Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

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Lutheraner
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Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Lutheraner »

Moderationshinweis: Der Strang ist weder von „Lutheraner“ noch von „Holzi“ eröffnet worden. Er wurde aus einem Strang in der „Klausnerei abgetrennt“ und wegen seiner Thematik hierher verschoben. Der Administrator

tanatos hat geschrieben:
Ewald Mrnka hat geschrieben: Der Protestantismus ist im Grunde genommen ein verlogener Atheismus.
ich denke nicht, daß man sich da so aufregen muß. der protestantismus hat zweifelsohne atheistische und glaubensauflösende tendenzen.
Ich würde sagen, dass der Protestantismus einfach ehrlicher ist. Ich bin gerade in Brasilien. An Silvester bringt man hier der Meeresgöttin Iemanjá Gaben dar. Man geht gemeinsam zum Strand, schaut auf's Meer, spricht gemeinsam ein Gebet, geht einzeln mit Blumen in der Hand vor zum Meer, wartet auf eine Welle, wirft die Blumen herein und bekreuzigt sich mit dem Meerwasser. Nein, das geschieht nicht am Ende der Welt, es sind auch keine "bildungsfernen" oder Farbigen, die das machen, sondern meist weisse Mittelschicht, also Menschen deren Vorfahren schon seit Ewigkeiten christianisiert waren. Jetzt sind sie Polytheisten. Eine andere Religion, die hier in Verbindung mit dem römisch-katholischen Glauben verbreitet ist, ist der Kardecismus (Spiritismus), der einen Wiedergeburtsglauben lehrt. Auch die Anhänger dieser Religion sind meist weisse Mittelschicht und auch römisch-katholisch...

Glücklicherweise sind hier viele römische Katholiken gute Christen nach dem Verständnis ihrer Kirche, aber viele sind eben auch überzeuge und praktizierende Polytheisten. Da der Katholizismus im Gegensatz zum Protestantismus keinen klaren Monotheismus lehrt, sind die Übergänge sehr fliessend. Der hinterfragende und oft kritische Protestantismus hat also sehr wohl auch seine guten Seiten und seine Daseinsberechtigung, finde ich.
Zuletzt geändert von Robert Ketelhohn am Donnerstag 1. Januar 2009, 14:08, insgesamt 2-mal geändert.
Grund: Moderationseintrag
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holzi
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Re: Jürgen Fliege, ein Apostat?

Beitrag von holzi »

Lutheraner hat geschrieben:Ich würde sagen, dass der Protestantismus einfach ehrlicher ist.
Ich bin gerade in Brasilien.
Was ist Protestantismus? Das, was dir in Brasilien gerade ein verschwitzter Prediger im Sonntagsanzug zubrüllt, aus jener Wellblechgarage am Straßenrand, die sich zufällig "Igreja Evangelica Pentecostal do Ultimo Evangelho Quadrado Shoamahalom" oder was auch immer nennt? Der skandinavische Kulturprotestant? Oder eine dieser hier aufgeführten Denominationen? Für mich ist Protestantismus einfach alles was nicht katholisch oder orthodox ist, aber einheitlich und pauschal aussagen kann man da garnix. Es fängt ja schon an, wenn du mit Asderrix über Freikirchen diskutieren willst. Der selbe Zirkus.

Wo genau bist du eigentlich gerade? Ich werde übrigens - wenn nichts dazwischenkommt - im Februar (nach Carnaval) in die Nähe von Salvador da Bahia fliegen, zur Hochzeit meines Stiefsohns. Ich bin ja auch mit brasilianischer Verwandtschaft "gesegnet" ;) - Trotzdem praktisch, wenn zwischen mir und meiner Schwiegermutter des gesamte Atlantik liegt! :mrgreen:

Feliz ano novo - e não bebe demais não, tá?
Zuletzt geändert von holzi am Mittwoch 31. Dezember 2008, 23:31, insgesamt 1-mal geändert.

