Luther und die Eucharistie

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Lutheraner hat geschrieben: Warum spielt Josef in der RKK nicht dieselbe Rolle wie Maria? Das müsste er dann doch eigentlich.
Als Mann konnte er kein Kind kriegen. Das ist ein biologischer Nachteil, den man ihm nicht ankreiden kann. Ansonsten hat er sich genauso wie Maria bewusst für das Kind Gottes entschieden. Ihr könntet ihn doch als Himmelskönig bezeichnen und mit einem Purpurmantel und Krone darstellen. Was spricht dagegen?
Die sogenannte Palmarisch-Katholische Sekte tut dies — sie lehrt auch, völlig ohne jegliche Begründung in der heiligen Tradition, daß Josef ohne Sünde empfangen und mit Leib und Seele im Himmel ist. :sauer:
Er wird jedoch eigentlich immer mit einfachen Attributen dargestellt, ohne Purpurmantel oder Zepter, sondernmit Bauwerkzeugen und dergleichen, wie Raphaela ja schon schrieb. Dies soll seine einfache Lebensweise unterstreichen. -- Genauso wird Maria in der westlichen Kirche auch gerne mit Spinnrocken dargestellt.
Josef hat in seinem irdischen Leben eine wenig beachtete und trotzdem sehr wichtige Rolle gespielt. Und so ist es auch heute noch ein bißchen. Dennoch wird Josef geehrt und verehrt.
Unter Johannes XXIII wurde Josef in den Meßkanon eingeführt ("wir ehren ihren Bräutigam, den heiligen Josef…"), der selbe Papst approbierte eine Litanei zum heiligen Josef, in der er als "Haupt der heiligen Familie" angeredet wird. Viele Gläubige beten nach dem Rosenkranz das Gebet "Zu Dir, o heiliger Josef…". Die heilige Theresia von Avila schrieb, sie könne sich nicht erinnern, Josef jemals um etwas gebeten zu haben, was nicht gewährt wurde. Es gab und gibt Darstellungen der "hl. Sippe", wo außer Josef noch Joachim, Anna…zu sehen waren.
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Im 20. Jahrhundert wurde die heilige Familie stark ins Blickfeld gerückt, als ein Vorbild für unsere Familien. Diese Ikone
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ist zur Zeit sehr beliebt. Es wurde auch ein Orden, die Missionare der hl. Familie, speziell für Spätberufene, gegründet.
Der hl. Josef ist Patron vieler Gebetsgemeinschaften und Bruderschaften. Seinen Namen tragen tausende von katholischen Kirchen und Millionen von katholischen Männern.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Tim hat geschrieben:
Raphaela hat geschrieben:Wie der Samstag der Mariensamstag ist, so ist der Mittwoch der Tag des Heiligen Josefs. Es gibt viele Katholiken, die auf ihn ihre Hoffung setzen und ihn bitten.
Vielleicht bin ich auf dem Ohr nur etwas überempfindlich.. Aber mir sind mehrere Stellen in der Bibel bekannt, in denen es heißt, dass wir unsere Hoffnung auf Gott setzen sollen (Ps 40,5 u.a, 1.Pet 1,13 ...)
Ja, das bist Du. Auch die dem heiligen Josef ergebenen hoffen auf Gott. Aber stell Dir mal so eine Situation vor. Deine Mutter (oder sonst jemand, der Dir nahesteht) hat ein sehr frommes Leben geführt und ist Dir darin ein Vorbild. Bevor sie stirbt, verspricht sie Dir, stets für Dich zu beten. Sie stirbt an einem Mittwoch (oder sonst einem bestimmten Tag). Jedes Mal, wenn der Mittwoch naht, erinnert er Dich an das Versprechen, daß Deine Mutter Dir gegeben hat -- deshalb ist dieser Tag für Dich etwas besonderes.
Dies mindert in keinster Weise unsere Glaubenswahrheit, daß es Gott ist, der schaltet und waltet, und daß in ihm unsere Hoffnung auf das ewige Leben ist.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Raphaela hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben: Warum spielt Josef in der RKK nicht dieselbe Rolle wie Maria? Das müsste er dann doch eigentlich.
Als Mann konnte er kein Kind kriegen. Das ist ein biologischer Nachteil, den man ihm nicht ankreiden kann. Ansonsten hat er sich genauso wie Maria bewusst für das Kind Gottes entschieden. Ihr könntet ihn doch als Himmelskönig bezeichnen und mit einem Purpurmantel und Krone darstellen. Was spricht dagegen?
Wie der Samstag der Mariensamstag ist, so ist der Mittwoch der Tag des Heiligen Josefs.
Das erinnert mich an den vierten Advent. Da meinte Pater Jäckel in der Predigt, der heilige Josef habe in der Kirche nicht die zentrale Rolle gespielt, wie manche meinen. Aber die Monfortaner sind in marianischen Fragen sowieso nicht unparteiisch.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Raphaela hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben: Warum spielt Josef in der RKK nicht dieselbe Rolle wie Maria? Das müsste er dann doch eigentlich.
Als Mann konnte er kein Kind kriegen. Das ist ein biologischer Nachteil, den man ihm nicht ankreiden kann. Ansonsten hat er sich genauso wie Maria bewusst für das Kind Gottes entschieden. Ihr könntet ihn doch als Himmelskönig bezeichnen und mit einem Purpurmantel und Krone darstellen. Was spricht dagegen?
Wie der Samstag der Mariensamstag ist, so ist der Mittwoch der Tag des Heiligen Josefs. Es gibt viele Katholiken, die auf ihn ihre Hoffung setzen und ihn bitten. Gerade in Klöstern wird an diesem Tag ein Josefgebet gesprochen.
