von Utrecht zum Bischof geweihten ehemals römisch-katholischen, damals altkatholischen Bischof Arnold Harris Mathew hatte auch damit zu tun, dass die meisten Altkatholiken bezüglich der Liturgie z.B. nur noch wenige Heiligen tolerierten, die "neue" Handkommunion des Anglikanismus einführten, die Beichte öfters vernachlässigten oder gar abschafften usw. Mathew starb aber 1919 in einer anglikanischen High Church Pfarrei.
Mmmmmhh. Wieder eigentlich nur die halbe Geschichte. Mathew war früher römisch-katholischer *Priester*, kein Bischof. Es hat sich auch herausgestellt, dass seine Wahl von "britischen Alt-Katholiken" gefälscht war -- ob mit seinem Wissen oder nicht ist ungewiß, aber nach alt-katholischem Verständnis ist das egal, denn "ohne Kirche kein Bischof". Es gab keine "alt-katholischen" Gemeinden in England, also hat Mathew kein Bischof werden können.

Wie SD auch erwähnt hat, Mathew ist später zum episcopus vagans schlechthin geworden. Fast alle "Alt-Katholiken" in Nord-Amerika -- fast ausnahmslos "Kirchen" mit ein paar Dutzend Mitgliedern, wo Simonie gerne praktiziert wird, oder vom theosophischem Denken dominiert -- haben ihre "Sukzession" über ihn. Die Kirchen der Utrechter Union (und damit die deutschen Alt-Katholiken) haben mit denen nichts zu tun.

Aber Mathew und die Anglikaner spielten m.W.n. bei den liturgischen Reformen der Alt-Katholiken keine besondere Rolle. Vielmehr muß man im Auge behalten, dass die Alt-Katholiken nicht nur eine Reformbewegung des Katholizismus waren/sind, sondern eine Gegenreaktion waren -- gegen Rom des späten 19. Jhd. Das heißt, viele Alt-Katholiken reagierten allergisch auf römische Praxis und wollten sich möglichst davon entfernen -- und in der Zeit gingen Anglikaner genau in Gegenrichtung!

Bis heute spüre ich etwas von dieser ablehende Haltung bei manchen Alt-Katholiken -- wenn was "römisch" vorkommt, will man das nicht. Aber im Großen und Ganzen denke ich, dass diese allergische Haltung schwindet und gerade bei uns in Hannover feiert man relativ "high church", und zwar mit Gelassenheit. Wir feiern m.E. deutlich "higher" als unsere benachbarte römische Gemeinde. :lol:

Cheers,

John
Zuletzt geändert von John Grantham am Mittwoch 8. November 2006, 12:58, insgesamt 1-mal geändert.
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ottaviani
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Beitrag von ottaviani »

nun das ist beim NOM ja auch keine kunst

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

John Grantham hat geschrieben: Mmmmmhh. Wieder eigentlich nur die halbe Geschichte. Mathew war früher römisch-katholischer *Priester*, kein Bischof. Es hat sich auch herausgestellt, dass seine Wahl von "britischen Alt-Katholiken" gefälscht war -- ob mit seinem Wissen oder nicht ist ungewiß, aber nach alt-katholischem Verständnis ist das egal, denn "ohne Kirche kein Bischof". Es gab keine "alt-katholischen" Gemeinden in England, also hat Mathew kein Bischof werden
können.
Hi John,

ich spiele hier einmal den advocatus diaboli, aber diese Geschichte interessiert mich...

Wer stellt es denn so dar, daß die Wahl von Mathew durch die englischen Altkatholiken gefälscht war? Wo gibt es die Belege? Ich weiß, daß die Altkatholiken sich schnell von Mathew distanziert haben, allerdings kann das auch mit dem Faktum zusammenhängen, daß man sich doch lieber mit den Anglikanern einigen wollte, als in GB eine eigene Missionskirche zu gründen?

Wäre es nicht auch denkbar, daß die Legende von der "Wahl Mathews" durch die englischen Altkatholiken (die es eigentlich noch gar nicht gab) sogar von den Utrechtern selbst initiiert wurde, um die Weihe von Mathew als Reaktion auf eine kirchliche Notwendigkeit, sogar als "Hilfe für die Brüder in Not" erscheinen zu lassen, während man in Wahrheit einfach ein bißchen Proselytenmacherei betreiben wollte?

