Da es im Kirchenrechtssthread ja auch um den Primat ging und dort der Anstoß des Papstes genannt wurde, daß sich Bischöfe und Theologen der apostolischen Kirchen doch mal im Licht des Hl. Geistes ein paar Gedanken dazu machen sollen, am besten Seine (kurz gesagt), möchte ich das Thema noch einmal anstoßen. Ich würde mich besonders freuen, wenn Nietenolaf (oder haben wir noch andere Orthodoxe hier?) daran teilnehmen könnte.
Beginnen möchte ich aber mit einem Beitrag von Robert, den ich hier einfach mal reinstelle und den er schon des öfteren, wenn es mal wieder darum ging, gepostet hatte:
Ich möchte in dem Zusammenhang auch noch einmal auf das Diktum von Joseph Cardinal Ratzinger hinweisen, der einst festhielt, daß man nicht "mehr Rom" fordern könne, als im ersten Jahrtausend Praxis war...Robert Ketelhohn hat geschrieben:Mein Vorschlag betrifft zunächst praktische Fragen der Kirchenverfassung. Denn ohne Zweifel liegt ja ein zentrales Problem des Verhältnisses zu den getrennten Ostkirchen im petrinischen Primat. Von östlicher Seite wird mitunter die Position vertreten, der (in der Regel prinzipiell, aber auch nur prinzipiell anerkannte) „Ehrenprimat“ Roms rühre nur von der Bedeutung der Stadt her, nicht aber von der Petrusnachfolge ihres Bischofs, während der Primat Petri vor den Aposteln nur Petrus persönlich zugekommen sei.
Dies ist zwar offenkundig historisch nicht haltbar angesichts des Zeugnisses auch der griechischen Väter und der Praxis der alten Kirche. Doch anstatt uns in einer Diskussion darüber festzubeißen, betrachten wir doch einmal die eigene Situation und schauen, inwieweit die derzeitige Ausübung des Primats Petri durch den Bischof von Rom mit Tradition und Lehre konform ist.
Als Wurzel verschiedener Defizite sehe ich vor allem eines: die praktische Vermischung zweier ganz verschiedener Funktionen der römischen Bischofs, nämlich der des Apostelnachfolgers und jener des Patriarchen des Abendlands.
Die unmittelbare Ausübung des Kirchenregiments weltweit rührt eigentlich vom patriarchalen Amt her. Die oberste Jurisdiktionsgewalt braucht keineswegs im Sinne solches unmittelbaren, zentralistischen Regiments verstanden zu werden, im Gegenteil: Mit der Tradition ist das in der Tat nur schwer zu vereinbaren, und zwar mit einer bis weit in die Neuzeit hineinreichenden Tradition.
Nun ist dies unmittelbare Kirchenregiment in der Neuzeit aber einerseits auf manche Ortskirchen östlicher Riten ausgedehnt worden, andererseits aber auch räumlich durch Entdeckung und Mission bis an die vier Enden der Erde gespannt worden, vielleicht wirklich überspannt und überdehnt. Denn das Gegenstück bildet ein immer weiter wachsender, sich blähender Apparat in der Zentrale.
Mir scheint, auch ohne Blick auf die „Orthodoxen“ besteht hier Reformbedarf. Mit der Kirche von Rom muß jede Ortskirche der Οἰκουμένη übereinstimmen, wie schon Irenæus lehrt, jawohl. Das bedeutet aber nicht, daß der Papst jeden Bischof in Smyrna oder Irkutsk eigenhändig ernennen muß. Verweigerte er freilich einem neuem Bischof dieser oder jener Stadt die Gemeinschaft, dann müßte man im Phanar oder im Heiligen Synod entsprechend reagieren – doch das wäre der Ausnahmefall, nicht die Regel.
Gehen wir einen Schritt weiter. Die östlichen Kirchen haben bekanntlich an den vornehmsten Sitzen neuer kirchlicher Territorien auch neue Patriarchate errichtet, vorausgesetzt die Übereinstimmung der vier ersten Sitze, nämlich Constantinopel, Alexandrien, Antiochien sowie – als „Nachrücker“ für Rom – Jerusalem.
Die lateinische Tradition kennt nur wenige Beispiele solcher Patriarchate mit eigener Jurisdiktion, wie Aquileja und später Grado. Die fünf heute neben Rom noch bestehenden Patriarchate – Lissabon, Venedig, Jerusalem, Ostindien (Gôa) und Westindien (vakant, früher meist in Personalunion an Toledo gebunden) – sind reine Titularpatriarchate, ohne übers Bischofs- oder Metropolitenamt hinausgehende Gewalt.
Weshalb sollte man das nicht ändern? Nicht als Neuerung, sondern in Besinnung auf alten Brauch. Es bieten sich vier lateinische Patriachate an, gleichsam eines für jede Himmelsrichtung. Zuerst Rom, einst für das Abendland, also den Westen der bekannten Welt, künftig eher für den Norden: Europa, eingeschlossen die Lateiner Rußlands, Weißrußlands, der Ukraine, Kasachstans und Kirgisiens. Der bestehende Patriarchat von Ostindien könnte auf ganz Asien einschließlich Australiens und Ozeaniens ausgedehnt werden, mit Ausnahme der oben genannten Teile Zentralasiens sowie von Teilen des Nahen Ostens. Persien sollte noch dazu gehören, vielleicht auch der Irak.
Der dritte Patriarchat könnte der von Jerusalem sein, umfassend den östlichen Mittelmeerraum von Adrianopel (Edirne) über Griechenland und Zypern bis zur Arabischen Halbinsel, sodann ganz Afrika und die Atlantischen Inseln. Die beiden Titularpatriarchate von Lissabon und Venedig wären sinnvollerweise aufzuheben, der vierte verbleibende aber, Westindien – also Amerika – bräuchte einen neuen Sitz, denn eine Wiederbelebung der Personalunion mit Toledo widerspäche dem Zweck, eine eigene Jurisdiktion eben für Amerika zu errichten. Meines Erachtens drängt ein Sitz sich förmlich auf: Santo Domingo.
Sitze östlicher Riten, die heute lateinischer Jurisdiktion unterstehen, müßten eigene Jurisdiktionen erhalten oder bestehenden unterstellt werden, wie etwa dem Großerzbischof von Lemberg. Das Kardinalskollegium dürfte sich nur noch aus Bischöfen zusammensetzen, die aus dem Patriachat von Rom stammen. Aus den drei andern lateinischen Patriarchaten und erst recht aus den östlichen Teilkirchen dürften keine Kardinäle mehr erwählt werden.
Ist eine solche Kirchenverfassung vorstellbar? Ich meine: ja. Ich sehe nicht, daß sie irgend dem Glaubenssatz vom Primat Petri widerspräche. Vielleicht bedarf es einer lehramtlichen Interpretation einiger Aussagen des Vaticanum I – Interpretation im Lichte der Tradition. Dessen bedarf ja auch noch manches, was das Vaticanum II beschlossen hat. Interpretation, nicht Aufhebung.
Was meint Ihr?
Vielleicht kann ja das eine oder andere Wort hier ein wenig zu den Bischöfen und Theologen rüberwehen...