In vielen Kirchen sieht man grundsätzlich die Statue von Josef und von Maria.
Er ist etwas in Vergessenheit geraten, ist aber wieder "am Kommen"
Dargestellt wird er mit Handwerkszeug und/oder Lilie (Zeichen der Keuschheit), aber auch mit dem Jesuskind dazu.
Das ist mir alles schon bekannt. Maria ist aber die oberste Heilige in der Kath. Kirche und die Stellung des Josef kann man wirklich nicht mit der ihren vergleichen. Mit Maria hat man versucht einen Ersatz für eine weibliche Gottesform dem Christentum hinzuzufügen (interessant ist ja auch der Poly-Marianismus, der klar auf andere Religionen wie den Artemis-Kult verweist, auch hier gab es unterschiedliche Darstellungen der Göttin mit verschiedenen Attributen). Da mit Jesus und Gott dem Vater die Mannes- und Vaterfigur in der chritlichen Religion schon bestand, blieb die Verehrung des Josef auf einer niedrigeren Ebene als die der Maria.
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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Lutheraner hat geschrieben: Mit Maria hat man versucht einen Ersatz für eine weibliche Gottesform dem Christentum hinzuzufügen (interessant ist ja auch der Poly-Marianismus, der klar auf andere Religionen wie den Artemis-Kult verweist, auch hier gab es unterschiedliche Darstellungen der Göttin mit verschiedenen Attributen). Da mit Jesus und Gott dem Vater die Mannes- und Vaterfigur in der chritlichen Religion schon bestand, blieb die Verehrung des Josef auf einer niedrigeren Ebene als die der Maria.
Das sagst Du. 8)
In der Voodoo-Religion ist dies tatsächlich so. Dort wird Maria mit der Muttergottheit Dantor gleichgesetzt. Im Katholizismus ist das allerdings nicht so, und einen Polymarianismus gibt es auch nicht. Es gibt verschiedene Titel von Maria (z.B. in der lauretanischen Litanei) und es gibt bestimmte Darstellungen von Maria, z.B. die Hodigetria oder die Gottesmutter vom Zeichen. Gebräuchlich ist auch das Anhängen von Erscheinungsorten und Heiligtümern, z.B. "Unsere liebe Frau von Lourdes" (in diesem Fall ist hinzuzufügen, daß Privatoffenbarungen, inklusive Erscheinungen nicht verbindlich sind) oder "Our Lady of Walsingham" (Stephen, liest Du mit? A ;D ). Aber jeder Katholik, der das erste Jahr Religionsunterricht hinter sich hat, weiß, daß es nur eine Maria gibt. Mariam aus Nazareth, die Mutter Jesu, die Theotokos und Muttergottes.
Diese von Dir oben zitierte Propaganda (von wegen Muttergottheit und dergleichen) ist böser Same, vom Feind gestreut, um die Marianverehrung in ein übles Licht zu stellen.
Maria ist Mutter, aber keine Muttergottheit. Maria ist Jungfrau, was aber nichts mit Prüderie oder Leibfeindlichkeit zu tun hat (auch ein bekannter Vorwurf.)
Pater Kentenich hat gesagt, so wie Jungfrau und Mutter ist, so sollen wir auch Jungfrau und Mutter sein. Nicht im wörtlichen Sinne. Sondern: Jungfrau, als ein Mensch, für den Gott an erster Stelle steht, als ein Mensch, der sich Gott ganz hingibt.
Mutter, als ein fürsorglicher Mensch, der im Leben steht und seinen Mitmenschen dient.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Lutheraner hat geschrieben:
Raphaela hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben: Warum spielt Josef in der RKK nicht dieselbe Rolle wie Maria? Das müsste er dann doch eigentlich.
Als Mann konnte er kein Kind kriegen. Das ist ein biologischer Nachteil, den man ihm nicht ankreiden kann. Ansonsten hat er sich genauso wie Maria bewusst für das Kind Gottes entschieden. Ihr könntet ihn doch als Himmelskönig bezeichnen und mit einem Purpurmantel und Krone darstellen. Was spricht dagegen?
Wie der Samstag der Mariensamstag ist, so ist der Mittwoch der Tag des Heiligen Josefs. Es gibt viele Katholiken, die auf ihn ihre Hoffung setzen und ihn bitten. Gerade in Klöstern wird an diesem Tag ein Josefgebet gesprochen.
In vielen Kirchen sieht man grundsätzlich die Statue von Josef und von Maria.
Er ist etwas in Vergessenheit geraten, ist aber wieder "am Kommen"
Dargestellt wird er mit Handwerkszeug und/oder Lilie (Zeichen der Keuschheit), aber auch mit dem Jesuskind dazu.
Das ist mir alles schon bekannt. Maria ist aber die oberste Heilige in der Kath. Kirche und die Stellung des Josef kann man wirklich nicht mit der ihren vergleichen. Mit Maria hat man versucht einen Ersatz für eine weibliche Gottesform dem Christentum hinzuzufügen (interessant ist ja auch der Poly-Marianismus, der klar auf andere Religionen wie den Artemis-Kult verweist, auch hier gab es unterschiedliche Darstellungen der Göttin mit verschiedenen Attributen). Da mit Jesus und Gott dem Vater die Mannes- und Vaterfigur in der chritlichen Religion schon bestand, blieb die Verehrung des Josef auf einer niedrigeren Ebene als die der Maria.
Wie jedes Buch sollte man auch die Bibel zunächst einmal werkimmanent betrachten, ohne ausschließlich dabei zu verharren. Für einen Lutheraner ist das Hinzuziehen der Philosophie (in Form von religionswissenschaftlichen und psychologischen Ideen) schon bemerkenswert. Dabei besteht natürlich die Chance auf zusätzliche Erkenntnis, aber auch die Gefahr einer Projektion.