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cantus planus
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Beitrag von cantus planus »

Lutheraner hat geschrieben:Da der Katholizismus im Gegensatz zum Protestantismus keinen klaren Monotheismus lehrt, sind die Übergänge sehr fliessend.
Eine bemerkenswerte Unterstellung, die nach Erklärung heischt.
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Robert Ketelhohn
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Re:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

cantus planus hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:Da der Katholizismus im Gegensatz zum Protestantismus keinen klaren Monotheismus lehrt, sind die Übergänge sehr fliessend.
Eine bemerkenswerte Unterstellung, die nach Erklärung heischt.
Sachlich ist diese Unterstellung natürlich Unsinn. Daß freilich auch in Brasilien auf katholischem
Boden neben allerhand Freikirchen, Pfingstlern etc. mittenmang auch neuheidnisches Unkraut
emporschießt, kann ich mir ohne weiteres vorstellen. Ich sehe ja auch, was bei uns alles möglich
ist. – Kennt sich jemand da drüben aus und kann Näheres berichten?
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holzi
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Re: Re:

Beitrag von holzi »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Sachlich ist diese Unterstellung natürlich Unsinn. Daß freilich auch in Brasilien auf katholischem Boden neben allerhand Freikirchen, Pfingstlern etc. mittenmang auch neuheidnisches Unkraut emporschießt, kann ich mir ohne weiteres vorstellen. Ich sehe ja auch, was bei uns alles möglich ist. – Kennt sich jemand da drüben aus und kann Näheres berichten?
Na, dann will ich mal loslegen:

Ja Robert, gerade in Lateinamerika ist diese Unterstellung leider nicht so ganz unbegründet. Auf dem Boden Lateinamerikas wurde zwar einstmals katholisch gesät, aber die Saat dann in der Folgezeit nicht mehr anständig gepflegt und gejätet. Historisch gesehen haben sich die Spanier und Portugiesen jahrhundertelang begnügt, die Leute zu sakramentieren. In manche Gegenden kam der Pfarrer nur alle heilige Zeit, da wurde dann - oft noch am Bahnhof - getauft, gefirmt, und kommuniziert, dann zog der Pfarrer schon am nächsten Tag weiter und das war's dann meist für einige Jahre. Nur in den wenigen Städten konnte sich so etwas wie Seelsorge und Katechese entwickeln. Im weiten Hinterland war's - und ist's heute noch weitgehend - zappenduster. Da blüht der Aberglaube, der Synkretismus und die Sektiererei. Gerade im Nordosten gab es da Gestalten wie einersets der Ex-Pfarrer und Revoluzzer Antonio Conselheiro von Canudos oder andererseits der zeitweilig suspendierte und exkommunizierte Pfarrer und "Volksheilige" von Ceará, Padre Cícero. Da die offizielle Kirche bis heute nur wenig Präsenz in der Fläche zeigt, können solche charismatische Volks(ver)führer viel Einfluss gewinnen (frei nach dem bekannten russischen Sprichwort gilt hier: "Der Bischof ist mächtig, aber bis in die Stadt ist's weit").

Auch in den dichter und seit Jahrhunderten besiedelten Gebieten um Salvador de Bahia war es früher ausreichend, die schwarzen Sklaven nur zu taufen. Weitergehende Katechesen und Glaubensunterweisungen war selten. Entsprechend viel Einfluss behielt das aus Nigeria stammende Candomblé-Heidentum. Den Göttern wurden einfach katholische Heilige zugewiesen, so wurde die sich fortsetzende Vielgötterei lediglich äußerlich kaschiert. Diese Vorstellungen gelangten im Laufe der Zeit in weite Kreise der Bevölkerung und sitzen dort bis heute.

Ein weiterer Grund für die Schwäche der katholischen Kirche war schon die Vertreibung der für die Großgrundbesitzer und Sklavenjäger lästigen Jesuiten. Es war zu Beginn der Kolonialzeit nicht unüblich, dass sich die Kolonisten recht freizügig an den Frauen der Einheimischen und der Sklaven bedienten. (Ultra æquinoctialem non est peccatur). Da waren die Moralpredigten der Jesuiten natürlich lästig. Ausserdem forderten diese so etwas wie Menschenrechte für die "Wilden" und bauten in den Missionsstationen im heutigen Paraguay, Nordargentinien, Ostbolivien und Südbrasilien blühende Siedlungen, die für Sklavenjäger tabu waren und sich notfalls auch mit Waffengewalt zu verteidigen wussten. Die Latifundiarios und Sklavenjäger hatten Interesse an den Besitzungen (Land und Menschen) der Jesuiten und hatten gute Lobbyisten in Rom, Madrid und Lissabon und erreichten so, dass die Jesuiten vertrieben wurden und die Kirche sich auf die reine Sakramentenverwaltung in den Städten beschränkten musste und die Weiten des Hinterlands der Gnade der Latifundiarios überlassen mussten. Diese hielten sich gewöhnlich einen "Hauspfarrer", der sich aber nicht unterstehen durfte, zu viel Zeit mit den gewöhnlichen Leuten zu verbringen, da ja der Patrão/Patrón ihn schließlich bezahlt. Im Zuge der von Freimaurern getragenen Aufklärung im 18. Jhd. (Marquês de Pombal!) wurden die Klöster weitgehend enteignet und aufgelöst, weitere Wellen des Kirchenkampfes waren zu Beginn der Unabhängigkeit (viele Geistlich hielten noch zu Portugal) sowie zu Beginn der Republik (ca. 1890) und weiter bis in die jüngste Vergangenheit. Es wurde zwar der Schein der Religionsfreiheit gewahrt, aber de facto war die Kirche mehr oder weniger kaltgestellt.