Wie gesagt, ich spiele hier den advocatus diaboli, aber diese Fragen sind offen und ich habe unterschiedliche Darstellungen zu diesem Thema gelesen.
Vielmehr muß man im Auge behalten, dass die Alt-Katholiken nicht nur eine Reformbewegung des Katholizismus waren/sind, sondern eine Gegenreaktion waren -- gegen Rom des späten 19. Jhd. Das heißt, viele Alt-Katholiken reagierten allergisch auf römische Praxis und wollten sich möglichst davon entfernen -- und in der Zeit gingen Anglikaner genau in Gegenrichtung!
Ist der liturgische Progressismus bei den Alt-Katholiken nicht auch eine Reaktion auf den extremen Nationalismus, dem man vor und während des Dritten Reiches in Deutschland verfallen war? Ich habe den Eindruck, daß die Altkatholiken damals versuchten, sich als die "Deutschen" Katholiken zu positionieren, leider mit einem dann relativ "braunen" Einschlag. Nach dem Krieg führte dies zu einer völligen Neubesinnung und dem bewußten Bemühen, sich progressiv neu zu definieren. Somit wurden die Alt-Katholiken zu einer der liberalsten und progressivsten Kirchen. Natürlich spielt auch eine Rolle, daß dort viele Menschen sind, die aufgrund persönlicher Verletzungen die römisch-katholische Kirche verlassen haben und deshalb bewußt etwas "anders" machen wollen.

Bei den AK in Stuttgart zum Beispiel wäre ein Ave Maria undenkbar gewesen, auch gegen Weihrauch war man dort relativ resisitent.

LG
Stephen
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John Grantham
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Beitrag von John Grantham »

Hi SD,
Stephen Dedalus hat geschrieben:
John Grantham hat geschrieben:Mmmmmhh. Wieder eigentlich nur die halbe Geschichte. Mathew war früher römisch-katholischer *Priester*, kein Bischof. Es hat sich auch herausgestellt, dass seine Wahl von "britischen Alt-Katholiken" gefälscht war -- ob mit seinem Wissen oder nicht ist ungewiß, aber nach alt-katholischem Verständnis ist das egal, denn "ohne Kirche kein Bischof". Es gab keine "alt-katholischen" Gemeinden in England, also hat Mathew kein Bischof werden können.
Hi John,

ich spiele hier einmal den advocatus diaboli, aber diese Geschichte interessiert mich...

Wer stellt es denn so dar, daß die Wahl von Mathew durch die englischen Altkatholiken gefälscht war? Wo gibt es die Belege? Ich weiß, daß die Altkatholiken sich schnell von Mathew distanziert haben, allerdings kann das auch mit dem Faktum zusammenhängen, daß man sich doch lieber mit den Anglikanern einigen wollte, als in GB eine eigene Missionskirche zu gründen?
Primäre und unabhängige Quellen scheint es kaum zu geben, also vieles ist leider Spekulation.

Aber mit etwas Menschenverstand es liegt gewissenmassen auf der Hand: Die deutschen Alt-Katholiken hatten schon vom Anfang an Kontakte zu Anglikanern. Anglikaner waren bei der ersten konstituierenden Sitzungen des deutschen Bistums dabei; in Lambeth 1878 hatten die Anglikaner ihre Unterstützung schon ausgesprochen. Vom Anfang an waren die Beziehungen recht gut und es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Abkommen zwischen den beiden Gruppen entsteht.

In so fern wäre es etwas seltsam von alt-katholischer Seite gewesen, wenn sie in der Ur-Heimat der Anglikaner missionieren würden. Unterstützung durch die Anglikaner hat eine gewisse Legitimierung der frühen alt-katholischen Bewegung gebracht; sonst hätte keine andere Kirche sie überhaupt ernst genommen.

Angenommen die Alt-Katholiken hatten tatsächlich die Absicht gehabt, in England zu missionieren, wäre das als Minimum taktisch sehr unklug gewesen. In so fern kann ich mit bestem Willen nicht glauben, dass die Alt-Katholiken Mathew "ausgenutzt" und dann -- sobald ein Abkommen in Sicht war -- fallen gelassen haben.

Sein späteres Verhalten zeigt auch, dass er zu Schickanen fähig war.

Zwar kam die ausdrückliche Anerkennung der anglikanischen Weihen seitens der Utrecher erst 1925, aber Mathew wurde von den Utrechter 1908 geweiht und schon 1909 wieder abgesetzt. Dass das so schnell ging, deutet auf einen aufgedeckten Betrug hin.

