Gottesbeweis aus Strebedynamik - Liebe als "Dynamik&quo

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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platon
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Gottesbeweis aus Strebedynamik - Liebe als "Dynamik&quo

Beitrag von platon »

Hallo Leute,

ich wollte mal die folgenden Gedanken zur Diskussion stellen. Ich bin der Meinung, daß ein zweifelsfreier Gottesbeweis nicht gelingen kann, weil jeder Gottesbeweis ja eine Interpretation vom Dasein ist, sozusagen philosophischer "Glaube" darstellt. Die Neuzeit ist dazu übergegangen, die Natur oder das Lebendige zu entzaubern, und selbst ein Habermas besichtigte die Kirche, diesen Zauber zur Festigung ihrer Macht zu mißbrauchen. Erst bei seiner Ehrung zu seiner Pensionierung hielt er in der Paulskirche zu Frankfurt eine beindruckende Rede, als hätte er eine Kehrtwende um 180 gemacht; und dann hat sich Petra Roth distanziert zu seinem Sinneswandel gezeigt.

Man muß das so sehen, daß in Antike und Mittelalter Denken, Philosphie und Theologie eine Einheit gebildet haben, und stets darf man die mitverwobene Mystik in den Philosophen nicht aus den Augen verlieren. Mystik und Philosophie, das scheint ein Gegensatz zu sein, aber wer schon mal z.B. den früheren Hegel kennt, der versteht die mitverwobene Mystik zu finden und zu würdigen.

So ist der folgende "Gottesbeweis" zu verstehen, daß man sich zuerst bewußt machen muß, daß ein Thomas von Aquin sich des Wunders des Lebens und von dessen Unbegreiflichkeit sehr wohl bewußt war. Allein Aristoteles, auf den sich Thomas bezieht, ist von vorne bis hinten mit Mystik durchtränkt. Romano Guardini hörte nicht auf immer wieder zu betonen, daß Philosophen aus Antike und Mittelalter "Intellektuelle" und keineswegs "Rationalisten" waren. Sie haben versucht das Leben zu "deuten" und nicht zu "erklären".


Gottesbeweis aus der "Strebedynamik" und der Liebe

Kosmologischer Beweis frei nach Thomas von Aquin
Es nützt nichts den Aquinaten zu zitieren, ohne ihn gleichzeitig zu erklären. Besonders prägend ist hierbei der Begriff der "Bewegung", der in diesem Kontext eine besondere Bedeutung hat. Bewegung meint bei ihm nicht bloß eine Bewegung von Ort A nach Ort B, sondern vielmehr steht dieser Begriff oft im Zusammenhang mit der "Selbstbewegung" und mit "Eigeninitiative".


Die aristotelische und thomanische "Bewegungsseele"
Hier läßt sich Thomas von Aristoteles inspirierenen. Wenn Pflanzen "wachsen" gibt es eine Bewegung von unten nach oben, wobei dieses Wachsen "Dynamik" und "Kraft" meint, die aus der Erde hervorsprießt. Es ist ein qualitativ Anderes als das "Unbelebte" wie die Steine. Und bewegen sich Menschen und Tieren durch die Lande, dies aber nicht deshalb, weil sie wie eine Billiardkugel durch eine andere angestoßen wurden, sondern hierbei entwickelt sich eine "Dynamik", die nicht im Pflanzlichen gegeben ist sondern darüber hinaus greift. Und bei der Freiheit entwickelt sich noch eine weitere Bewegungsart, die nicht nur durch Instinkte gegeben ist, sondern aus Freiheit entspring, für das Höhere, das Gute und das Schöne zu handeln. Anders als die Tieren stirbt der Mensch auch für die Wahrheit, und der alleinige entscheidende "Bewegungsmotiv" der Handlungen ist nicht bloß die Angst. Letztere "kann" ein Motiv sein, aber es muß es nicht sein. Mit Bewegung ist also bei Thomas die Strebedynamik gemeint.

Die "Bewegungsseele"
Wenn also Aristoteles und Thomas die Begriffe "Bewegung" in den Mund nehmen, so ist damit oft auch die "Selbstbewegung", die Lebendigkeit der Natur oder darüber hinaus der Freiheit gemeint. Das Bewegte ist für sie das, was sie oft als "Bewegungsseele" bezeichnen, womit nicht die platonisch verstandene Seele gemeint ist. Sie nennen das Bewegungsseele deshalb, eben um anzudeuten, daß es eine Bewegung ist, die von innen her sich bewegt, eine Pflanze wächst selbst, sie wird nicht von außen "gestreckt".

