Goethe raus, Wojtyla rein


Das ist in der Tat erschütternd. Ich zitiere aus dem verlinkten Artikel.
Daß jemand wie Knecht Ruprecht sich über die Streichung von Goethe freut, schreibe ich mal der Tatsache zu, daß er von Kafka und Dostojewskij noch nie gehört hat. Das wundert mich nicht, wenn ich es mal mit dem Unwissen etwa über die Grundbegriffe des katholischen Glaubens in Kontext bringe, das der Knecht hier schon mehrfach offenbart hat. So dolle kann es also um den bisherigen polnischen Bildungskanon auch nicht bestellt gewesen sein, wenn Knecht Ruprecht da durchgekommen ist. Weder katholisch noch literarisch.Denn schon hat sich die umstrittenste der drei Regierungsparteien für ihren Kulturkampf neue Gegner ausgesucht: Sie heißen Goethe, Kafka, Dostojewskij, Joseph Conrad oder Witold Gombrowicz. Roman Giertych, Parteichef der LPR, Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Minister für nationale Bildung, hat seine Mitarbeiter einen Kanon erarbeiten lassen, der die Schullektüre unter anderem für die Gymnasiasten festlegt. Auf dieser Liste stehen zahlreiche neue Namen, während altbekannte fehlen, darunter die der oben Genannten. Statt des „Prozesses“, „Schuld und Sühne“ und der „Leiden des jungen Werther“ sollen Polens Schüler künftig die Biographie „Onkel Karol. Priesterjahre eines Papstes“ lesen sowie das Buch „Erinnerung und Identität“, verfasst von Johannes Paul II. persönlich.
Du hast recht. Ich habe mich hinreißen lassen. Daher streiche ich jetzt den Klammersatz.sofaklecks hat geschrieben:Das eigentlich ist eigentlich ausreichend.
sofaklecks
Die allerdings hoffentlich auch. Dort gibt es auch für Deutsche viel zu entdecken! Ich erinnere nur an Autoren wie:Pit hat geschrieben: Nun, die Polen werden diesen falschverstandenen Patriotismus hoffentlich nicht zu ernst nehmen, und auch weiterhin nicht nur (!) Werke polnischer Literaten lesen.
Im Thread Marienprozessionen gibt es eine Frage an dich.Pit hat geschrieben:Hallo Stephen,hallo sofaklecks,
ja, sowohl die Polen (die nicht alle so denken, wie unser "Knecht") als auch die Deutschen sind (im Grossen und Ganzen) ein intelligentes Volk.
Was man auch u.A. daran sieht, daß bisher die Arbeit des Deutsch-Polnischen Jugendwerks gut funktionierte - auf beiden Seiten.
Nun, die Polen werden diesen falschverstandenen Patriotismus hoffentlich nicht zu ernst nehmen, und auch weiterhin nicht nur (!) Werke polnischer Literaten lesen.
Gruß, Pit
Stephen Dedalus hat geschrieben:Das ist in der Tat erschütternd. Ich zitiere aus dem verlinkten Artikel.
Daß jemand wie Knecht Ruprecht sich über die Streichung von Goethe freut, schreibe ich mal der Tatsache zu, daß er von Kafka und Dostojewskij noch nie gehört hat. Das wundert mich nicht, wenn ich es mal mit dem Unwissen etwa über die Grundbegriffe des katholischen Glaubens in Kontext bringe, das der Knecht hier schon mehrfach offenbart hat. So dolle kann es also um den bisherigen polnischen Bildungskanon auch nicht bestellt gewesen sein, wenn Knecht Ruprecht da durchgekommen ist. Weder katholisch noch literarisch.Denn schon hat sich die umstrittenste der drei Regierungsparteien für ihren Kulturkampf neue Gegner ausgesucht: Sie heißen Goethe, Kafka, Dostojewskij, Joseph Conrad oder Witold Gombrowicz. Roman Giertych, Parteichef der LPR, Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Minister für nationale Bildung, hat seine Mitarbeiter einen Kanon erarbeiten lassen, der die Schullektüre unter anderem für die Gymnasiasten festlegt. Auf dieser Liste stehen zahlreiche neue Namen, während altbekannte fehlen, darunter die der oben Genannten. Statt des „Prozesses“, „Schuld und Sühne“ und der „Leiden des jungen Werther“ sollen Polens Schüler künftig die Biographie „Onkel Karol. Priesterjahre eines Papstes“ lesen sowie das Buch „Erinnerung und Identität“, verfasst von Johannes Paul II. persönlich.![]()
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In gut britischer Haltung empfehle ich: Abwarten und Tee trinken. Die Polen sind eigentlich ein intelligentes Volk mit einer großartigen kulturellen Tradition. Da kann diese Phase der geistigen Finsternis nicht ewig andauern. Irgendwann finden die schon wieder zu ihrer Identität zurück.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Shakespeare immerhin hatten wir: die »Zähmung der Widerspenstigen«. Ansonsten hat irgendein Lehrer uns mit einem englischen Machwerk (auf deutsch, natürlich) zu quälen versucht, dessen Titel Butcher in the rye lautete, oder so ähnlich.