Sicher hat Maria bei der Inkulturation des Christentums eine besondere Rolle gespielt. Das Interesse an Maria als Jungfrau und Gottesmutter bei den Gläubigen war und ist groß. Die Kirche hat diese Verehrung aufgegriffen und sie theologisch begleitet, um sie zu Jesus Christus zu führen.

Es ist richtig, dass die christliche Theologie den Glauben der Väter weitergedacht hat und der heilige Josef als Vaterfigur weniger Verehrungsmöglichkeiten bietet.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Lutheraner hat geschrieben:Das ist mir alles schon bekannt. Maria ist aber die oberste Heilige in der Kath. Kirche und die Stellung des Josef kann man wirklich nicht mit der ihren vergleichen. Mit Maria hat man versucht einen Ersatz für eine weibliche Gottesform dem Christentum hinzuzufügen (interessant ist ja auch der Poly-Marianismus, der klar auf andere Religionen wie den Artemis-Kult verweist, auch hier gab es unterschiedliche Darstellungen der Göttin mit verschiedenen Attributen). Da mit Jesus und Gott dem Vater die Mannes- und Vaterfigur in der chritlichen Religion schon bestand, blieb die Verehrung des Josef auf einer niedrigeren Ebene als die der Maria.
Du sprichst wie ein Heide und jemand, der Jesus Christus nicht kennt. Was Du hier behauptest, ist historisch nicht zu belegen, sondern eine schlichte Behauptung aus dem Arsenal antikatholischer Rhetorik. Allein die Existenz weiblicher gottähnlicher Figuren in anderen Religionen läßt nicht den Rückschluß zu, die christliche Kirche habe die Verehrung der Gottesmutter von diesen übernommen. Willst Du so argumentieren, mußt Du ganz flugs auch andere Elemente des christlichen Glaubens als "heidnische Einflüsse" abtun: Taufe (rituelle Waschungen gibt es in anderen Religionen!), Abendmahl (rituelle Mahle auch!), sogar die Auferstehung Jesu...

Wahr ist hingegen, daß die Entwicklung der Marienverehrung einherging mit dem tieferen theologischen Verstehen der Natur Christi als Mensch und Gott. So wie die Kirche die Natur Christi immer besser erkannte und verstand, so entwickelte sich auch konsequenterweise ihr Verständnis der Rolle Marias als Mutter Gottes und Theotokos. Dies ist theologisch folgerichtig und sauber gedacht. Allein darauf stützte sich die Marienverehrung. Sie ist keine heidnische Zutat von außen, sondern zeugt vom tiefsten Verständnis dessen, was Gott in der Menschwerdung Christi getan hat und wer Christus ist.

Daß die evangelischen Christen dies nicht verstehen, läßt leider nur den Rückschluß zu, daß ihnen auf der Seite der Christologie entscheidende Elemente abhanden gekommen sind. Oft habe ich in der Diskussion mit Evangelikalen die Erfahrung gemacht, daß sie eher bereit sind, die göttliche Natur Christi zu verdrängen, als Marias Rolle als Gottesgebärerin anzuerkennen. Das ist schlimm. Hier merkt man leider, wie eine Häresie die andere nach sich zieht. Im Kontext der modernen "Christologie", die sich mit dem Typus "Jesus als Sozialarbeiter" zufriedengibt, dem man am besten durch Selbsterfahrungs-Batiken oder Nackttrommeln begegnet, fallen solche Abweichungen von der traditionellen christlichen Orthodoxie allerdings auch kaum noch auf.
If only closed minds came with closed mouths.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Stephen Dedalus hat geschrieben: Du sprichst wie ein Heide und jemand, der Jesus Christus nicht kennt. Was Du hier behauptest, ist historisch nicht zu belegen, sondern eine schlichte Behauptung aus dem Arsenal antikatholischer Rhetorik. Allein die Existenz weiblicher gottähnlicher Figuren in anderen Religionen läßt nicht den Rückschluß zu, die christliche Kirche habe die Verehrung der Gottesmutter von diesen übernommen. Willst Du so argumentieren, mußt Du ganz flugs auch andere Elemente des christlichen Glaubens als "heidnische Einflüsse" abtun: Taufe (rituelle Waschungen gibt es in anderen Religionen!), Abendmahl (rituelle Mahle auch!), sogar die Auferstehung Jesu...
Der Vergleich hinkt. Du kannst nicht die biblisch überlieferte Lehre mit Glaubensentwicklungen in einen Topf werfen. Die Einsetzung von Taufe und Abendmahl, die Auferstehung Christi haben wirklich stattgefunden, sie wurden später nicht als "neue Erkenntnisse" erklärt. Das sind Glaubenswahrheiten der ersten Stunde der Kirche.

Die erste Überlieferung der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel stammt aus einer Schrift aus dem 6. Jahrhundert, die als Fälschung einem Autor, der im 2. Jahrhundert lebte, untergejubelt wurde.
In keiner einzigen der über 100 Texte des NT und seiner Apokryphen steht etwas von einer Himmelfahrt Marias. Warum hat das damals niemand mitbekommen? Fand ihre Himmelfahrt heimlich statt?
Das semper virgo war das erste marianische und damit nicht auf Christus bezogene Dogma der Alten Kirche. Damit war eine Aussage zu Maria, die keine christologische Bedeutung hatte, erstmals zum Glaubensinhalt erhoben worden. Selbst die zuvor verkündete Bezeichnung Marias als "Gottesgebärerin" hatte noch eine rein christologische Bedeutung.
Wie die Entwicklung weiterging wissen wir. Allein in den letzten 150 Jahren gab es bedeutende angebliche Marienerscheinungen in röm.-kath. geprägten Ländern und fand die Verkündung zweier Mariendogmen statt (die ohne jegliche christologischer Bedeutung sind). Hier sehe ich geduldige Kräfte am Werk die ein klares Ziel haben: Die Verkündung der Miterlöserin als Dogma der römischen Kirche.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Daß die evangelischen Christen dies nicht verstehen, läßt leider nur den Rückschluß zu, daß ihnen auf der Seite der Christologie entscheidende Elemente abhanden gekommen sind. Oft habe ich in der Diskussion mit Evangelikalen die Erfahrung gemacht, daß sie eher bereit sind, die göttliche Natur Christi zu verdrängen, als Marias Rolle als Gottesgebärerin anzuerkennen. Das ist schlimm. Hier merkt man leider, wie eine Häresie die andere nach sich zieht.
Du scheinst uns Evangelische ja ganz besonders lieb zu haben...

