Keuschheit

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taddeo
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Re: Keuschheit

Beitrag von taddeo »

azs hat geschrieben:Merken Menschen eigentlich auch, dass sie durch irgendwelche Anschuldigungen suchende Menschen abschrecken? Lieber einmal mehr einen Troll füttern als einmal fälschlicherweise einen wirklich Suchenden abzustoßen.
:daumen-rauf:

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Peti
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Re: Keuschheit

Beitrag von Peti »

Ein guter Text zum Thema:

Keuschheit: Liebe, die sich am Geliebten orientiert
http://www.kath.net/detail.php?id=29883
Was für ein Glück für uns, dass wir wissen können, dass die Barmherzigkeit Gottes unendlich ist.
Johannes Maria Vianney

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overkott
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Re: Keuschheit

Beitrag von overkott »

Keusch von lat. conscius abzuleiten, ist Legendenbildung nach dem Motto: Erlaubt ist, was gefällt.

Keusch bedeutet so etwas wie scheu, ängstlich, zaghaft, zurückhaltend und kommt auch im der Bedeutung kuschen, kusch dich zum Ausdruck. ( Gegenteil: schamlos, unverschämt, dreist, frech, keck, kühn, mutig, unbändig, gewagt )

Das ist nicht weit weg von lat. castus = keusch und castigare = züchtig machen, züchtigen, erziehen.

Keusch bedeutet in diesem Sinn züchtig, erzogen.

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Juergen
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Re: Keuschheit

Beitrag von Juergen »

Köbler: Etymologisches Wörterbuch
keusch, Adj., »keusch, rein«, mhd. kiusche,
kiusch, Adj., »keusch«, ahd. kuski (765),
kusci, Adj., »keusch, tugendhaft, ehrbar,
sittsam«, as. *kuski, Adj., y»eusch«, germ.
*kuskeis, Adj., »keusch«?, Lw. lat. conscius,
Adj., »bewußt, beherrscht, tugendhaft«
Gruß Jürgen

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overkott
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Re: Keuschheit

Beitrag von overkott »

Köbler ist bisher nicht durch außergewöhnliche Lateinkenntnisse aufgefallen.

Nehmen wir mal Adelung ( 1793 ):

http://www.zeno.org/Adelung-1793/A/Keusch?hl=keusch

Oder Georges ( 1913 ):

http://www.zeno.org/Georges-1913//Suche?&q=keusch

civilisation
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Re: Keuschheit

Beitrag von civilisation »

Wo ist das Doppelgebot? - Die Keuschheit muß sich doch auch vom Doppelgebot herleiten können.

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Robert Ketelhohn
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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Juergen hat geschrieben:Köbler: Etymologisches Wörterbuch
keusch, Adj., »keusch, rein«, mhd. kiusche,
kiusch, Adj., »keusch«, ahd. kuski (765),
kusci, Adj., »keusch, tugendhaft, ehrbar,
sittsam«, as. *kuski, Adj., y»eusch«, germ.
*kuskeis, Adj., »keusch«?, Lw. lat. conscius,
Adj., »bewußt, beherrscht, tugendhaft«
So leitet es auch der Etymologie-Duden her. Lautgesetzlich ist das ohne
weiteres möglich und plausibel, historisch wäre der Weg der Übernahme
über die gotische Mission im südwestdeutschen Raum, eine Ausbreitung
im Westgermanischen und nachfolgende Entlehnung ins Nordgermanische
ebenso nachvollziehbar.

Der Haken dieser Hypothese ist jedoch ein doppelter: Erstens gibt es für
die gotische Form keinerlei Quellenbelege, es handelt sich um ein einzig
aus den ahd. Belegen erschlossenes Wort. Zweitens ist die Hypothese lexi-
kalisch, also hinsichtlich der angenommenen Bedeutungsentwicklung und
-verengung nicht wirklich überzeugend.