Das war jetzt zwar etwas vereinfacht Schwarz-Weiss-Malerei, aber im Grunde eine Erklärung dafür, daß hier in diesem verwilderten katholischen Garten die Sekten wuchern, blühen und gedeihen. Wer nie von seinen Geistlichen zu Gebet, Bibellesung und Studium des Glauben angehalten wurde, sondern einfach - wenn überhaupt - ein paar mal im Jahr zur Messe und auch zu den Terreiros des Macumba oder die Casa Espírita der Kardecisten geht, der wird, wenn er die Botschaft Jesu von Protestanten und Sekten hört, ersteinmal überrascht sein und folglich die katholische Kirche dafür verantwortlich machen, dass sie die Botschaft von Jesus nicht lehrte, sondern irgendwelche Häresien verbreiten würde.

In den letzten Jahrzehnten hat die Kirche in Brasilien aber auch viel dazugelernt, die Pastoral wurde enorm gestärkt und es wird großer Wert auf die ordentliche Schulung von Katechisten und Gemeindeleitern gelegt. Überhaupt ist bei dem großen Priestermangel dort (Pfarreien mit 100.000 und mehr Katholiken sind nicht selten und in den großen Städten eher die Regel!) der Einsatz der Laien unerläßlich, will man nicht in die Fehler der vergangenen Zeit zurückfallen. Es gäbe dazu noch viel zu schreiben und noch viel mehr zu sagen, aber das würde einen eignen Strang erfordern, und selbst dann wären wohl noch viele Erklärungen und Anmerkungen notwendig.

Ich war übrigens am Rande der Bundesversammlung des Deutschen Kolpingwerks im Oktober 2008 in Essen in der Geschäftsstelle von Adveniat. Dort hat deren wissenschaftlicher Mitarbeiter, Herr Huhn, ein Historiker, uns, die wir mit Kolping internationale Projektarbeit betreiben, etliches an zusätzlichem Hintergrundwissen über die Lage der Kirche in Lateinamerika und deren historische Grundlagen vermittelt. Höchst interessant! Den Mann kann ich nur empfehlen. Er hält übrigens im Raum des Ruhrgebiets bis Köln und darum herum gerne Vorträge und Referate darüber, Anfragen über die Adveniat-Geschäftsstelle in Essen.

So, das war jetzt aber ein wenig ausführlicher als sonst, es muss aber sein, sonst versteht man die Hintergründe nicht.

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cantus planus
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von cantus planus »

Vielen Dank, lieber Holzi, für die sehr präzise und interessante Analyse. Ähnliches habe ich mal von einem Missionar aus Peru gehört, der zu Besuch bei mir war.

Freilich erschließt sich mir die Behauptung, der Katholizismus lehre keinen klaren Monotheismus, immer noch nicht, und ich bitte Lutheraner um eine Erklärung, da ich diesen Vorwurf als Katholik rundweg zurückweisen muss!
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Clemens
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Clemens »

Vielen Dank für die ausführliche, ehrliche und (für Dein katholisches Selbst)kritische Darstellung!

Mir, der sich tapfer bemüht, den antikatholischen Evangelikalen in meinem Einflussbereich deutlich zu machen, dass nicht alles Katholische schlecht ist, liegen solche Zustände wie in Brasilien von jeher sehr schwer im Magen und ich muss immer wieder betonen:
|: das ist nicht der wahre Katholizismus! :|

Aber nicht jeder glaubt mir das...