Für Luther und Calvin stand jedenfalls fest, dass Maria nicht nur die Gottesgebärerin, sondern auch die Mutter Gottes ist. Entsprechendes kann auch in den lutherischen Bekenntnisschriften nachgelesen werden, die für mich verbindlich sind. Vor „evangelischen Christen“ den bestimmten Artikel „die“ zu setzten, halte ich daher genauso wie den plötzlichen Übergang zu den Evangelikalen aus rein theologischen Gründen für verfehlt. Das impliziert, dass Du hier Evangelikale mit evangelischen Christen aus Reformationskirchen pauschal gleichsetzt.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Lutheraner hat geschrieben:Der Vergleich hinkt. Du kannst nicht die biblisch überlieferte Lehre mit Glaubensentwicklungen in einen Topf werfen. Die Einsetzung von Taufe und Abendmahl, die Auferstehung Christi haben wirklich stattgefunden, sie wurden später nicht als "neue Erkenntnisse" erklärt. Das sind Glaubenswahrheiten der ersten Stunde der Kirche.

Die erste Überlieferung der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel stammt aus einer Schrift aus dem 6. Jahrhundert, die als Fälschung einem Autor, der im 2. Jahrhundert lebte, untergejubelt wurde.
In keiner einzigen der über 100 Texte des NT und seiner Apokryphen steht etwas von einer Himmelfahrt Marias. Warum hat das damals niemand mitbekommen? Fand ihre Himmelfahrt heimlich statt?
Das semper virgo war das erste marianische und damit nicht auf Christus bezogene Dogma der Alten Kirche. Damit war eine Aussage zu Maria, die keine christologische Bedeutung hatte, erstmals zum Glaubensinhalt erhoben worden. Selbst die zuvor verkündete Bezeichnung Marias als "Gottesgebärerin" hatte noch eine rein christologische Bedeutung.
Wie die Entwicklung weiterging wissen wir. Allein in den letzten 150 Jahren gab es bedeutende angebliche Marienerscheinungen in röm.-kath. geprägten Ländern und fand die Verkündung zweier Mariendogmen statt (die ohne jegliche christologischer Bedeutung sind).
Zur Offenbarungstheologie: Objektiv ist die Offenbarung in Jesus Christus vollständig und endgültig erfolgt. Subjektiv erschließt die Kirche die Offenbarung theologisch mit der Zeit.

Zur Sakramententheologie: Wirklich meint sakramental. Christus als das Ursakrament hat die Kirche und damit alle sieben Sakramente eingesetzt. Auch die Auferstehung ist sakramental zu verstehen, wie der hl. Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther schreibt.

Zur Christologie mit Maria betrachtet:
Ihre immerwährende Jungfräulichkeit unterstreicht, dass Jesus als Christus wirklich einzigartig geblieben ist.

Ihre Vorerlösung ist nicht nur im Hinblick auf ihre Gottesmutterschaft zu verstehen, sondern auch nur aufgrund der Erlösung durch ihren Sohn.

Ihre leibliche Aufnahme in den Himmel besagt, dass die Auferstehung nicht auf Christus allein begrenzt ist, sondern das alle Menschen die Auferstehung erhoffen dürfen.

Die Marienerscheinungen zeigen, dass Maria bei ihrem Sohn und bei den Menschen ist. Sie ist auch in den Gedanken von Lutheranern lebendig. Möge sie dazu beitragen, die Menschen miteinander zu versöhnen.
Zuletzt geändert von overkott am Freitag 18. Januar 2008, 19:26, insgesamt 1-mal geändert.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Marcus hat geschrieben: Du scheinst uns Evangelische ja ganz besonders lieb zu haben...

Für Luther und Calvin stand jedenfalls fest, dass Maria nicht nur die Gottesgebärerin, sondern auch die Mutter Gottes ist. Entsprechendes kann auch in den lutherischen Bekenntnisschriften nachgelesen werden, die für mich verbindlich sind. Vor „evangelischen Christen“ den bestimmten Artikel „die“ zu setzten, halte ich daher genauso wie den plötzlichen Übergang zu den Evangelikalen aus rein theologischen Gründen für verfehlt. Das impliziert, dass Du hier Evangelikale mit evangelischen Christen aus Reformationskirchen pauschal gleichsetzt.
Nun, ich habe nicht von den Reformatoren gesprochen, sondern beziehe mich eher auf die Mehrheit der ev. Christen heute. Da ist dieses Urteil leider zutreffend, denn viele Elemente der altprotestantischen Orthodoxie sind heute verlorengegangen. Ich denke, Du wirst diesem Urteil zustimmen, denn das ist wohl einer der Gründe, warum Du bei der SELK bist und nicht in einer der lutherischen Landeskirchen.

Die zweite Aussage habe ich bewußt über die Evangelikalen gemacht, was hier eine Einschränkung darstellen sollte und nicht Evangelische mit Evangelikalen gleichsetzt.
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Lutheraner hat geschrieben: Der Vergleich hinkt. Du kannst nicht die biblisch überlieferte Lehre mit Glaubensentwicklungen in einen Topf werfen. Die Einsetzung von Taufe und Abendmahl, die Auferstehung Christi haben wirklich stattgefunden, sie wurden später nicht als "neue Erkenntnisse" erklärt. Das sind Glaubenswahrheiten der ersten Stunde der Kirche.
Deine Einlassungen zu diesem Thema sind leider wenig differenziert. Auf der einen Seite wirfst Du der katholischen Kirche vor, die Verehrung der Jungfrau Maria aus anderen Religionen übernommen zu haben, beziehst Dich aber andererseits nur auf bestimmte Sonderformen dieser Verehrung. Ich bin mit Dir darin einer Meinung, daß es Fehlentwicklungen der Marienfrömmigkeit gibt, und dazu gehören auch die katholischen Mariendogmen. Dies bedeutet aber nicht, daß generell alle Marienverehrung falsch und abzulehnen ist.

Es ist nämlich keineswegs so, daß Marienverehrung in der Bibel nicht vorkäme. Gründliche Exegese der Evangelien etwa bietet durchaus einen soliden Boden für eine Verehrung Marias als erste der Heiligen.