Insofern muß die Herleitung aus der Lateinischen übers Gotische zwar als
möglich angesehen werden, jedoch keineswegs als zwingend oder gar er-
wiesen. Der Stamm ahd. kusk- kann ebenso eine Entlehnung aus anderer,
unbekannter Quelle oder auch urgermanischer Herkunft sein.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Tritonus
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Re: Keuschheit

Beitrag von Tritonus »

Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, "vom Professor Oertel in Ansbach", München 1837:
Keusch -- er -- este, vergl. Hebr. koscher, rein, unverfälscht ...
Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache, von Joh.Bapt.Mayer, Kempten 1837:
Keusch, welches bei Notker chiusch und bei den schwäbischen Dichtern kuisch lautete, bedeutete ursprünglich soviel als rein, überhaupt; wie denn noch jetzt in der gemeinen Volkssprache kauscher oder koscher für: rein, unverfälscht gebraucht wird. ...
(Hervorhebungen von mir.)

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overkott
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Re: Keuschheit

Beitrag von overkott »

Tritonus hat geschrieben:Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, "vom Professor Oertel in Ansbach", München 1837:
Keusch -- er -- este, vergl. Hebr. koscher, rein, unverfälscht ...
Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache, von Joh.Bapt.Mayer, Kempten 1837:
Keusch, welches bei Notker chiusch und bei den schwäbischen Dichtern kuisch lautete, bedeutete ursprünglich soviel als rein, überhaupt; wie denn noch jetzt in der gemeinen Volkssprache kauscher oder koscher für: rein, unverfälscht gebraucht wird. ...
(Hervorhebungen von mir.)
Ja, geh, schau, die Bayern, deutschtümeln nicht so herum, sondern kommen direkt zur Sache.

Raphael

Re: Keuschheit

Beitrag von Raphael »

Tritonus hat geschrieben:Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, "vom Professor Oertel in Ansbach", München 1837:
Keusch -- er -- este, vergl. Hebr. koscher, rein, unverfälscht ...
Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache, von Joh.Bapt.Mayer, Kempten 1837:
Keusch, welches bei Notker chiusch und bei den schwäbischen Dichtern kuisch lautete, bedeutete ursprünglich soviel als rein, überhaupt; wie denn noch jetzt in der gemeinen Volkssprache kauscher oder koscher für: rein, unverfälscht gebraucht wird. ...
(Hervorhebungen von mir.)
Des paßt scho! :daumen-rauf:

Wobei wenn ich mir recht überlege, gibt es noch folgenden Erklärungsansatz: Keusch kommt sicherlich von keuchen!
Man keucht halt vor Anstregung, weil die Keuschheit so schwer zu erreichen ist! :zirkusdirektor:

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Juergen
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Re: Keuschheit

Beitrag von Juergen »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Insofern muß die Herleitung aus der Lateinischen übers Gotische zwar als
möglich angesehen werden, jedoch keineswegs als zwingend oder gar er-
wiesen. Der Stamm ahd. kusk- kann ebenso eine Entlehnung aus anderer,
unbekannter Quelle oder auch urgermanischer Herkunft sein.[/color]
In einem Wörterbuch fand ich, daß bei dem Wort kuskeis auf das Burgundische verwiesen wird. Wenn man auf sowas verweist, müßte es doch von dort eine Quelle geben. :hmm:


Daß es von Koscher kommt, wäre natürlich denkbar.
Wie die Ausbreitung dann vonstatten ging (bis ins Baltikum) ist natürlich eine andere Frage.


Noch ein Hinweis aus Norwegen
http://nn.wikipedia.org/wiki/Kyskleik
Kyskleik (av kysk, som kjem gjennom lågtysk frå latin castus, 'rein') viser til det å vera seksuelt urørt, avhaldande, eller strengt følgja normene for seksuell oppførsel i eit visst samfunn.
Einerseits wird auf's Lateinische verwiesen, andererseits findet man da Kysk-, was dem o.g. kusk- doch sehr nahe kommt.
Gruß Jürgen

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overkott
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Re: Keuschheit

Beitrag von overkott »

Was die Bedeutung rein anbelangt, wird in der Bibel der Begriff bona conscientia auch mit reinem Gewissen übersetzt, wobei damit eine semantische Einschränkung vorgenommen wird, denn reines Wasser etwa ist nicht für jeden Zweck gut.