Du darfst getrost davon ausgehen, daß aus dem Catcher nicht völlig unbewußt ein Lutcher wurde!John Grantham hat geschrieben:Catcher in the Rye, J. D. Salinger.
Nee, das war mir schon klar.Raphael hat geschrieben:Du darfst getrost davon ausgehen, daß aus dem Catcher nicht völlig unbewußt ein Lutcher wurde!John Grantham hat geschrieben:Catcher in the Rye, J. D. Salinger.![]()
Tja, ich kenne mich mit dem deutschen Schulwesen nicht wirklich aus. In der (staatlichen) Schule damals in Amerika hatte ich aber in Deutschunterricht immer den Eindruck bekommen, die Deutschen hätten ein viel besseres System. Und meine Schule in der Zeit war in der Tat ein Haufen Schrott (meine Grundschule in Virginia war sehr gut, dann sind wir umgezogen und die Schulen in der neuen Stadt waren gräßlich). Also haben meine Eltern mich später in eine Privatschule geschickt. (Hat auch ein Vermögen gekostet, aber ich bin sehr dankbar, daß sie es getan haben.)Raphael hat geschrieben:Das Schlimme an der Literaturauswahl im deutschen Schulbetrieb ist übrigens weniger die Qualität von Salinger's Roman selber, sondern mehr der Entfall der Klassiker, die - bei gleichzeitigem stilistischen Vermögen - wesentlich mehr Höhen und Tiefen des Menschen aufzeigen können.
Quelle: Spiegel-OnlineDer polnische Ministerpräsident hatte diese Woche in einem Radiointerview die Tonlage noch einmal verschärft: "Wenn Polen nicht die Jahre 1939 bis 1945 durchgemacht hätte, wäre Polen heute ein Land mit einer Bevölkerung von 66 Millionen." Das Land dürfe daher bei Abstimmungen in der EU nicht wesentlich weniger Stimmen erhalten als große Mitgliedstaaten wie Deutschland.
siehe: http://www.spiegel.de/spam/0,1518,489939,00.htmlStephen Dedalus hat geschrieben:Immerhin hat man sich in Polen jetzt auf einen russischen Klassiker besonnen: Kaczinski, argumentiert jetzt in der Diskussion über die EU-Stimmverteilung bereits mit den Toten Seelen.![]()
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So überlegt das durch seine Bevölkerungszahl ohnehin bevorzugte Deutschland, sich zusätzlich die Pesttoten des Dreißigjährigen Krieges anrechnen zu lassen.
Italien, Spanien und Irland verlangen die Berücksichtigung aller Ausgewanderten seit dem Jahr 1807.Raimund Josef H. hat geschrieben:
siehe: http://www.spiegel.de/spam/0,1518,489939,00.html
So überlegt das durch seine Bevölkerungszahl ohnehin bevorzugte Deutschland, sich zusätzlich die Pesttoten des Dreißigjährigen Krieges anrechnen zu lassen.
Herrlich! :ikb_Jumpy:Raimund Josef H. hat geschrieben:siehe: http://www.spiegel.de/spam/0,1518,489939,00.htmlStephen Dedalus hat geschrieben:Immerhin hat man sich in Polen jetzt auf einen russischen Klassiker besonnen: Kaczinski, argumentiert jetzt in der Diskussion über die EU-Stimmverteilung bereits mit den Toten Seelen.![]()
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So überlegt das durch seine Bevölkerungszahl ohnehin bevorzugte Deutschland, sich zusätzlich die Pesttoten des Dreißigjährigen Krieges anrechnen zu lassen.