Es ist auch keineswegs so, daß die Gedanken an die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel erst im 6. Jahrhundert wie aus dem Nichts aufgetaucht wäre. Wo hast Du das denn her? Die Verehrung der Jungfrau Maria läßt sich in verschiedenen Facetten viel weiter zurückverfolgen und bietet erstaunlicherweise neben schriftlichen auch schon sehr früh archäologische (sic!!) Belege, so etwa die Kathisma-Kirchen in und um Jerusalem. Zu diesem Thema ist sehr die exzellente Arbeit von Stephen Shoemaker zu empfehlen. Die These von der Marienverehrung als "fremde" Zutat im Christentum muß als widerlegt angesehen werden.
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overkott
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Beitrag von overkott »

Christologisch halte ich die Mariendogmen für begründet.

Gegen eine gesunde Marienfrömmigkeit ist nichts einzuwenden.

Eine klare Orientierung an ihrem Vorbild könnte Fehlentwicklungen in Priesterseminaren vorbeugen.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Stephen Dedalus hat geschrieben: Es ist nämlich keineswegs so, daß Marienverehrung in der Bibel nicht vorkäme. Gründliche Exegese der Evangelien etwa bietet durchaus einen soliden Boden für eine Verehrung Marias als erste der Heiligen.
Dem kann man zustimmen, wenn wir von Heiligenverehrung gemäß CA sprechen - als Vorbild im Glauben, nicht aber als Tote, die Gebete erhören und Bitten erfüllen.
Stephen Dedalus hat geschrieben: Es ist auch keineswegs so, daß die Gedanken an die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel erst im 6. Jahrhundert wie aus dem Nichts aufgetaucht wäre.
Nenne mir eine einzige vor dem 6. Jahrhundert entstandene Schrift, wo dies bezeugt wurde. War diese Himmelfahrt so unwichtig, dass keiner darüber schrieb? Oder hat sie heimlich stattgefunden?
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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Daß die evangelischen Christen dies nicht verstehen, läßt leider nur den Rückschluß zu, daß ihnen auf der Seite der Christologie entscheidende Elemente abhanden gekommen sind.
Erkläre mir bitte die christologische Bedeutung der Dogmen semper virgo, immaculata conceptio und assumptio
Stephen Dedalus hat geschrieben: Oft habe ich in der Diskussion mit Evangelikalen die Erfahrung gemacht, daß sie eher bereit sind, die göttliche Natur Christi zu verdrängen, als Marias Rolle als Gottesgebärerin anzuerkennen.
Was interessieren uns hier manche Evangelikale? Davon abgesehen haben die oft ein Problem mit katholischen Begriffen und weniger mit dem was dahintersteckt. Selbst Baptisten haben in ihrer Theologie in gewisser Form Sakramente, sie würden es nur niemals so nennen.
Stephen Dedalus hat geschrieben: Das ist schlimm. Hier merkt man leider, wie eine Häresie die andere nach sich zieht. Im Kontext der modernen "Christologie", die sich mit dem Typus "Jesus als Sozialarbeiter" zufriedengibt, dem man am besten durch Selbsterfahrungs-Batiken oder Nackttrommeln begegnet, fallen solche Abweichungen von der traditionellen christlichen Orthodoxie allerdings auch kaum noch auf.
Dann fange mal vor deiner Tür an dagegen zu kämpfen. Als der Erzbischof von Canterbury mit Bischof Huber in Wittenberg war, verglich er die Entchristianiserung in Ostdeutschland mit der Situation in Großbrittannien.Bei euch scheint ja selbst der Solzialarbeiter-Jesus in Vergessenheit zu geraten.
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Edi
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Beitrag von Edi »

Lutheraner hat geschrieben:Nenne mir eine einzige vor dem 6. Jahrhundert entstandene Schrift, wo dies bezeugt wurde. War diese Himmelfahrt so unwichtig, dass keiner darüber schrieb? Oder hat sie heimlich stattgefunden?
Die Ostkirche hat bereits vor dem Konzil zu Chalcedon also vor 451 die Feier der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel gekannt.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Lutheraner hat geschrieben:nicht aber als Tote, die Gebete erhören und Bitten erfüllen.
Wie bitte? Unsere Verstorbenen sind nicht tot, sie leben bei Gott. Und sie sind unsere Fürbitter — ich glaube mich zu erinnern, daß Luther (Threadtitel!) das auch so sah.
Lutheraner hat geschrieben: Nenne mir eine einzige vor dem 6. Jahrhundert entstandene Schrift, wo dies bezeugt wurde. War diese Himmelfahrt so unwichtig, dass keiner darüber schrieb? Oder hat sie heimlich stattgefunden?
Der Liber Requiei Mariae stammt aus dem 3. oder 4. Jahrhundert. Er gilt als die älteste Quelle.
Bestimmt hat die Mariens Heimgang unbemerkt stattgefunden. Jesus entzog sich vor den Augen seiner Jünger ihren Blicken. Mariens Aufnahme in den Himmel war eine Dormitio, eine Entschlafung.

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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Die Einsetzung von Taufe und Abendmahl, die Auferstehung Christi haben wirklich stattgefunden, sie wurden später nicht als "neue Erkenntnisse" erklärt. Das sind Glaubenswahrheiten der ersten Stunde der Kirche.
Das sehen die Theologen und Führer Deiner Kirche aber überwiegend ganz anders. Das sind keine historischen Tatsachen, sondern Erfügungen der nachösterlichen Gemeinde. Standartprogramm eines jeden Theologiestudiums.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Erkläre mir bitte die christologische Bedeutung der Dogmen semper virgo, immaculata conceptio und assumptio
Auch wenn ich mit den fremdsprachigen Links nerven sollte.
Hier ist eine schöne, leicht verständliche Zusammenfassung.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Nenne mir eine einzige vor dem 6. Jahrhundert entstandene Schrift, wo dies bezeugt wurde.
Du verkennst das katholische Prinzip der organischen "Entwicklung der Glaubenslehre". Sehr instruktiv die Abhandlung von J.H. Newman.
So wirst Du auch Problem haben, eine eindeutige Stellungnahme zu Göttlichkeit des Heiligen Geistes als Person der Gottheit in den ersten 3 Jhd. zu finden.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

