1 - Bewertung der Situation der Liturgie in den Gemeinden vor 1940
Hier ist das Urteil Pius Parschs niederschmetternd. Er erkennt, daß es eine lebendige, interessierte Teilnahme an der Liturgie kaum gibt. Meßbücher sind nicht sehr verbreitet. Nur wenige Meßbesucher bedienen sich ihrer und können damit der Liturgie folgen. Die meisten nehmen an der Messe teil, indem sie eigene Gebete sprechen (z. B. Rosenkranz) oder in Meßandachten lesen. Viele sind nur äußerlich anwesen.
Interessant ist, daß Pius Parsch diese Art der Frömmigkeit als egozentrich und subjektivistisch einstuft. Weil eine verstehende Teilnahme am Meßgeschehen nicht möglich ist, pflegen die Meßbesucher ihre eigenen Gebete, auf die die Kirche keinen direkten Einfluß nimmt. Ob jemand das Ave Maria betet oder den Sonntagsbraten meditiert, ist letztlich ihm selbst überlassen. Eine Liturgie in der Volkssprache mit aktiver Teilnahme des Volkes wird also gerade um der Objektivierung des Meßgeschehens willen gefordert!
Und dá hat P. Pius Parsch die deutsche Situation (Betsingmesse mit deutschen Liedern und Rosenkranz unter dem Hochamt, während der Priester die lateinischen Gebete leise verrichtet) aufs universale ausgeweitet. In den Niederlanden GAB ES SOWAS NICHT. In Flandern BEDIENTE SICH JEDER EINES VOLKSMESSBUCHES (ausgegeben von den jeweiligen Abteien).
Also alles Unsinn. Die meisten Teilnehmer an der hl. Messe in den "traditionellen" Kirchen und Kapellen und Klöstern von heute, benutzen das Messbuch sehr. Dazu brauchte man keine Volkssprachliche Liturgie, dies wird ja auch von Pius XII. und Johannes XXIII. (Veterum sapientia, dazu auch seine Absetzung des umstrittenen Bugnini) deutlich gemacht.
Die Deutschen waren mit ihrer reformatorischen Betsingmesse vielleicht nicht mehr ganz in Ordnung liturgisch gesehen, aber gerade ab 1903 (Tra le sollicitudine) bis 1965 war die Liturgie in den Niederlanden, England, Frankreich, Italien an Würde nicht zu übertreffen und wurden zahlreiche Prozessionen veranstaltet, sang das Volk den gregorianischen Choral mit.
Hw. Parsch war germanozentristisch. Zeichen seiner Lebensperiode natürlich, aber wirklich für mich kein Massstab!
Dazu ist Papst Pius XII. mit Parsch absolut nicht einverstanden, dass der Rosenkranz wenn unter bestimmten Teilen der Messe gebetet, "falsch" ist. Das ist typisch nichtkatholisches Gedankengut.
Hier Mediator Dei (1947) dazu:
173. When dealing with genuine and solid piety We stated that there could be no real opposition between the sacred liturgy and other religious practices, provided they be kept within legitimate bounds and performed for a legitimate purpose. In fact, there are certain exercises of piety which the Church recommends very much to clergy and religious.
174. It is Our wish also that the faithful, as well, should take part in these practices. The chief of these are: meditation on spiritual things, diligent examination of conscience, enclosed retreats, visits to the blessed sacrament, and those special prayers in honor of the Blessed Virgin Mary among which the rosary, as all know, has pride of place.[163]
175. From these multiple forms of piety, the inspiration and action of the Holy Spirit cannot be absent. Their purpose is, in various ways, to attract and direct our souls to God, purifying them from their sins, encouraging them to practice virtue and, finally, stimulating them to advance along the path of sincere piety by accustoming them to meditate on the eternal truths and disposing them better to contemplate the mysteries of the human and divine natures of Christ. Besides, since they develop a deeper spiritual life of the faithful, they prepare them to take part in sacred public functions with greater fruit, and they lessen the danger of liturgical prayers becoming an empty ritualism.
Die ganzen Gedanken von Hw. Parsch sind überholt, germanozentristisch, obsolet und manchmal irrtümlich. (Zum Beispiel seine Gedanken zur "ersten Liturgie der Kirche".)
In "traditionalistischen" Kapellen findet man nur aktive Teilnahme, und die hl. Messe wie sie Papst Pius X. sehen wollte. Gregorianisch, mit guter Predigt, Volkschoral, mitopfern.
Ich war am vergangenen Sonntag in einer Sonntagsliturgie in einer Abtei. Novus Ordo. Die Leute sassen die ganze Zeit herum, sangen nicht mit mit den ausschliesslich volkssprachlichen Liedern (oft erschaffen 1580, Genf, also kalvinistischer Herkunft), und so war das. Das war eine Musterabtei. Und so ist es überall mit dem Novus Ordo. Man tut sich gar nichts.
Wo ich aber nachmittags zu einer gesungenen hl. Messe in einer "traditionalistischen" Kapelle gegangen bin, konnte ich kleine Kinder sehen die schon mitsangen, Buben von 7 Jahren alt die ein Messbuch gelesen haben und mitgesungen, geistlich Behinderte die die Antworten der lateinischen Messe mitsangen, usw. usw. Auch eine Prozession des Klerus.
Mir ist ausserordentlich klar, dass Hw. Parsch sicherlich - wenn er katholischen Denkens war (und das war er m.M.n. schliesslich sicher, sieh nur sein Buch Das Heilige Messopfer) - vom Novus Ordo, der Messe Pauls VI., erschrocken wäre.
Am Ende sind bei mir aber die Liturgisten usw. die für Revolution predigen usw. wertlos, am Ende zählt nur was die Hl. Kirche (konzil von Trient) und die Päpste zur Liturgie lehrten. Pius XII. war die Kulmination des "Mitopferns", einer sehr guten Spiritualität, die aber nach 1967 von einem "Mitmahlzeitessen" ersetzt wurde.
Das Problem der "Traditionalisten" ist übrigens nicht so sehr die Volkssprache. In Ecône wurde von 1969-1971 die Messe von 1965 mit dem Wortgottesdienstteil auf französisch abgehalten. 1968 noch weihte Erzbischof Lefebvre in einer solchen Hl. Messe Bischof Guido Pantin CSSp zum Episkopat. Es geht um den Ritus. (Auch wenn für Doktrin, Mysteriumserhalt, Einheit, Kongruenz usw. das Lateinische fast unersetzbar ist und somit beibehalten werden múss.)
Wenn ich heute Priester wäre, so hätte ich damit keine Probleme, um eine ganze hl. Messe - den "tridentinischen" Büchern nach - auf Deutsch zu zelebrieren. Auch nicht damit eine Göttliche Liturgie auf Koinè Griechisch zu feiern oder auf Altslawisch. Aber ich würde mich - bei Gottes Gnad' - niemals einem Mahlzeitgeschehens ausleihen, wie das heute geschieht. Die Hl. Messe ist zuerst Opfer (ite missa est = Es ist dargebracht [das Opfer]), nur die Hl. Kommunion ist Opfermahl, aber nicht einmal "Mahlzeit", weil man nicht physisch gesättigt wird.