Liabe Lüt,John Grantham hat geschrieben:Robert Ketelhohn hat geschrieben:Shakespeare immerhin hatten wir: die »Zähmung der Widerspenstigen«. Ansonsten hat irgendein Lehrer uns mit einem englischen Machwerk (auf deutsch, natürlich) zu quälen versucht, dessen Titel Butcher in the rye lautete, oder so ähnlich.![]()
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Catcher in the Rye, J. D. Salinger. Wobei ich eigentlich etwas staunen muß, daß das Buch Dir nicht gefallen hat. Ist eigentlich normalerweise genau das richtige für launische Jungen im Teenie-Alter.Aber jedem das Seine.
Dostojewskij ("Arme Leute") und Tolstoi ("Anna Karenina") habe ich mir damals in der Schule antun müssen (äh, eigentlich habe ich bei "Karenina" gemogelt und die "Cliff's Notes"-Version, die Kurzfassung also, für mein Bericht benutzt und im Unterricht gut zugehört aber das Buch kaum gelesen...und eine 1,0 gekriegt, was soll's) und bis heute ist mir russische Literatur ein Graus, was Du mir sicherlich auch übel nehmen wirst.
Shakespeare dagegen, vor allem seine historischen Schauspiele, sind mir eine wahre Freude. Richard III und Henry V sind Favoriten.
Latein habe ich leider nie gelernt. Wollte ich schon immer. Aber in Amerika ist das einfach nicht so geläufig und wird i.d.R. in Schulen nicht angeboten.Dafür habe ich Deutsch-, Spanisch- und Französischunterricht gehabt (wobei ich so gut wie kein Französisch und Spanisch mehr kann -- dafür kann ich lateinische Texte einigermassen entziffern...
).
Cheers,
John
Wenn man weiss wie die Studien zustanden kamen wundert einen auch nichts mehr. Ein Patenonkel sitzt mit baden-wuerttembergischen Ministerium fuer Kultus, Jugend und Sport und koennte ein Lied darueber singen. Und was die USA betrifft handelt es sich immer noch um den G8-Staat mit der hoechsten Analphabetenquote. Es heisst uebrigens: "Deutschland schnitt kaum besser ab als die USA...". Verzeihung, ich konnte nicht widerstehen.John Grantham hat geschrieben:
Umso größer war mein Schock, als ich die jüngste PISA-Studie gesehen habe. Deutschland schneidete kaum besser als die USA, ja teilweise sogar schlechter ab. Und das, meine Damen und Herren, sagt sehr viel Schlimmes über Euch.
Wie wahr. Das manifestiert sich ja in der US-amerikanischen Aussenpolitik. Die beschriebene Konzentration auf den eigenen Sprachraum (und wie ich finde eine gewisse Ignoranz) hab ich uebrigens in angelsaechsischen Laendern als am ausgepraegtesten erlebt (in England natuerlich sehr abhaengig von der sozialen Schicht), noch lange vor Franzosen und anderen. Warum allerdings die Italiener so fremdsprachenfaul sind hab ich bisher noch nicht herausgefunden. Sogar auf dem Flughafen Fiumicino/Leonardo da Vinci in Rom haben die Angestellten oft kaum Englisch- , Deutsch- oder Franzoesischkenntnisse.John Grantham hat geschrieben: Wenn man zu sehr auf den eigenen Sprachraum konzentriert, befürchte ich, daß man dabei Nationalismus und eine enge Weltsicht fördert -- und das kann man heutzutage einfach nicht gebrauchen.
Wenn sich ein Staatsfuehrung dermassen kaprizioes und seltsam verhaelt sehe ich nicht ganz ein warum man dann nicht gleiches Recht fuer alle gelten laesst. Als in Oesterreich der Rechtspopulist Haider mit in die Regierung gewaehlt wurde, beteiligten sich die meisten EU-Staaten an einem "Boykott". Aehnliches faende ich fuer Polen schon lange angemessen. Schliesslich ist es ja wenig plausibel im einen Fall keinerlei Ruecksicht auf die Bevoelkerung zu nehmen (sie hat die Regierung im einen wie im anderen Fall ja gewaehlt), im anderen jedoch damit zu kommen, dass "die Polen ja ganz anders seien"; ich kenne einige Polen die ganz- und gar unzufrieden sind mit ihrer Regierung (und das ist noch hoeflich ausgedrueckt), aber das sind Intellektuelle. Die Mehrheit im Land hat sich fuer dieses Duo inferniale ausgesprochen.Der polnische Ministerpräsident hatte diese Woche in einem Radiointerview die Tonlage noch einmal verschärft: "Wenn Polen nicht die Jahre 1939 bis 1945 durchgemacht hätte, wäre Polen heute ein Land mit einer Bevölkerung von 66 Millionen." Das Land dürfe daher bei Abstimmungen in der EU nicht wesentlich weniger Stimmen erhalten als große Mitgliedstaaten wie Deutschland.