anneke6 hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:nicht aber als Tote, die Gebete erhören und Bitten erfüllen.
Wie bitte? Unsere Verstorbenen sind nicht tot, sie leben bei Gott. Und sie sind unsere Fürbitter — ich glaube mich zu erinnern, daß Luther (Threadtitel!) das auch so sah.
Lutheraner hat geschrieben: Nenne mir eine einzige vor dem 6. Jahrhundert entstandene Schrift, wo dies bezeugt wurde. War diese Himmelfahrt so unwichtig, dass keiner darüber schrieb? Oder hat sie heimlich stattgefunden?
Der Liber Requiei Mariae stammt aus dem 3. oder 4. Jahrhundert. Er gilt als die älteste Quelle.
Bestimmt hat die Mariens Heimgang unbemerkt stattgefunden. Jesus entzog sich vor den Augen seiner Jünger ihren Blicken. Mariens Aufnahme in den Himmel war eine Dormitio, eine Entschlafung.
Apol. XXI Nr. 8-11 hat geschrieben:Darüber so geben wir ihnen nach, daß die Engel für uns bitten. Denn Zach. 1 steht geschrieben, daß der Engel bittet: "Herr Zebaoth, wie lange willst du dich nicht erbarmen über Jerusalem?" Und wiewohl wir nachgeben, daß gleichwie die lebendigen Heiligen für die ganze Kirche bitten insgemein oder in genere. Doch hat solches kein Zeugnis in der Schrift denn allein den Traum, der genommen ist aus dem andern Buch Maccabaeorum.

Weiter, ob die Heiligen gleich beten für die Kirche, so folgt doch daraus nicht, daß man die Heiligen solle anrufen; wiewohl unsere Konfession allein dies setzt: In der Schrift steht nichts von dem Anrufen der Heiligen, oder daß man Hilfe suchen sollen bei den Heiligen. So man nun weder Gebot noch Zusage noch Exempel aus der Schrift mag vorbringen, so folgt, daß kein Herz noch Gewissen darauf sich verlassen kann. Denn dieweil ein jeglich Gebet soll aus dem Glauben geschehen, woher will ich denn wissen, daß Gott ihm [sich] gefallen läßt das Anrufen der Heiligen, wenn ich nicht Gottes Wort davon habe? Wodurch werde ich gewiß, daß die Heiligen mein Gebet und eines jeden besondern [insbesondere] hören? Etliche machen schlechts [geradezu] Götter aus den Heiligen und sagen, sie können unsere Gedanken wissen und uns ins Herz sehen...

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Aber in seinem Kommentar zum Magnificat steht:
"Anrufen soll man sie, daß Gott durch ihren Willen gebe und tu, worum wir bitten. So sind auch alle anderen Heiligen anzurufen, daß das Werk immer ganz allein Gottes bleibe."
Und was ist mit "Hilf, heilige Anna, ich will Mönch werden!"?

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

anneke6 hat geschrieben:Aber in seinem Kommentar zum Magnificat steht:
"Anrufen soll man sie, daß Gott durch ihren Willen gebe und tu, worum wir bitten. So sind auch alle anderen Heiligen anzurufen, daß das Werk immer ganz allein Gottes bleibe."
Und was ist mit "Hilf, heilige Anna, ich will Mönch werden!"?
Das war Luthers anfängliche Privateinung zu Beginn der 20er-Jahren des 16. Jahrhunderts. Sein Magnifikat ist keine offizielle Bekenntnisschrift und somit nicht verbindlich. In seinen Schmalkaldischen Artikel von 1537 (offizielle Bekenntnisschrift) kannst Du über die Heiligenanrufung folgendes lesen:
Anrufung der Heiligen ist auch einer der endchristlichen [antichristlichen] Missbräuche und streitet wider den ersten Hauptartikel und tilgt die Erkenntnis Christi, ist auch nicht geboten noch geraten, hat auch kein Exempel der Schrift, und haben’s alles tausendmal besser an Christo, wenn jenes gleich köstlich Gut wäre, als doch nicht ist.

Und wiewohl die Engel im Himmel für uns bitten (wie Christus selber auch tut), also auch die Heiligen auf Erden oder vielleicht auch im Himmel, so folgt daraus nicht, daß wir die Engel und Heiligen anrufen, anbeten, ihnen fasten, feiern, Messe halten, opfern, Kirchen, Altar, Gottesdienst stiften und [auf] andere Weise mehr dienen und sie für Nothelfer halten und allerlei Hilfe unter sie teilen und jeglichem eine sonderliche züignen sollten, wie die Papisten lehren und tun. Denn das ist Abgötterei, und solche Ehre gehört Gott allein zu. Denn du kannst als ein Christ und Heiliger auf Erden für mich bitten, nicht in einerlei, sondern in allen Nöten. Aber darum soll ich dich nicht anbeten, anrufen, feiern, fasten, opfern, Messe halten dir zu Ehren und auf dich meinen Glauben zur Seligkeit setzen. Ich kann dich sonst [auf andere Weise] wohl ehren, lieben und dir danken in Christo. Wenn nun solche abgöttische Ehre von den Engeln und toten Heiligen weggetan wird, so wird die andere Ehre ohne Schaden sein, ja bald vergessen werden. Denn wo der Nutz und Hilfe, beide leiblich und geistlich, nicht mehr zu hoffen ist, werden sie die Heiligen wohl mit Frieden lassen, beide im Grabe und im Himmel. Den umsonst oder aus Liebe wird ihrer niemand viel gedenken, achten noch [sie] ehren.
Die Heiligenanrufung mit Luthers Magnifikat zu rechtfertigen, ist aus lutherischer Sicht nicht möglich. Dafür sind die Formulierungen in den Schmalkaldischen Artikel viel zu scharf, wobei ich die Bezeichnung der Heiligenanrufung als „antichristlichen Missbrauch“ auch für überzogen halte. Das träfe nur bei einer Anbetung von Heiligen zu. Einzelne Ausdrucksweisen sollte man daher im historischen Kontext lesen.