Also Dein Teufelsadvokat hat einige Lücken in seiner Geschichte. Die ist einfach wenig glaubwürdig, auch ohne primäre Quellen. Man kann davon ausgehen, dass die damaligen Alt-Katholiken rational und im eigenen Interesse gehandelt haben, und wie Ockhams Skalpell uns belehrt, die einfachere Interpretation der Geschichte ist wahrscheinlich die richtige.

Ich denke, die einfachere Erklärung ist, Mathew hat die Wahlurkunde gefälscht oder irgendjemand hat ihm eine gefälschte gegeben. In England zu missionieren wäre ein Eigentor für die Alt-Katholiken gewesen, und die Bewegung war damals noch viel zu schwach, um sich Spinnereien zu leisten.
Stephen Dedalus hat geschrieben:
John Grantham hat geschrieben:Vielmehr muß man im Auge behalten, dass die Alt-Katholiken nicht nur eine Reformbewegung des Katholizismus waren/sind, sondern eine Gegenreaktion waren -- gegen Rom des späten 19. Jhd. Das heißt, viele Alt-Katholiken reagierten allergisch auf römische Praxis und wollten sich möglichst davon entfernen -- und in der Zeit gingen Anglikaner genau in Gegenrichtung!
Ist der liturgische Progressismus bei den Alt-Katholiken nicht auch eine Reaktion auf den extremen Nationalismus, dem man vor und während des Dritten Reiches in Deutschland verfallen war?
Ich denke, das kann auch ein Beitrag gewesen sein, wobei ich mir denke, dass das weniger Einfluß auf Liturgie hatte, als der einfache Wunsch, sich zu profilieren und eine eigene Identität aufzubauen. Allerdings bewegen wir uns wieder im Raum der Spekulation.
Stephen Dedalus hat geschrieben:Ich habe den Eindruck, daß die Altkatholiken damals versuchten, sich als die "Deutschen" Katholiken zu positionieren, leider mit einem dann relativ "braunen" Einschlag. Nach dem Krieg führte dies zu einer völligen Neubesinnung und dem bewußten Bemühen, sich progressiv neu zu definieren. Somit wurden die Alt-Katholiken zu einer der liberalsten und progressivsten Kirchen. Natürlich spielt auch eine Rolle, daß dort viele Menschen sind, die aufgrund persönlicher Verletzungen die römisch-katholische Kirche verlassen haben und deshalb bewußt etwas "anders" machen wollen.

Bei den AK in Stuttgart zum Beispiel wäre ein Ave Maria undenkbar gewesen, auch gegen Weihrauch war man dort relativ resisitent.
Klar, diese Liberalisierung der alt-katholischen Kirche hat ebenfalls zur liturgischen Reform beigetragen. Man sieht das auch bei der Pfarrern der 68er-Generation. Aber ich denke auch, dass der II. Vatikanum eine Rolle gespielt hat -- zwar hatte das keinen direkten Einfluß auf die Alt-Katholiken im juristischen Sinne, aber ein Einfluß -- eine Abfärbung -- war m.E. sicherlich da.

Heute ist die alt-katholische Kirche zwar weiterhin liberal -- Frauenpriester, anderer Umgang mit Homosexuellen, synodal-demokratische Verfassung, theoretisch sind sogar Bischöfinnen denkbar --, aber ich merke schon Tendenzen, Elemente der hochkirchlichen Liturgie wieder einführen zu wollen. Ich war bei der Liturgischen Kommission dabei, als sie die Neuauflage des Eucharistiebuches besprochen haben, und auch bei einigen Gesprächen mit Pfarrern dabei, die sich darüber unterhielten: Ein Generationswechsel ist deutlich. Die jüngeren Pfarrer scheinen diese hochkirchliche Liturgie wiederentdeckt zu haben. Und siehe da, im neuen Eucharistiebuch ist das Exsultet wieder drin und das ganze deutlich feierlicher gemacht.

Zwar kann man nicht davon ausgehen, dass das Tridentium bei den Alt-Katholiken demnächst eingeführt wird ;-) aber jedenfalls sieht man einen Trend, der sich m.E. nach und nach durchsetzen wird.

