Natürlich gibt es nicht eine einzige, gültige Art von Kirchenmusik. Ich denke, dass das Konzil und die Päpste (hier v.a. Pius X.) schon sehr klare, gut durchdachte "Rahmenbedingungen" geschaffen haben.
Ich gehöre nicht zu der Fraktion, die hofft, mit der absoluten Wiedereinführung der Gregorianik würden automatisch die Kirchen voll. Das ist nun doch - mit Verlaub - ein bisschen sehr einfach gedacht.
Aber ich denke, wir haben Jahrhunderte lang ein sehr klares, musikalisches Profil gehabt. Meiner Meinung nach krankt die Kirchenmusik heute eben daran: es gibt kaum noch ein erkennbares Profil. Viele Kirchenmusiker sehen sich genötigt,
alles anzubieten, was der Markt derzeit so hergibt - und mit dem Ergebnis ist dann niemand so richtig einverstanden.
Viele Bereiche der Kirchenmusik sind doch nur noch ein experimenteller Flickenteppich. Da toben sich Flötengruppen aus, deren Leiterin nicht dirigieren kann; noch nie gehört hat, dass man mehrere Instrumente vor dem Spiel erstmal stimmen sollte; keine Ahnung hat, wie man eine Probe gescheit aufbaut. Da blamieren sich Jugendscholen mit Werken, deren Rhythmus beim besten Willen nicht mehr zu erkennen ist, deren Melodie völlig verunstaltet wird, und bei denen die ganze Band unisono die Melodie mitklampft, -schmettert, -klimpert oder was auch immer. Keine Spur von Arrangement. Die Grenze zur Peinlichkeit - gerade im Bereich NGL - wird oft mehr als nur gestreift. Wenn man auf diesem Niveau Barmusik spielen würde, flögen nach spätestens fünf Minuten die ersten Biergläser.
Ich denke, die Frage nach der Aus-Bildung, dem Hineinwachsen in einer bestimmte Gottesdienstkultur stellt sich immer drängender. Ich kann da von der Firmkandidaten im letzten Jahr sprechen: die wollten unbedingt Gospel singen. Auf Englisch, natürlich.
Auf meine Nachfrage, was sie da singen würden, stellte sich heraus, dass keiner auch nur ein halbwegs passables Englisch zusammen brachte - will heißen, keiner wusste, was er da überhaupt singen wollte.
Wir wenden uns im Gottesdienst an Leute, die kaum in der Lage sind, zwei Töne so zu singen, dass man halbwegs klar ein Intervall unterscheiden kann. Es herrscht eine erschreckende Singunfähigkeit. Dazu kommen Sprachprobleme. Viele sind nicht mehr in der Lage, fehlerfrei einen einfachen Satz abzulesen, einfachste Literatursprache scheint für diese Jugendlichen von einem anderen Stern zu kommen. Fremdsprachenkenntnisse tendieren gen null.
Und dann soll alles "moderner" werden: lauter, schneller, bunter. Die Leute, die das fordern, merken oft nicht, dass sie hinter den eigenen Ansprüchen nicht herkommen. Und der Kirchenmusiker soll den Spagat dann zu aller Zufriedenheit schaffen.
Ich plädiere für möglichst hohe Qualität, sauberes Handwerk und eine gute musikalische und liturgisch-theologische Grund(!)ausbildung. Ich zucke immer zusammen, wenn ich irgendwo Chöre eine Messe singen höre, und der Dirigent dann drei Minuten vor dem Beginn den Pfarrer fragt, "wo denn was drankomme".
Hier stimmt etwas nicht!
Gregorianik ist anspruchsvoll - keine Frage! Aber diese Musik "zwingt" mich auch - im positiven Sinne - mich mit dem Gesang und dem Text intensiv zu beschäftigen. Das gilt auch für deutsche Gesänge. Ein Gemeindelied wirklich gut zu singen, ist nicht so einfach, wie viele Leute glauben. Und das sollte man erstmal sicher beherrschen, bevor man alles revolutionieren will.
Bei "Hatschern" wie "Großer Gott" oder "Maria, Maienkönigin" oder "Mein ganzes Herz..." können viele Kirchenbesucher schon kaum noch mitsingen, und dann Gospel für die ganze Pfarrei...