Raphaela
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Beitrag von Raphaela »

Der Titel des Tread sagt doch, dass es um das Verständnis von Luther geht, oder? - Nun gut in dem Fall vor allem, was die Eucharistie betrifft.
Wird er jedoch zum Zitieren herangezogen, wird dass alles nur - wie von Marcus - als Luthers Privatmeinung hingestellt. :hmm:


Naja, ohne die Privatmeinung von Luther hätte es keine Reformation gegeben und wieviele der evangelischen Christen wären dann heute wohl katholisch?
Also bitte lieber der Kirche statt einer Privatmeinung nachlaufen

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Linus
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Beitrag von Linus »

overkott hat geschrieben:Christologisch halte ich die Mariendogmen für begründet.

Gegen eine gesunde Marienfrömmigkeit ist nichts einzuwenden.

Eine klare Orientierung an ihrem Vorbild könnte Fehlentwicklungen in Priesterseminaren vorbeugen.
Allein ich habe schon gehört, daß Priesterseminaristen aus dem Seminar geworfen wurden, weil sie den Rosenkranz nach der Vesper beteten....
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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Raphaela hat geschrieben:Der Titel des Tread sagt doch, dass es um das Verständnis von Luther geht, oder? - Nun gut in dem Fall vor allem, was die Eucharistie betrifft.
Wird er jedoch zum Zitieren herangezogen, wird dass alles nur - wie von Marcus - als Luthers Privatmeinung hingestellt. :hmm:


Naja, ohne die Privatmeinung von Luther hätte es keine Reformation gegeben und wieviele der evangelischen Christen wären dann heute wohl katholisch?
Also bitte lieber der Kirche statt einer Privatmeinung nachlaufen

Wenn Luther zu Beginn der 20er Jahren des 16. Jahrhunderts die Heiligenanrufung zwar noch befürwortet, aber später, nämlich im Jahre 1537 als antichristlichen Missbrauch bezeichnet und diese Lehrmeinung in einer Bekenntnisschrift steht, kann man nicht einfach sagen, Luther sei für die Heiligenanrufung gewesen. Das wäre ja genauso als würde ein Evangelikaler einem Ex-Evangelikalen, der zur RKK übergetreten ist, immer noch nachsagen, dass seiner Meinung nach der Papst der Antichrist sei, nur weil dieser das vielleicht 10 Jahre vor seiner Konversion mal geäußert hatte.

Das damalige Kirchenvolk samt vieler Priester war zwar besonders volksfrömmig, jedoch auch sehr abergläubig und theologisch kaum gebildet. Nicht umsonst sprach sich das Konzil von Trient dafür aus, durch die Errichtung von Priesterseminaren die theologische und seelsorgerische Bildung künftiger Priester zu erhöhen. Luther erkannte wohl im Laufe der Zeit, dass solange die Heiligenanrufung und –verehrung nicht konsequent aus dem Glaubensleben der damaligen Menschen verdrängt werden, die Menschen den Heiligen zumindest insgeheim mehr Vertrauen schenken als beispielsweise Jesus Christus. Maria und die Heiligen galten eher als die Sanftmütigen, Jesus Christus eher als harter Richter. Ähnlich war es auch damals bei der Messe. Für die damaligen Katholiken bestand der Höhepunkt der Messe nicht etwa im Kommunizieren, sondern die Elevation mitzuerleben. Vor dem Kommunionsempfang hatte man eine „heilige Scheu“, weil man glaubte bzw. Angst davor hatte, den Leib Christi eventuell unwürdig zu empfangen. Außerdem waren einige Gruselgeschichten, was mit Menschen passiert, die den Leib Christi unwürdig empfangen, weit verbreitet.

Luther und seinen Anhängern ging es nicht darum, die Katholische Kirche nach ihrer Privatmeinung zu gestalten. Für sie musste das Rand nicht mehr neu empfunden werden, sondern der Achter wieder ausgebogen werden. Zwingli, Calvin die Täufer und Schwärmer sahen das natürlich anders. Es ging also um die Reorganisation des wahren katholischen Glaubens, wie er von Anfang gelehrt worden ist. Mittelpunkt sollte wieder die Person Christi und der Glaube an den Sohn Gottes sein. In den lutherischen Bekenntnisschriften finden sich nicht umsonst Dutzende Kirchenväterzitate wieder, die aufzeigen sollen, dass man nicht Neues lehrt. Natürlich konnte die Lutheraner nicht die kirchliche Tradition vorbehaltlos anerkennen. Oberster Grundsatz war und ist: „Was Christus treibet“, so dass selbst biblische Abschnitte nicht alle als gleich heilsrelevant bewertet werden. Jeder Lehre und jeder Lehrer muss sich anhand der Bibel, welche die Richtschnur ist, überprüfen lassen können. Etwas was keine biblische Grundlage hat, kann nicht als heilsrelevant gelten.

Nachdem es den Lutheranern endlich gelungen war, den wahren katholischen Glauben wiederherzustellen, traten immer mehr schwarze Schafe in den eigenen Reihen auf. Das waren vor allem die Philippisten und Kryptocalvinisten, die bereits den Grundstein für den heutigen Abfall der Landeskirchen vom wahren Glauben gelegt haben. Später spielte dann noch die preußischen Könige (Calvinisten) mit den Lutheraner böse nach. Sie wurden stets entkatholisiert. Als man in 19. Jahrhundert begann, die „Lutheraner“ mit den Reformierten in Preußen mit Zwang zu vereinigen, konnten die Genuinlutheraner nicht mehr anders handeln, als den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen und viele staatliche Repressalien in Kauf zu nehmen. Das waren die sog. „Altlutheraner“. Spätestens mit der Gründung der EKD, der auch die VELKD und ihre Gliedkirchen angehören und der Unterzeichnung der Leuenberger Konkordie, durch welche die ev.-luth. Landeskirchen letztlich ein kryptocalvnistisches Abendmahlsverständnis annahmen, nahm das landeskirchliche Luthertum in Deutschland sein Ende. In den Landeskirchen gibt es zwar noch einige wenige lutherische Bekenntnisgemeinden und auch noch manche Bekenntnislutheraner. Fakt ist aber, dass seither die SELK die größte lutherische Kirche in Deutschland ist.