Unzureichende Erklärungsversuche
Insofern man sich auf den Ursprung des Lebendigen bezieht, sind die meisten Erklärungen, die man vernimmt, solche die das Ganze auf den Zufall zurückführen wollen. Dies so zwar nicht immer der Fall aber sehr häufig. Evolution und Zufall dient als Paradebeispiel zum Gegenbeweis, aber das Aufzeigen einer geschichtlichen Tatsache erklärt ihr Grund nicht, was Evolution eigentlich bedeutet.

Die "pflanzliche Bewegungsseele"
Wenn man aber das ganze Universum auf den Zufall erklärt, dann wird der Mensch letztlich zu nichst weiter als einer komplizierten Maschine. Die Erfahrung aber belegt, daß die Wirklichkeit vieldimensionaler ist. Das Lebendige aber hat nicht nur auf bestimmte Inputs zu reagieren, wie ein Computer, sondern eine eigene "Dynamik", ein Streben. Da ist das Wachsen der Pflanzen, das Leben, das nach außen hin sprießt, so bezeichnete diese Art "Selbstbewegung" Aristoteles und Thomas von Aquin als "pflanzliche Bewegungsseele". Seele deshalb, weil selbstbewegt. Menschen wachsen auch, also hatten sie ihnen nach auch eine pflanzliche Bewegungsseele.

Die "Fortbewegungsseele"
Dann gibt es die Fortbewegungsdynamik, die in Tieren und Menschen vorhanden ist. In einem Tiger fällt die Magensäure in den Magen, ruft das Hungergefühl hervor, und dieser steuert von einem "Telos" (=Ziel) gesteuert auf das Reh zu. Zielkausalität, gibt es das? Wenn es sich nur um eine Kausalität der Art handeln würde, wie das mechanische Stoßen von Billiardkugeln, dann ist nicht geklärt, warum ein Tiger unbedingt auf die Jagdt gehen muß. Das mechanische Kausalitätsprinzip erkärt nur, daß der Magen von der Magensäure angegriffen wird, aber nicht die Dynamik als solche. Und dann richtet sich der Mensch nach dem Wahren, Guten und Schönen; es gibt keinen Grund zu behaupten, daß der Mensch nur von Trieben geleitet wäre. Eine solcher Aspekt beinhaltet den Aspekt der Freiheit, wo nicht nur reines Naturdasein vorhanden ist. Ein solches Streben nach dem Wahren, Guten und Schönen könnte wiederum als eine Art "Selbstbewegung" und Dynamik auf einer höheren Ebene betrachtet werden, wo es eben nicht Notwendigkeit und auch kein "Müssen" sondern nur ein "Sollen" gibt. In alledem ist gezeigt, daß Laplace-Mechanismen nicht das Höhere der "Selbstbewegung" hervorbringen können.

Die Bewegung aus "Liebe"
Diese Erklärungsversuche sind an dieser Stelle noch nicht zum stärksten Argument gelangt, was erst der Fall ist, wenn man die "Liebe" als Selbstbewegung bedenkt. Die Liebe gehört zum Menschen, und der Mensch als sterbliches Wesen gehört zur Erde. Die Liebe ist nicht nur nicht logisch, sondern man fragt sich auch nach dem Woher der Liebe, wenn es vorher nur ein Big Bang gegeben hat. Bei der Liebe gibt es keine Notwendigkeit, sie kann aus der Materie, sprich aus dem Niederen und Totem nicht stammen. Die Liebe kann auch nicht aus der bloßen Natur stammen, denn die Biologie hat zwar eine Selbstbewegung, sie aber folgt ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten. Wenn ein Löwe Hunger hat, dann nimmt er keine Rücksicht auf seine Opfer. Die Natur ist grausam, sie gibt nichts, und schon gar nicht umsonst. An dieser Stelle, da wo die Liebe getragen ist durch ein großes Fundament, die Ausrichtung auf das Gute, stellt sich heraus, daß diese Eigendynamik der Liebe, die auf einer höheren Weise gegeben ist als die Selbstbewegung der Biologie, stellt sich die Frage nach ihrer Ontik. Wie sie zustande kommt, kann ich natürlich nicht wissen, aber mir ist es gestattet zu sagen, es könnte sie nicht geben, wenn es Gott nicht gibt.