Neben dem Wort keusch gibt es auch das Wort prüde. Prüde wird meist im sittlichen Bereich als schamhaft verstanden, meist negativ als übertrieben schamhaft. Leitet man es aber vom Lateinischen oder von romanischen Einflüssen aufs Englische ab, findet sich: prudentia = Klugheit oder prudent = vernünftig. Gegenteil: imprudentia = Ahnungslosigkeit, imprudent = leichtsinnig. ( Abgrenzungen zu pride, bride, bright sparen wir an dieser Stelle einmal aus. )

Ich glaube schon, dass meine Ausführungen zur Bedeutung von keusch ( s.o. ) jenseits der Wörterbücher haltbar sind.

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Reinhard
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Re: Keuschheit

Beitrag von Reinhard »

Eigentlich war ja die Frage dieses Strangs eine ganz andere ... :)

Ok, wenn wir jetzt aber dem Wort nachgehen, dann kann ich für das Niederländische sagen, dass "kuis" vor allem im flämischen Sprachgebrauch hauptsächlich die Bedeutung von "sauber" hat: http://www.encyclo.nl/zoek.php?woord=kuis
Etymologisch lässt es sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen, mit den Bedeutungen "rein, sauber, zurückhaltend, ehrbar, züchtig".
Zur Herkunft gibt es auch dort nur Vermutungen, am ehesten in Richtung von (lat.) "conscire".

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overkott
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Re: Keuschheit

Beitrag von overkott »

Diese wegen der allzu großen Lautverschiebung schwer verständliche und in alten Büchern nicht auffindbare Ableitung von conscire scheint übertrieben und eher durch eine Ähnlichkeit mit concisio motiviert, was allenfalls auf einen Zusammenhang von schlechtes Gewissen haben ( geistig ) und Beschneidung ( körperlich ) hindeutet.

Sicher wird wilder Wein durch Beschneidung gezüchtet. Auch im sittlichen Bereich gibt es eine Beschneidung durch Triebverzicht und eine entsprechenden Gewissensbildung durch Züchtigung ( "Nicht mit den Fingern dran gehen, sonst gibt's Haue." )

Auch wenn es einen großen Zusammenhang gibt, sollte man doch mit dem nahe Liegenden anfangen.

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Robert Ketelhohn
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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Tritonus hat geschrieben:Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, "vom Professor Oertel in Ansbach", München 1837:
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Raphael hat geschrieben:Des paßt scho! :daumen-rauf:
Juergen hat geschrieben:Daß es von Koscher kommt, wäre natürlich denkbar.
Das ist lautgesetzlich und sprachhistorisch ganz unmöglich. Und Notker sprach noch lang kein Mittelhochdeutsch.
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Raphael

Re: Keuschheit

Beitrag von Raphael »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Tritonus hat geschrieben:Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, "vom Professor Oertel in Ansbach", München 1837:
Keusch -- er -- este, vergl. Hebr. koscher, rein, unverfälscht ...
Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache, von Joh.Bapt.Mayer, Kempten 1837:
Keusch, welches bei Notker chiusch und bei den schwäbischen Dichtern kuisch lautete, bedeutete ursprünglich soviel als rein, überhaupt; wie denn noch jetzt in der gemeinen Volkssprache kauscher oder koscher für: rein, unverfälscht gebraucht wird. ...
(Hervorhebungen von mir.)
Raphael hat geschrieben:Des paßt scho! :daumen-rauf:
Juergen hat geschrieben:Daß es von Koscher kommt, wäre natürlich denkbar.
Das ist lautgesetzlich und sprachhistorisch ganz unmöglich. Und Notker sprach noch lang kein Mittelhochdeutsch.
Wieso? :hmm:

Nach der Zerstörung des Tempels wurden die Juden in die ganze Welt zerstreut.
Ihr ureigenes Vokabular wurde teilweise in den Sprachgebrauch von anderen Völkern übernommen und in leicht verfremdeter Form weiterverwandt ..........

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Juergen
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Re: Keuschheit

Beitrag von Juergen »

Hier noch was
http://www.staff.ncl.ac.uk/henrike.laeh ... logie.html
Lisa-Maria Raff, Lotte Mundt

Unkiusche

Un-kiusche: stF, Adjektivabstraktum mit -î, ahd. kiusk-î; in Anlehnung an andere Tugend-/Lasterbildungen auch mit -heit un-kiuschecheit (stF); dafür ist ein adj. kiuschec vorauszusetzen.