Und weil das Luthertum auf das felsige Fundament der Heiligen Schrift bzw. des Evangeliums Christi baut, kann man nicht von einer Privatmeinung Luthers sprechen. Lutherische Bekenntniskirchen sehen sich auch heute noch als Teil der einen heiligen, katholischen und apostolischen Kirche an. Wem dieses Verständnis verlorengegangen ist, der mag zwar Protestant sein, Lutheraner bzw. Katholik ist er jedenfalls nicht.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Raphaela hat geschrieben:Der Titel des Tread sagt doch, dass es um das Verständnis von Luther geht, oder? - Nun gut in dem Fall vor allem, was die Eucharistie betrifft.
Wird er jedoch zum Zitieren herangezogen, wird dass alles nur - wie von Marcus - als Luthers Privatmeinung hingestellt. :hmm:
Bist du konvertiert? Das ist auch eine Entwicklung. Was du noch ganz am Anfang dieser Entwicklung denkst, wo du noch zum ersten Mal darüber nachdenkst, ist noch völlig anders, als am Tage deiner Konversion. Es bringt da auch nichts, wenn ich dir nach deiner Konversion vorwerfe was du vorher geglaubt oder gedacht hast. Selten ändert jemand seine Ansichten radikal über Nacht. Luther war von Katholizismus geprägt. Erst durch unfangreiche Bibelstudien und ein Befreien von ausserbiblischen Glaubensinhalten hat er die Wahrheit erkannt. Das war selbstverständlich ein Prozeß. An das semper virgo oder die unbefleckte Empfängnis hat er z.B. bis zu seinem Tod geglaubt. Aber er hätte diese unbiblische Lehre niemals als verbindlichen Glaubenssatz gefordert. Wahrscheinlich ahnte er selbst, dass er aufgrund seiner katholischen Prägung daran glaubte.

Raphaela hat geschrieben: Naja, ohne die Privatmeinung von Luther hätte es keine Reformation gegeben und wieviele der evangelischen Christen wären dann heute wohl katholisch?
Also bitte lieber der Kirche statt einer Privatmeinung nachlaufen
Luther war der erste, der überlebte. Viele Reformatoren vor ihm wurden von der kath. Kirche oder in ihrem Namen ermordet. Der bekannteste ist der Heilige Jan Huß, der entgegen einer ihm gegebenen Versicherung auf freies Geleit beim Konzil von Konstanz lebendig verbrannt wurde. Gott schickte Luther und hätte die kath. Kirche Luther ermorden lassen, hätte er den nächsten geschickt. Die Behauptung, dass es ohne Luther keine Reformation gegeben hätte, ist somit sinnlos. Gott lässt seine Kirche nicht im Stich.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

FranzSales hat geschrieben:
Die Einsetzung von Taufe und Abendmahl, die Auferstehung Christi haben wirklich stattgefunden, sie wurden später nicht als "neue Erkenntnisse" erklärt. Das sind Glaubenswahrheiten der ersten Stunde der Kirche.
Das sehen die Theologen und Führer Deiner Kirche aber überwiegend ganz anders. Das sind keine historischen Tatsachen, sondern Erfügungen der nachösterlichen Gemeinde. Standartprogramm eines jeden Theologiestudiums.
Nenne mir bitte einen "Führer" oder wichtigen Theologen meiner Kirche, der die Auferstehung leugnet und die Sakramente als nachösterliche "Erfügungen" (was meinst du eigentlich damit? Einfügungen?) bezeichnet.
Ich habe bis heute nicht einmal einen Pfarrer oder einfachen Gläubigen getroffen, der das mir gegenüber behauptet hat.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Lutheraner hat geschrieben: Nenne mir bitte einen "Führer" oder wichtigen Theologen meiner Kirche
Darf ich nur darauf hinweisen, daß Du schon einmal gefragt hast "nenne mir bitte", als es nämlich um die Assumptio ging. Wir haben Dir eine solche Schrift genannt, und Du hast nie reagiert. Sind dies rhetorische Fragen?

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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Wird er jedoch zum Zitieren herangezogen, wird dass alles nur - wie von Marcus - als Luthers Privatmeinung hingestellt.
Bei Luther muss man genau hinschauen, wann er was gesagt hat. Am Anfang findet sich bei Luther noch viel katholisches, gegen Ende seines Lebens nicht mehr so viel.
An der Realpräsenz hat er jedoch immer festgehalten. Diese war nie im Streit, wie auch die römische "Confutation" (eine Antwort auf die CA) bestätigt hat. Der von Luther mißverstandene Opferbegriff war des casus knaxus.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Nenne mir bitte einen "Führer" oder wichtigen Theologen meiner Kirche, der die Auferstehung leugnet und die Sakramente als nachösterliche "Erfügungen" (was meinst du eigentlich damit? Einfügungen?) bezeichnet.


Frag die Freunde von "Kein anderes Evangelium". Die können Dir erschöpfend Auskunft erteilen. Ansonsten schau in ein beliebiges ev. Dogmatikbuch, dass an den Universitäten benutzt wird.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

Raphaela
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Beitrag von Raphaela »

Lutheraner hat geschrieben:
Raphaela hat geschrieben:Der Titel des Tread sagt doch, dass es um das Verständnis von Luther geht, oder? - Nun gut in dem Fall vor allem, was die Eucharistie betrifft.
Wird er jedoch zum Zitieren herangezogen, wird dass alles nur - wie von Marcus - als Luthers Privatmeinung hingestellt. :hmm:
Bist du konvertiert?
Nein, ich bin nicht konvertiert, ich bin schon seit meiner Taufe (zwei Wochen nach meiner Geburt) katholisch.

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