Cheers,

John
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

John Grantham hat geschrieben: Aber mit etwas Menschenverstand es liegt gewissenmassen auf der Hand: Die deutschen Alt-Katholiken hatten schon vom Anfang an Kontakte zu Anglikanern. Anglikaner waren bei der ersten konstituierenden Sitzungen des deutschen Bistums dabei; in Lambeth 1878 hatten die Anglikaner ihre Unterstützung schon ausgesprochen. Vom Anfang an waren die Beziehungen recht gut und es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Abkommen zwischen den beiden Gruppen entsteht.
Hi John,

ja, das ist richtig. Allerdings mußt Du mir an einem weiteren Punkt Nachhilfe geben: ich bin ich mir nicht sicher, wie das Verhältnis der deutschen Altkatholiken-Vereine um Döllinger zu den Utrechtern zu dieser Zeit war. Das Erzbistum Utrecht war doch seit dem 18. Jahrhundert (oder sogar schon vorher) nicht mehr unter römischer Jurisdiktion. Die Altkatholikenvereine um Döllinger hingegegen entstanden erst nach dem 1. Vatikanum und existierten einige Zeit ohne weitere kirchliche Anbindung, bis deutlich wurde, daß sie auf absehbare Zeit nicht nach "Rom" würden zurückkehren können. Erst dann traten sie in Verhandlungen mit dem Erzbischof von Utrecht ein, um sich dort anzuschließen??
In so fern wäre es etwas seltsam von alt-katholischer Seite gewesen, wenn sie in der Ur-Heimat der Anglikaner missionieren würden. Unterstützung durch die Anglikaner hat eine gewisse Legitimierung der frühen alt-katholischen Bewegung gebracht; sonst hätte keine andere Kirche sie überhaupt ernst genommen.
Die Pläne der Altkatholiken, eine englische Mission zu beginnen, sind historisch unbestritten und auch belegt. Allerdings ging dieses Bestreben wohl mehr von Utrecht aus als von den deutschen Altkatholiken. Wie die Beziehungen da genau waren, weiß ich leider nicht (s.o.). Ich habe diese Woche mit einer Spezialistin für Jansenismus gesprochen und sie konnte die Pläne zur Gründung einer jansenistisch-altkatholischen Kirche in England nur bestätigen, allerdings kannte sie die Details um die Weihe Mathews nicht.

Denkbar in diesem Zusammenhang wäre auch, daß der wachsende Einfluß der deutschen Altkatholiken in der Utrechter Union die Pläne zur englischen Mission zurückgedrängt hat, aber auch dies wäre von meiner Seite aus jetzt nur Spekulation.
Sein späteres Verhalten zeigt auch, dass er zu Schickanen fähig war.
Ja, das ist in meinen Augen auch ganz deutlich. Das spätere Verhalten Mathews spricht ganz klar gegen ihn und für die Version der "Fälschung".
Zwar kann man nicht davon ausgehen, dass das Tridentium bei den Alt-Katholiken demnächst eingeführt wird ;-) aber jedenfalls sieht man einen Trend, der sich m.E. nach und nach durchsetzen wird.
Das sollte mich sehr freuen.

Ever yours affly.
SD
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John Grantham
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Beitrag von John Grantham »

Hi SD,

Hey, der Laden entwickelt sich zum Anglikaner-Chat. :lol: :lol: :lol:
Stephen Dedalus hat geschrieben:
John Grantham hat geschrieben: Aber mit etwas Menschenverstand es liegt gewissenmassen auf der Hand: Die deutschen Alt-Katholiken hatten schon vom Anfang an Kontakte zu Anglikanern. Anglikaner waren bei der ersten konstituierenden Sitzungen des deutschen Bistums dabei; in Lambeth 1878 hatten die Anglikaner ihre Unterstützung schon ausgesprochen. Vom Anfang an waren die Beziehungen recht gut und es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Abkommen zwischen den beiden Gruppen entsteht.
Hi John,

ja, das ist richtig. Allerdings mußt Du mir an einem weiteren Punkt Nachhilfe geben: ich bin ich mir nicht sicher, wie das Verhältnis der deutschen Altkatholiken-Vereine um Döllinger zu den Utrechtern zu dieser Zeit war. Das Erzbistum Utrecht war doch seit dem 18. Jahrhundert (oder sogar schon vorher) nicht mehr unter römischer Jurisdiktion. Die Altkatholikenvereine um Döllinger hingegegen entstanden erst nach dem 1. Vatikanum und existierten einige Zeit ohne weitere kirchliche Anbindung, bis deutlich wurde, daß sie auf absehbare Zeit nicht nach "Rom" würden zurückkehren können. Erst dann traten sie in Verhandlungen mit dem Erzbischof von Utrecht ein, um sich dort anzuschließen??
Nun, die Utrecher Union entstand schon 1889; Mathews Weihe war 1908. Das paßt irgendwie nicht.