Etymologie

keusch: lat. conscius, got. *kûskeis, ahd. chûsci (adv. chûsko), ags. cûsc, altfries. kûsk, kûs, nl. kiusch, kuis; entlehnt schwed. kysk, dän. kydsk. Ältere oberd. Form künsch, alem. chiunsch, älter schwäb. könsch. asächs. kûsko, mnd. küsch(e), kusch, kû, aengl. cûsc, mnl. cuusc, nl. kuis. Spätere Verbableitung: keuscheln: "Keuschheit heucheln" (wie "frömmeln").
Die Ableitung des sustantivierten Gegenteils zeigt im Ahd. noch verschiedene Formen: unkûski, unchûskida, nist chûski.

Bedeutungsspektrum

: Das lateinische conscius ("mitwissend, eingeweiht, bewusst") steht am Anfang der Bedeutungsentwicklung. Mit der Übernahme in die gotische Kirchensprache wurden der säkulare Tugendbegriff "tugendhaft, rein, um das Rechte und Gute bewusst" spezifisch christlich geprägt: "der christlichen Lehre bewusst, das Geziemende". Das ahd. kûskî/kiuskî wurde im Rahmen der frühmittelalterlichen Christianisierung aus dem gotischen kirchensprachlichen *kuskeis übernommen: Aus der allgemeinen ahd. Bedeutung "geziemend, sittlich, mäßig, enthaltsam (in Bezug auf Nahrungs- und Sexualtrieb)" entwickelte sich "maßvoll, enthaltsam in sinnlicher Beziehung" und entspricht dann lat. castus, purus bzw. kiusche wird mit lat. castitas, modestia gleichgesetzt. Die Mundarten entwickelten die Bedeutungen: bayr.-österr. "schlank, leicht, fein, verletzbar"; hess. und mnl. im konkreten Sinne "sauber". Das Bedeutungsspektrum von "keusch" beeinflußt dann auch das Verständnis des Worts "koscher" (jiddisch kauscher aus hebräisch kâsêr: "tauglich", vermittelt durch die oberd. Form kausch) als "rituell rein". Bei den Römern entstanden Sünde (nefas) und Schändliches/Gottloses (profanum) durch Unreinheit (Unkeuschheit, Unnüchternheit, gewisse Krankheiten, rohe Reden, Feindschaft, Hass). Es wurde derjenige als unrein befunden, der keine‚castitas aufwies…
(Hervorhebung von mir)
Gruß Jürgen

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Robert Ketelhohn
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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

overkott hat geschrieben:Neben dem Wort keusch gibt es auch das Wort prüde.
Das ist eine neuzeitliche Entlehnung aus dem Französischen und gehört hier überhaupt nicht her.
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Robert Ketelhohn
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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

overkott hat geschrieben:Diese wegen der allzu großen Lautverschiebung schwer verständliche und in alten Büchern nicht auffindbare Ableitung von conscire scheint übertrieben
Keineswegs „allzu groß“, sondern lautlich paßt das genau. Das Problem an dieser Hypothese ist ein anderes, nämlich – wie ich oben schon geschrieben habe, man hätte das lesen können – daß die Bedeutungsverschiebung nicht recht plausibel ist und daß zum andern das notwendig als Zwischenstufe anzusetzende gotische *kuskeis nicht belegt ist.
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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Raphael hat geschrieben:Wieso? :hmm: Nach der Zerstörung des Tempels wurden die Juden in die ganze Welt zerstreut.
Ihr ureigenes Vokabular wurde teilweise in den Sprachgebrauch von anderen Völkern übernommen und in leicht verfremdeter Form weiterverwandt ..........
Entlehnungen folgen bestimmten Lautgesetzen, da werden nicht einfach mal so eben aus Spaß Wörter „verfremdet“. – Jenes »bei Notker chiusch« ist schon mal völliger Blödsinn. Wahrscheinlich heißt es bei Notker Labeo „chuski“ oder so, das schlage ich jetzt nicht nach. Jedenfalls -sk-, nicht -sch-. Wir befinden uns mit Notker im Ahd.

Zweitens. Das Wort ist bereits ahd. als kuski u. ä. belegt und zu dieser Zeit ins Nordgermanische übernommen worden (kysk u. ä.). Entlehnungen aus judensprachlichen Mundarten kommen erst viel später vor.
Drittens. Von einem judensprachlichen kōʃǝr, kouʃǝr, kauʃǝr führt kein Weg zu einem ahd. kuski.