Beweggründe für die Liebe sind höhere Ziele wie Wahrheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, die Ethik. Und es gibt eine Bewegung hin zum Martyrium, eben das eigene Leben zu riskieren, um eben der Wahrheit willen. Sokrates trank lieber den Giftbecher als die Jugend mit den Mythen der Dichter zu verführen. Und Jesus verneinte es nicht, daß er ein König war, wenn auch nicht dieser Welt, und er wurde wegen Gotteslästerung getötet. Wer kann denn schon Sünden vergeben außer Gott. Das war den Pharisäern ein Dorn im Auge. Liebe ist, dem andern selbstvergessen Gutes zu wollen.

Philosophischer "Glaube", keine absolute "Sicherheit"
Hierbei muß man unterscheiden, daß Thomas, wenn er seine Gottesbeweise unternimmt, er niemals die Vielheitlichkeit des Seienden verflacht. Es geht also nicht um eine rationalistische Erklärung der Welt, sondern um den Versuch sie auf Gott hin zu "deuten". Intellektualisten waren alle Denker der Antike und des Mittelalters, keine Rationalisten. Von daher verstehen sich ihre Beweise als Beredsamkeit aus dem (philosophischen) Glauben. Damit ist also das Modus Demonstrandi angesprochen. Gottesbeweise sind stets Glaube, und darum ist die Bezugnahme auf die Mystik so wichtig, damit niemand auf die Idee kommt, es ginge hier um einen billigen Versuch, eine Syllogistik aufzubauen, um die Existenz Gottes zu beweisen. Vielmehr setzten Syllogismen einen Verstehenshorizont von Welt und Mensch voraus.

Das ganze Leben als Geheimnis
Wenn man also philosophische Beweise anführt, dann darf dieses Faszinosum, das Geheimnis der Natur, des Lebendigen, der Freiheit, der Würde des Meschen, des Guten nicht fehlen. Sonst haben wir es nicht mit Gottesbeweisen sondern mit Spekulation zu tun, da man nicht mehr aus Glauben sondern aus vermeintlichem Wissen spricht.

Weltdeutung als Glaube - Zweifeln
Ich stelle bewußt die Frage, die scheinbar Kant am meisten bewegt hat, bewußt im Vordergrund: "Was sehe ich denn, wenn ich was sehe?" Deshalb, weil ich es nicht mit absoluter Gewißheit weiß, deshalb gibt es keine absolute Sicherheit. Es gibt immer nur der Glaube verschieden gepolt, atheistisch, theistisch, agnostisch. Immer kommt dort ein Gott oder ein Ersatz dafür zum Einsatz.
Fides quaerens intellectum
(Anselm von Canterbury)

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platon
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Beitrag von platon »

Der Titel sollte sein:

Gottesbeweis aus der Strebedynamik - die Liebe als "Dynamik"


Edit 14.12.2008: Habe den Titel gerade etwas geändert, damit er vollständig angezeigt wird; er war einfach zu lang. cantus planus, Moderator
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Interior
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Beitrag von Interior »

Lieber Platon,
der Text von Thomas Aquino war mir bislang nicht bekannt. Um so mehr freut mich, dass er genau meinen Erkenntnissen entspricht.
Ich stelle ihn hier mal rein als "Beweis", dass man in spirituellen Dingen auch zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen kann.