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Lutheraner
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Lutheraner »

Hallo Holzi,

danke für Deine ausführliche Antwort und auch ein Feliz Ano Novo (viel getrunken habe ich glücklichwerweise nicht, ich musste heute früh raus :-))
Ich war heute in der röm.-kath. Neujahrsmesse gewesen und der Pfarrer hat in seiner Predigt genau auf die von mir geschilderten Probleme hingewiesen, wobei er sie wohlwollender als ich als "Aberglaube" bezeichnete. (Ich muss auch sagen, dass ich in Brasilien in der RKK bislang noch keine schlechte Predigt gehört habe.)

Interessant und erschreckend finde ich immer wieder, dass diese Formen des "Aberglaubens" (nennen wir es halt so) nicht bei den Bevölkerungsschichten auftauchen, wo man damit rechnet, sondern auch bei der weissen, eher gebildeten, oberen Mittelschicht.

@cantus planus: Der Katholizismus ist meines Wisens die einzige monotheistische Religion, wo man nicht nur zu Gott, sondern auch zu anderen Verstorbenen beten (bzw. sie anrufen) kann. Wenn eine Religion zulässt, das man sich vor Statuen von Maria und den Heiligen stellt und zu ihnen beten kann, dann ist es weniger eine Frage der religiösen Bildung, als des kulturellen Hintergrundes, dass daraus ein verschleierter Polytheismus entsteht. Wie Holzi geschildert hat, hat man die Heiligen ja auch öfters verwendet um Menschen aus polytheistischem Hintergrund zu christianisieren und ihren Göttern röm.-kath. Heilige zuzuordnen (in Brasilien war das z.B. bei den Orishás der Fall, die Christianisierung wurde aber meinem Eindruck nach nie abgeschlossen, sondern es entstand eine Mischform).
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cantus planus
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von cantus planus »

Lutheraner hat geschrieben:@cantus planus: Der Katholizismus ist meines Wisens die einzige monotheistische Religion, wo man nicht nur zu Gott, sondern auch zu anderen Verstorbenen beten (bzw. sie anrufen) kann. Wenn eine Religion zulässt, das man sich vor Statuen von Maria und den Heiligen stellt und zu ihnen beten kann, dann ist es weniger eine Frage der religiösen Bildung, als des kulturellen Hintergrundes, dass daraus ein verschleierter Polytheismus entsteht. Wie Holzi geschildert hat, hat man die Heiligen ja auch öfters verwendet um Menschen aus polytheistischem Hintergrund zu christianisieren und ihren Göttern röm.-kath. Heilige zuzuordnen (in Brasilien war das z.B. bei den Orishás der Fall, die Christianisierung wurde aber meinem Eindruck nach nie abgeschlossen, sondern es entstand eine Mischform).
Lieber Lutheraner,
nun, diese Aussagen kann ich schon eher akzeptieren, da du ja selber schreibst, dass man Heilige anrufen kann - genauer: sie um Fürsprache bei Gott bitten kann. Die Kirche hat sich jedoch von jeder Form des Polytheismus immer sehr klar distanziert.
Das Problem einer mehr oder weniger geglückten Mission, dass du ansprichst, ist heute aktueller denn je. Ich kann deine Beobachtungen bezgl. merkwürdiger Mischformen nur bestätigen. Das Schlimme: auch hier im durch und durch christlich geprägten Abendland nimmt die Esoterik und der Aberglaube in beängstigendem Ausmaß auch unter Christen zu. Die Bereitschaft, den Glauben mit Einflüssen vollkommen unchristlicher Praktiken zu "ergänzen", ist heute so groß wie schon seit langem nicht mehr. Und auch hier habe ich beobachtet, dass sich oft gebildete und aufgeklärte junge Leute zu Vorstellungen hinreißen lassen, die nüchtern betrachtet jeder Logik Hohn sprechen. Manchmal kommt es einem vor, als seien wir in die Zeit vor dem Heiligen Bonifatius zurückgefallen.
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holzi
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von holzi »

Nachtrag: hab noch einen Onlineartikel zum Thema gefunden: http://brasilien.de/geschichte/allgemei ... e/reli.asp

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Esperanto
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Esperanto »

Und woher kommt das alles, der Erfolg von Esoterik und Geisterbeschwörung? Man will eben seine Wünsche erfüllt haben, die Heiligen, Orixás oder ätherischen Wesen haben eben dafür zu sorgen - ob das jetzt eigentlich gut oder schlecht für die persönliche Heiligung und Reifung ist, interessiert gar nicht.