Dafür auch z.B. mit der höchsten Nobelpreisträgerquote und mit den besten Unis. *schulterzuck* Es ist eben ein Land der Extremen.Yeti hat geschrieben:Wenn man weiss wie die Studien zustanden kamen wundert einen auch nichts mehr. Ein Patenonkel sitzt mit baden-wuerttembergischen Ministerium fuer Kultus, Jugend und Sport und koennte ein Lied darueber singen. Und was die USA betrifft handelt es sich immer noch um den G8-Staat mit der hoechsten Analphabetenquote.John Grantham hat geschrieben:Umso größer war mein Schock, als ich die jüngste PISA-Studie gesehen habe. Deutschland schneidete kaum besser als die USA, ja teilweise sogar schlechter ab. Und das, meine Damen und Herren, sagt sehr viel Schlimmes über Euch.
Tja, ich hatte nur drei Jahre Deutschunterricht in der middle school. Mea culpa.Yeti hat geschrieben:Es heisst uebrigens: "Deutschland schnitt kaum besser ab als die USA...". Verzeihung, ich konnte nicht widerstehen.
Das ändert sich so langsam, zwangsläufig, teilweise wegen der großen Zahl von Einwanderern. Das interessante ist, die Geburtsrate der "Einheimischen" in Amerika ist fast genau so niedrig wie in Deutschland. Das wird aber nicht berichtet, weil die Bevölkerung stark wächst -- wegen der Einwanderer und deren starken Geburtsrate. Es fällt aber auch weniger auf, weil dort die Einwanderung nicht so einseitig ist wie hierzulande (wo die meisten Türken sind) und man ist es auch relativ gewohnt, Einwanderer zu haben.Yeti hat geschrieben:Wie wahr. Das manifestiert sich ja in der US-amerikanischen Aussenpolitik. Die beschriebene Konzentration auf den eigenen Sprachraum (und wie ich finde eine gewisse Ignoranz) hab ich uebrigens in angelsaechsischen Laendern als am ausgepraegtesten erlebt (in England natuerlich sehr abhaengig von der sozialen Schicht), noch lange vor Franzosen und anderen.John Grantham hat geschrieben:Wenn man zu sehr auf den eigenen Sprachraum konzentriert, befürchte ich, daß man dabei Nationalismus und eine enge Weltsicht fördert -- und das kann man heutzutage einfach nicht gebrauchen.
Ich mag es auch sehr, wie die deutschsprachigen Schweizer ihre Sprache pflegen. Schon wenn ich auf der A5 richtung Grenze fahre und das erste Mal wieder im Radio "DRS drüü" erklingt, geht mir das Herz auf.sofaklecks hat geschrieben:Ich mag Schwyzerdütsch.
Im Basler Zoo hab ich mal gehört, wie eine Oma das Enkele auf die Känguruhs mit den Worten aufmerksam machte: "Lueg au, wie se gumpet!" Schön breit gesprochen. Denkt mir bis heute.
sofaklecks
Wem sagst Du das. Habe auch dort die Studiengebühren bezahlen müssen und bin zur Privatschule gegangen.Petra hat geschrieben:Es ist auch ein Land mit extrem guten Konditionen für Wissenschaftler an den Unis und mit teils extrem hohen Studiengebühren.John Grantham hat geschrieben:Dafür auch z.B. mit der höchsten Nobelpreisträgerquote und mit den besten Unis. *schulterzuck* Es ist eben ein Land der Extremen.
Nein, ich war mir nur nicht mehr sicher und hatte keine Lust gross zu recherchieren, aber ich konnte mich noch erinnern dass es viele waren. Ein Wiener mit dem ich mich gestern darueber unterhielt meinte dass der Grund fuer den damaligen fehlenden Widerstand gegen den Boykott die geringe Groesse Oesterreichs sei. Aber dann muesste es Daenemark auch treffen, dort ist ja oder war m.W. auch eine rechtspopulistische Partei mit an der Regierung.Linus hat geschrieben:ist das ein neuer Euphemismus für "Alle"?Yeti hat geschrieben:die meisten EU-Staaten