Der Aufbau des Menschen

Der Mensch wird allgemein unterteilt in Geist, Seele und Leib (1.Thess. 5,23). Das ist eine recht grobe Einteilung, die wir uns etwas genauer ansehen wollen.
Der Leib ist zunächst das physisch - sichtbare des Menschen, also das, was auch noch eine Zeit nachdem er gestorben ist, als Leiche, sichtbar ist.
Dieser Leib ist aus materiellen Stoffen aufgebaut, die nach dem Tod „ihre eigenen Wege gehen.“
Solange der Mensch noch lebt sind diese physischen Stoffe anderen als den ihr innewohnenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Das macht der Vergleich zwischen einer Leiche und einem lebenden Menschen deutlich.
Man könnte deshalb diese lebendige Kräfteorganisation „Lebensleib“ nennen.
Einen solchen Lebensleib haben auch die Pflanzen und die Tiere. Kennzeichen dieses Lebensleibes sind Stoffwechsel, Wachstum und Fortpflanzung.
Aber der Mensch ist mit diesen Tätigkeiten ja noch nicht erschöpfend beschrieben.
Ein Mensch hat auch, wie das Tier, Gefühle.
Was drücken Gefühle aus? Die Beziehungen, also das Verhältnis, das dieses Lebewesen zu anderen Lebewesen oder leblosen Dingen hat. Grob eingeteilt: Das, was geliebt wird, wird aufgesucht; das, was gehasst wird, gemieden.
Beim Tier geschieht das instinktiv, beim Menschen bewusster. Deshalb sagt man auch, das Tier sei eine Seele, aber der Mensch habe eine Seele. Was wiederum zeigt, dass der Mensch mit Leib und Seele noch nicht ausreichend beschrieben ist.
Der Mensch kann nämlich über sich selbst reflektieren, d.h. er kann sich quasi selbst gegenüberstehen und betrachten. Das ist durch den Geist möglich. Synonym für Geist könnte man auch das Wort „Ich“ setzen. Wenn wir das tun, dürfen wir aber nicht unter „Ich“ dieses oder jenes verstehen, wie „Ich bin geizig“, „ich bin klug“ sondern nur jene allgemeine Energie, die es mir überhaupt erst ermöglicht, solche Aussagen zu machen. Was ist das für eine Energie? Es kann keine andere sein, als die die mir auch alle bisher genannten Funktionen ermöglichte, also Lebenstätigkeiten wie bei Pflanze und Tier und Beziehungen haben wie sie auch das Tier hat. Geist aber ist das pure Leben, das Leben an sich. Zur Verdeutlichung ein Vergleich mit den Radiowellen: Damit wir einen Sender hören können, muss ein Programm auf die Trägerwelle moduliert werden. Die Programme entsprechen den verschiedenen Funktionen, die genannt wurde. Sie sind das Spezifische. Nun kann man aber eine Trägerwelle auch ohne Programme aussenden. Dann würden wir zwar nichts hören. Aber die Trägerwelle an sich, würde trotzdem da sein.
Was ist nun das Wesen des Geistes? Es ist ewig und es ist schöpferisch. Es ist Gott (der Vater). Damit will ich aber nicht sagen, dass Du oder ich Gott sind. Wir sind es deshalb nicht, weil unsere Liebe sich noch auf vergängliche Dinge, also die Schöpfungen des Geistes bezieht. Aber der Mensch könnte unmöglich Gottes Kind, oder ein Sohn Gottes werden - wie es uns verheißen ist - wenn nicht Gott in uns schon immer „anwesend“ gewesen wäre. Es gibt nichts, was völlig außer ihm wäre. Nur durch ein falsches Bewusstsein, und was daraus resultiert ist der Mensch von Gott getrennt.
Mit dem hier geschilderten Aufbau des Menschen wird es möglich sein, zu verstehen was nach dem Tod geschieht, aber auch die Geistesentwicklung der Menschheit vom Sündenfall bis zur heutigen Zeit. Wer also vom Glauben zum Verstehen, zum Gottschauen gelangen möchte, tut gut, sich in die hier gemachte Schilderung zu vertiefen.

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overkott
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Re: Gottesbeweis aus der Strebedynamik - die Liebe als "

Beitrag von overkott »

platon hat geschrieben:Romano Guardini hörte nicht auf immer wieder zu betonen, daß Philosophen aus Antike und Mittelalter "Intellektuelle" und keineswegs "Rationalisten" waren. Sie haben versucht das Leben zu "deuten" und nicht zu "erklären".
Sehr subtil. Entspricht aber nicht ihrem Sprachgebrauch, weil es auch nicht dem Sprachgebrauch der Vulgata und der Philosophen entspricht.

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overkott
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Re: Gottesbeweis aus Strebedynamik - Liebe als "Dynamik&quo

Beitrag von overkott »

platon hat geschrieben:Beweggründe für die Liebe sind höhere Ziele wie Wahrheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, die Ethik.
Gott ist die Liebe. Das entnehmen wir der Offenbarung. Aber wir denken dann auch die Liebe ohne Beweggründe. Denn die Liebe ist sich selbst Beweggrund. Und sie ist auch durch einen anderen Beweggrund. Und sie ist für ein anderes Beweggrund. Damit haben wir das väterliche Prinzip, die versöhnende Mitte und den geistigen Zweck genannt. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind ohne Beweggründe der Beweggrund für alles. Die Strebedynamik der Liebe ist trinitarisch oder sie ist nicht.

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