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Sebastian
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Sebastian »

Esperanto hat geschrieben:Und woher kommt das alles, der Erfolg von Esoterik und Geisterbeschwörung? Man will eben seine Wünsche erfüllt haben, die Heiligen, Orixás oder ätherischen Wesen haben eben dafür zu sorgen - ob das jetzt eigentlich gut oder schlecht für die persönliche Heiligung und Reifung ist, interessiert gar nicht.
Redest Du jetzt eigentlich vom "christlichen Abendland", oder Südamerika? Ist eigentlich auch egal, denn, wie Du es selbst Dir beantwortest, in beiden Fällen geht es um die Befriedigung der eigenen Leidenschaften und nicht um deren Bekämpfung.
Denn ob es nun vom Schamanentum ausgeht oder von sonstigem eingeschleppten fernöstlichen Dreck, gepflegt werden die (Seelen)Krankheiten unter dem Deckmantel der Religiösität und somit erfährt das Verlangen nach übermäßigem Wohlstand, Vollerei, Unzucht usw. auch seine pseudoreligiöse Rechtfertigung.
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

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Esperanto
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Esperanto »

Sebastian hat geschrieben:
Esperanto hat geschrieben:Und woher kommt das alles, der Erfolg von Esoterik und Geisterbeschwörung? Man will eben seine Wünsche erfüllt haben, die Heiligen, Orixás oder ätherischen Wesen haben eben dafür zu sorgen - ob das jetzt eigentlich gut oder schlecht für die persönliche Heiligung und Reifung ist, interessiert gar nicht.
Redest Du jetzt eigentlich vom "christlichen Abendland", oder Südamerika? Ist eigentlich auch egal, denn, wie Du es selbst Dir beantwortest, in beiden Fällen geht es um die Befriedigung der eigenen Leidenschaften und nicht um deren Bekämpfung.
Denn ob es nun vom Schamanentum ausgeht oder von sonstigem eingeschleppten fernöstlichen Dreck, gepflegt werden die (Seelen)Krankheiten unter dem Deckmantel der Religiösität und somit erfährt das Verlangen nach übermäßigem Wohlstand, Vollerei, Unzucht usw. auch seine pseudoreligiöse Rechtfertigung.

Ja, es ist primitive Magie, aber keine ethische Hochreligion. Deswegen soll man ja immer dazubeten "dein Wille geschehe".

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incarnata
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von incarnata »

Habe gestern eine Sendung"Breitengrad" im BR2 gehört;da ging es um den korrumpierenden Einfluss von Drogenhändler-und Schmugglerbanden auf ganze Städte und Landstriche in Mexico,die ihrerseits wieder religiöse Praktiken in der Verehrung einer Art Robin-Hood Figur aus dem 19. Jahrhundert betreiben.Diesem "Heiligen" werden in seiner "Kapelle" bei gut gehenden Drogengeschäften grösere Beträge geopfert ,durch die dann wieder Arme unterstützt werden.Erfolgreicher Drogenhandel gilt als gute Karriere;Priester und Ärzte,die nicht "mitspielen" indem sie zumindest den Mund halten schweben praktisch ständig in Lebensgefahr;die Polizei ist machtlos oder selbst korrumpiert.Die meisten Beteiligten an dem "Spiel" halten sich dennoch für gut katholisch.
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

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Lutheraner
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Re: Re:

Beitrag von Lutheraner »