Dass es Pläne gab, ist wie Du sagst unumstritten. Aber dass diese Pläne jemals umgesetzt wurden, da habe ich meine Zweifel. Was ich mir vorstellen kann:

++Utrecht machte vorsorglich Pläne, in England zu missionieren, falls (ehemalige röm.-katholische) Gemeinden in England den Wunsch äussern, sich von Rom zu trennen -- wie es in Deutschland passiert ist. Soll heißen, sie warteten auf einen "englischen Döllinger".

Daraufhin erschien Mathew, der behauptet hatte, genau solche Gemeinden hinter sich zu haben.

Toll, supi, denken die Utrechter, da ist unser englischer Döllinger. Wir unterstützen diese Leute und nehmen sie bei uns auf, weil sie bei uns gut aufgehoben werden.

Kurz darauf fährt man nach England und findet heraus, diese Gemeinden sind nur vorgegaukelt und gar nicht existent. Mathew wird 1909 zu Rechenschaft gezogen und aus der Union rausgeschmissen.

So gesehen wären die "Missionspläne" Utrechts keine Absicht, Leute in England aktiv dazu zu gewinnen, sondern -- wie in Deutschland -- eine vorhandene römisch-katholische Reformbewegung zu unterstützen. Da ist ein erheblicher Unterschied.

So ähnlich wie die von mir vermuteten Utrechter Missionspläne läuft es übrigens z.Zt. in Kanada, wo es bekannterweise eine anglikanische Kirche schon gibt. Dort gibt es einige katholische Gemeinden in British Columbia -- witzigerweise von einem Bischof geführt, der über Mathews seine Sukzession hat, aber sie sind scheinbar Abspalter von einer Vagantenkirche, die 'legitim' werden wollen. Sie haben zwar gute Beziehungen mit den Anglikanern, aber sie wünschen sich trotzdem, Mitglieder der Utrechter Union zu werden, denn die alt-katholische Identität ist ihnen zu wichtig. Utrechter und Anglikaner sagen "toll supi" und siehe da, hey presto, eine vollwertige alt-katholische Kirche entsteht in Kanada (wenn auf Probezeit).

Die British Columbians sind scheinbar mächtig stolz darauf: Viele Bilder von des Besuchs von Jürgen Wenge, ak-Pfarrer aus Offenbach und Gesandter der UU. Mir fällt auch sofort auf, dass der BC-Bischof eine Stola trägt, die +Joachim gerne schenkt -- unser Pfarrer hat auch so eine. (Kann aber auch sein, dass Jürgen seins mit dem BC-Bischof getauscht hat.)

Ich denke, die Geschichte dort ist genau das, was die Utrechter damals sich von Mathews vorstellten -- keine Missionskirche im klassischen Sinne, sondern eine pastorale Übernahme von etwas Vorhandenem.

Warum Mathews das getan hat? Vielleicht wollte er eine richtige Mission anfangen, mit der Vorstellung, Leute dazu zu gewinnen und seine Vertuschung würde dann nicht auffliegen, eine alt-katholische Kirche entsteht und keiner kümmert sich um die verfälschte Urkunde. Oder vielleicht war er s.z.s. nur weihegeil. Oder er wollte von vorne heren Simonie betreiben. Oder er glaubte tatsächlich, Gemeinden hinter sich zu haben, die ihn im Stich gelassen haben. Könnte einiges sein, und alle Varianten sind m.M.n. glaubwürdig...

...glaubwürdiger als die Vorstellung, eine ganze Kirche würde eine Schwesterkirche betrügen und sie lassen deren Proxy (Mathews) fallen, weil's auf einmal unpassend war. Das macht einen besseren Hollywood-Film, hört sich aber für meine Ohren weniger glaubwürdig an.
Ever yours affly.
SD
Your humble sv't,

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Beitrag von ottaviani »

NOCH IST DER MODERATOR GÜTIG UND SCHAUT ZU...........

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Beitrag von Tetzel »

nun das ist beim NOM ja auch keine kunst
Viele Katholiken sind ja mit NOM und den Liberalisierungen in der Folge eh geistige Protestanten geworden.
Wer sieht denn heute noch einen Unterschied zwischen Protestanten und Katholiken.
Fast keiner mehr.
Wen wunderts wurden doch durch den NOM die luthersche Liturgie zu einem sehr großen Teil übernommen.
Und auch die Deutschen übersetzungen stimmen mit den protestantischen Akklamationen fast überein...

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