Viertens. Selbst wenn es die ahd. Formen nicht gäbe und die Wortgeschichte im Mhd. begänne, führte kein Weg von jenem judensprachlichen kōʃǝr, kouʃǝr, kauʃǝr zu mhd. kiusche. Weder der Vokalismus noch das abgefallene -r wären zu erklären.

Nun stammt das Wort aber bereits aus dem Ahd. Es bleiben also zwei Erklärungen: entweder übers Gotischen aus dem Lateinischen, wie gezeigt, oder aus einer unbekannten Wurzel im Urgermanischen oder einer dritten Sprache.
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Juergen
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Re: Keuschheit

Beitrag von Juergen »

Juergen hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Insofern muß die Herleitung aus der Lateinischen übers Gotische zwar als
möglich angesehen werden, jedoch keineswegs als zwingend oder gar er-
wiesen. Der Stamm ahd. kusk- kann ebenso eine Entlehnung aus anderer,
unbekannter Quelle oder auch urgermanischer Herkunft sein.
In einem Wörterbuch fand ich, daß bei dem Wort kuskeis auf das Burgundische verwiesen wird. Wenn man auf sowas verweist, müßte es doch von dort eine Quelle geben. :hmm:
*kuskis, burg., Adj.: nhd. keusch, sanftmütig; ne. chaste, mild; I.: Lw. lat. conscius
Gruß Jürgen

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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Juergen hat geschrieben:Hier noch was
http://www.staff.ncl.ac.uk/henrike.laeh ... logie.html
Lisa-Maria Raff, Lotte Mundt

Unkiusche

Un-kiusche: stF, Adjektivabstraktum mit -î, ahd. kiusk-î; in Anlehnung an andere Tugend-/Lasterbildungen auch mit -heit un-kiuschecheit (stF); dafür ist ein adj. kiuschec vorauszusetzen.

Etymologie

keusch: lat. conscius, got. *kûskeis, ahd. chûsci (adv. chûsko), ags. cûsc, altfries. kûsk, kûs, nl. kiusch, kuis; entlehnt schwed. kysk, dän. kydsk. Ältere oberd. Form künsch, alem. chiunsch, älter schwäb. könsch. asächs. kûsko, mnd. küsch(e), kusch, kû, aengl. cûsc, mnl. cuusc, nl. kuis. Spätere Verbableitung: keuscheln: "Keuschheit heucheln" (wie "frömmeln").
Die Ableitung des sustantivierten Gegenteils zeigt im Ahd. noch verschiedene Formen: unkûski, unchûskida, nist chûski.