holzi hat geschrieben:Das war jetzt zwar etwas vereinfacht Schwarz-Weiss-Malerei, aber im Grunde eine Erklärung dafür, daß hier in diesem verwilderten katholischen Garten die Sekten wuchern, blühen und gedeihen. Wer nie von seinen Geistlichen zu Gebet, Bibellesung und Studium des Glauben angehalten wurde, sondern einfach - wenn überhaupt - ein paar mal im Jahr zur Messe und auch zu den Terreiros des Macumba oder die Casa Espírita der Kardecisten geht, der wird, wenn er die Botschaft Jesu von Protestanten und Sekten hört, ersteinmal überrascht sein und folglich die katholische Kirche dafür verantwortlich machen, dass sie die Botschaft von Jesus nicht lehrte, sondern irgendwelche Häresien verbreiten würde.
Die Frage ist, was man unter Häresien versteht. Als Hauptprobleme sehe ich zwei Punkte: die Duldung der Volksfrömmigkeit (als ausgeprägte Werkgerechtigkeit) und den Synkretismus. Die Brasilianer machen Gelübde, wo ein Protestant entsetzt ist und hoffentlich auch einem mitteleuropäischen Katholiken ein paar Haare zu Berge stehen. Das ist oft übelste Werkgerechtigkeit und die erfolgreichsten Pfingstsekten leben davon, das sie Werkgerechtigkeit predigen: Die Botschaft der IURD lautet doch: Gib uns Dein Geld und Gott erlöst Dich. Sie düngen erfolgreich der Pflänzchen der Werkgerechtigkeit, das die röm.-kath. Kirche toleriert oder vielleicht auch gepflanzt hat. Dann kommt noch dazu, dass der brasilianische Katholik oft nicht nur Katholik ist, sondern auch noch "irgendwie" anderen Religionen anhängt. Ich spreche hier nicht von Leuten, die am Ende der Welt leben und selten einen Priester zu Gesicht kriegen, sondern von Menschen, die mit ihren Vorfahren eigentlich seit Jahrhunderten röm.-kath. sozialisiert sind (siehe den Ausgangsbeitrag dieses Threads). Mit katholischem Grundwissen und ein bisschen candomblé oder Umbanda oder ähnlichem spricht einem doch die Lehre der Pfingstler gut an, die sich auch oft darauf spezialisiert haben mit einem Exorzismus die bösen Macumba-Geister auszutreiben.
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Lutheraner hat geschrieben:An Silvester bringt man hier der Meeresgöttin Iemanjá Gaben dar.
Ich habe mal Brasilianer gefragt. Diese meinen, es handelt sich nicht um eine Göttin, sondern eine Marienerscheinung.

Ist das Polytheismus?

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holzi
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von holzi »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:An Silvester bringt man hier der Meeresgöttin Iemanjá Gaben dar.
Ich habe mal Brasilianer gefragt. Diese meinen, es handelt sich nicht um eine Göttin, sondern eine Marienerscheinung.

Ist das Polytheismus?
Ja, so wie in Amsterdam und Medjugorje.

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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Christ86 »

holzi hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:An Silvester bringt man hier der Meeresgöttin Iemanjá Gaben dar.
Ich habe mal Brasilianer gefragt. Diese meinen, es handelt sich nicht um eine Göttin, sondern eine Marienerscheinung.

Ist das Polytheismus?
Ja, so wie in Amsterdam und Medjugorje.
Bravo! :klatsch: Wenn man den Christus-Bezug und die Tradition ausser Acht lässt, dann kann eine übersteigerte Marienfrömmigkeit (auch wenn die Mutter des Herrn natürlich verehrt werden soll) zu einer Art Polytheismus verkommen
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von cantus planus »

Christ86 hat geschrieben:
holzi hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:An Silvester bringt man hier der Meeresgöttin Iemanjá Gaben dar.
Ich habe mal Brasilianer gefragt. Diese meinen, es handelt sich nicht um eine Göttin, sondern eine Marienerscheinung.

Ist das Polytheismus?
Ja, so wie in Amsterdam und Medjugorje.
Bravo! :klatsch: Wenn man den Christus-Bezug und die Tradition ausser Acht lässt, dann kann eine übersteigerte Marienfrömmigkeit (auch wenn die Mutter des Herrn natürlich verehrt werden soll) zu einer Art Polytheismus verkommen
Natürlich. Das ist gerade in Amsterdam klar geschehen. Ich habe das aber in einer meiner Dienstpfarreien in der Erstkommunionsvorbereitung auch schon erlebt. Eine Dame der Legio Mariens hat sich in ihrem Eifer so fortreißen lassen, dass sie Dinge gesagt hat, die mir die Ohren haben klingeln lassen - und ich mich zum Einschreiten genötigt sah.

Abgesehen von einem sehr unguten pädagogischen Ansatz: "Die Gottesmutter war eine sehr ordentliche und reinliche Frau. Deshalb freut sie sich, wenn wir unser Zimmer immer schön aufräumen." :vogel: :patsch:

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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Christ86 »

cantus planus hat geschrieben:
Christ86 hat geschrieben:
holzi hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:An Silvester bringt man hier der Meeresgöttin Iemanjá Gaben dar.
Ich habe mal Brasilianer gefragt. Diese meinen, es handelt sich nicht um eine Göttin, sondern eine Marienerscheinung.

Ist das Polytheismus?
Ja, so wie in Amsterdam und Medjugorje.
Bravo! :klatsch: Wenn man den Christus-Bezug und die Tradition ausser Acht lässt, dann kann eine übersteigerte Marienfrömmigkeit (auch wenn die Mutter des Herrn natürlich verehrt werden soll) zu einer Art Polytheismus verkommen
Natürlich. Das ist gerade in Amsterdam klar geschehen. Ich habe das aber in einer meiner Dienstpfarreien in der Erstkommunionsvorbereitung auch schon erlebt. Eine Dame der Legio Mariens hat sich in ihrem Eifer so fortreißen lassen, dass sie Dinge gesagt hat, die mir die Ohren haben klingeln lassen - und ich mich zum Einschreiten genötigt sah.
Was hat die Eifrige denn gesagt?
cantus planus hat geschrieben:Abgesehen von einem sehr unguten pädagogischen Ansatz: "Die Gottesmutter war eine sehr ordentliche und reinliche Frau. Deshalb freut sie sich, wenn wir unser Zimmer immer schön aufräumen." :vogel: :patsch:


Wenn das wahr wäre, müssten in meiner Wohnung Dämonen hausen.
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Lutheraner »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:An Silvester bringt man hier der Meeresgöttin Iemanjá Gaben dar.
Ich habe mal Brasilianer gefragt. Diese meinen, es handelt sich nicht um eine Göttin, sondern eine Marienerscheinung.
Auf den kleinen Booten, die an Silvester ins Meer ausgesetzt werden, befinden sich oft Statuen von Jesus und Iemanjá (die wirklich ein bisschen wie Maria aussieht, aber mehr von einer Göttin hat). Das ist wohl schief gelaufener Synkretismus, der in diesem Fall auch klar außerhalb der Katholischen Kirche steht, in ähnlicher Form aber auch in ihr existiert:

Bild

(Diese Statuen wurden von einer Katholischen Kirchengemeinde in Ipanema/Rio aufgestellt).
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Auch Frömmigkeitsformen in Europa haben oft heidnische Formen integriert und christianisiert. Ich sehe da jetzt nicht so das grosse Problem. Viel wichtiger ist doch, wie es theologisch verstanden wird.

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cantus planus
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von cantus planus »

Christ86 hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:
Christ86 hat geschrieben:Bravo! :klatsch: Wenn man den Christus-Bezug und die Tradition ausser Acht lässt, dann kann eine übersteigerte Marienfrömmigkeit (auch wenn die Mutter des Herrn natürlich verehrt werden soll) zu einer Art Polytheismus verkommen
Natürlich. Das ist gerade in Amsterdam klar geschehen. Ich habe das aber in einer meiner Dienstpfarreien in der Erstkommunionsvorbereitung auch schon erlebt. Eine Dame der Legio Mariens hat sich in ihrem Eifer so fortreißen lassen, dass sie Dinge gesagt hat, die mir die Ohren haben klingeln lassen - und ich mich zum Einschreiten genötigt sah.
Was hat die Eifrige denn gesagt?
Ich kann es leider nicht mehr vollständig wiedergeben. Aber inhaltlich ging es in eine Richtung, die Christus und damit Gottvater keinen Handlungsspielraum ohne Zustimmung der Gottesmutter gegeben hätte. Hier wurde die Gottesmutter zur Erlöserin, und Christus zum Miterlöser. Den Rest habe ich oben schon angedeutet. Da war viel esoterische Volksfrömmigkeit mit drin, die so nicht stehenbleiben konnte. Außerdem habe ich eine Allergie dagegen, etwas in Heilige hinzuinterpretieren, was wir so nicht wissen können. Wie es in der Küche des Hauses Davids aussah, wissen wir einfach nicht. Diese Kaffeesatzleserei und Moralisiererei kann dem Kindesglauben schweren Schaden zufügen, wenn das Kind dahinterkommt, dass nichts davon belegbar ist, was da behauptet wird.
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Christ86 »