Bedeutungsspektrum

: Das lateinische conscius ("mitwissend, eingeweiht, bewusst") steht am Anfang der Bedeutungsentwicklung. Mit der Übernahme in die gotische Kirchensprache wurden der säkulare Tugendbegriff "tugendhaft, rein, um das Rechte und Gute bewusst" spezifisch christlich geprägt: "der christlichen Lehre bewusst, das Geziemende". Das ahd. kûskî/kiuskî wurde im Rahmen der frühmittelalterlichen Christianisierung aus dem gotischen kirchensprachlichen *kuskeis übernommen: Aus der allgemeinen ahd. Bedeutung "geziemend, sittlich, mäßig, enthaltsam (in Bezug auf Nahrungs- und Sexualtrieb)" entwickelte sich "maßvoll, enthaltsam in sinnlicher Beziehung" und entspricht dann lat. castus, purus bzw. kiusche wird mit lat. castitas, modestia gleichgesetzt. Die Mundarten entwickelten die Bedeutungen: bayr.-österr. "schlank, leicht, fein, verletzbar"; hess. und mnl. im konkreten Sinne "sauber". Das Bedeutungsspektrum von "keusch" beeinflußt dann auch das Verständnis des Worts "koscher" (jiddisch kauscher aus hebräisch kâsêr: "tauglich", vermittelt durch die oberd. Form kausch) als "rituell rein". Bei den Römern entstanden Sünde (nefas) und Schändliches/Gottloses (profanum) durch Unreinheit (Unkeuschheit, Unnüchternheit, gewisse Krankheiten, rohe Reden, Feindschaft, Hass). Es wurde derjenige als unrein befunden, der keine‚castitas aufwies…
(Hervorhebung von mir)
Die Damen schreiben aus dem Etymologie-Duden o. ä. ab und spinnen dazu Märchen.
• »Mit der Übernahme in die gotische Kirchensprache wurden der säkulare Tugendbegriff "tugendhaft, rein, um das Rechte und Gute bewusst" spezifisch christlich geprägt«: Wie schon mehrfach gesagt, gibt es dafür keinerlei Beleg. Die schreiben aber, als wär’s ein vielfach belegtes Faktum. Woraus folgt: Das sind absolut wissenschaftsfremde Märchentanten.
• »Das Bedeutungsspektrum von "keusch" beeinflußt dann auch das Verständnis des Worts "koscher"«: Ebensowenig belegt, reine Fabuliererei. Als „koscher“ ins Deutsche übernommen wurde, war „keusch“ semantisch längst auf geschlechtliche Enthaltsamkeit eingeengt. Hätte „keusch“ da Einfluß ausgeübt, hieße „koscher“ heute nicht „koscher“.
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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Juergen hat geschrieben:In einem Wörterbuch fand ich, daß bei dem Wort kuskeis auf das Burgundische verwiesen wird. Wenn man auf sowas verweist, müßte es doch von dort eine Quelle geben. :hmm:
*kuskis, burg., Adj.: nhd. keusch, sanftmütig; ne. chaste, mild; I.: Lw. lat. conscius
Das ist ja wieder Köbler mit seinem gotischen Wörterbuch, hier im Anhang fürs Burgundische. Offenkundig überträgt er einfach das Gotische ins Burgundische, also die Schreibweise kuskeis (in gotischer Schrift) in lautlich gleichwertiges kuskis (in lateinischer Schrift). Beides kennzeichnet er durch * als erschlossene, nicht belegte Wörter. Anders gesagt, der liebe Herr Köbler mit seinen gigantischen Wörterbüchern ist vor allem ein Kompilator, der gern seine Wörterlisten und seit Herausgabe der gedruckten Ausgaben deren Seitenzahl so weit als möglich steigert.
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Juergen
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Re: Keuschheit

Beitrag von Juergen »

Achso, das ist auch Köbler.
Ich habe das nur als PDF auf dem Rechner, und das steht leider nicht drin, um was es sich handelt. Ich sollte wohl mal irgendwann meine PDF Sammlungen etwas systematischer aufbauen und nicht alles, was ich nicht sofort zuordnen kann in Ordner "Verschiedenes" abspeichern.
:hmm:
Gruß Jürgen

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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das Burgundische ist ohnehin nur in wenigen Bruchstücken überliefert.
Ein kuskis ist nicht dabei.
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Re: Keuschheit

Beitrag von Juergen »

Bald haben wir's. Kuskis gibt es da: http://www.verwandt.de/karten/absolut/kuskis.html :)
Gruß Jürgen

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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Edmund Kuskis. Hm. Frag ihn mal, wie keusch er ist.
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Re: Keuschheit

Beitrag von cantus planus »

Ich hätte ihn eher gefragt, ob er einen Burgunder im Keller hat. Das wäre in diesem Fall aufschlussreicher.
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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

:D
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Re: Keuschheit

Beitrag von overkott »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Diese wegen der allzu großen Lautverschiebung schwer verständliche und in alten Büchern nicht auffindbare Ableitung von conscire scheint übertrieben
Keineswegs „allzu groß“, sondern lautlich paßt das genau. Das Problem an dieser Hypothese ist ein anderes, nämlich – wie ich oben schon geschrieben habe, man hätte das lesen können – daß die Bedeutungsverschiebung nicht recht plausibel ist und daß zum andern das notwendig als Zwischenstufe anzusetzende gotische *kuskeis nicht belegt ist.
In keusch fehlt zum Beispiel das r.

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Robert Ketelhohn
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Re: Keuschheit

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Welches r? – Wir redeten da gerade über die Herleitung über got. *kuskeis aus vlat. *cõsciu[m] ‹ lat. conscium. Daß es von koscher u. a. wegen des auslautenden -r nicht stammen kann, habe ich oben ja selbst geschrieben.
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overkott
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Re: Keuschheit

Beitrag von overkott »

:kugel:

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