Lutheraner hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:An Silvester bringt man hier der Meeresgöttin Iemanjá Gaben dar.
Ich habe mal Brasilianer gefragt. Diese meinen, es handelt sich nicht um eine Göttin, sondern eine Marienerscheinung.
Auf den kleinen Booten, die an Silvester ins Meer ausgesetzt werden, befinden sich oft Statuen von Jesus und Iemanjá (die wirklich ein bisschen wie Maria aussieht, aber mehr von einer Göttin hat). Das ist wohl schief gelaufener Synkretismus, der in diesem Fall auch klar außerhalb der Katholischen Kirche steht, in ähnlicher Form aber auch in ihr existiert:

Bild

(Diese Statuen wurden von einer Katholischen Kirchengemeinde in Ipanema/Rio aufgestellt).
Potz Katzen grauset, also das hat wirklich nichts mehr mit der Mutter des Herrn zu tun, siehe hier ein Bild dieser Iemanjá

Bild

:auweia: Wenn das eine Marienerscheinung gewesen sein soll, dann fress ich einen Besen 8)
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Christ86
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Christ86 »

cantus planus hat geschrieben:
Christ86 hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:
Christ86 hat geschrieben:Bravo! :klatsch: Wenn man den Christus-Bezug und die Tradition ausser Acht lässt, dann kann eine übersteigerte Marienfrömmigkeit (auch wenn die Mutter des Herrn natürlich verehrt werden soll) zu einer Art Polytheismus verkommen
Natürlich. Das ist gerade in Amsterdam klar geschehen. Ich habe das aber in einer meiner Dienstpfarreien in der Erstkommunionsvorbereitung auch schon erlebt. Eine Dame der Legio Mariens hat sich in ihrem Eifer so fortreißen lassen, dass sie Dinge gesagt hat, die mir die Ohren haben klingeln lassen - und ich mich zum Einschreiten genötigt sah.
Was hat die Eifrige denn gesagt?
Ich kann es leider nicht mehr vollständig wiedergeben. Aber inhaltlich ging es in eine Richtung, die Christus und damit Gottvater keinen Handlungsspielraum ohne Zustimmung der Gottesmutter gegeben hätte. Hier wurde die Gottesmutter zur Erlöserin, und Christus zum Miterlöser.
:nein: Solcher Humbug ist gefährlich. Schlimm, wenn Dergleichen bei der Erstkommunionsvorbereitung verbreitet wird.
cantus planus hat geschrieben: Den Rest habe ich oben schon angedeutet. Da war viel esoterische Volksfrömmigkeit mit drin, die so nicht stehenbleiben konnte. Außerdem habe ich eine Allergie dagegen, etwas in Heilige hinzuinterpretieren, was wir so nicht wissen können. Wie es in der Küche des Hauses Davids aussah, wissen wir einfach nicht. Diese Kaffeesatzleserei und Moralisiererei kann dem Kindesglauben schweren Schaden zufügen, wenn das Kind dahinterkommt, dass nichts davon belegbar ist, was da behauptet wird.
Sehr richtig.
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holzi
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von holzi »

Christ86 hat geschrieben:Potz Katzen grauset, also das hat wirklich nichts mehr mit der Mutter des Herrn zu tun, siehe hier ein Bild dieser Iemanjá

Bild

:auweia: Wenn das eine Marienerscheinung gewesen sein soll, dann fress ich einen Besen 8)
Iemanjá wird oft auch so dargestellt:

Das lässt sich so schon viel leichter verwechseln!

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Sempre
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Sempre »

Lutheraner hat geschrieben:Das ist wohl schief gelaufener Synkretismus, der in diesem Fall auch klar außerhalb der Katholischen Kirche steht, in ähnlicher Form aber auch in ihr existiert:

Bild

(Diese Statuen wurden von einer Katholischen Kirchengemeinde in Ipanema/Rio aufgestellt).
Könntest Du bitte angeben, was auf dem Bild zu sehen und was daran "schief gelaufener Synkretismus in der Kirche" ist?

Gruß
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cantus planus
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von cantus planus »

Naja, so wie es dort zu sehen ist, riecht es schon nach Zweifaltigkeit... Aber das ist sicherlich Interpretationssache.
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Sempre
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Sempre »

Ich habe ein Foto gefunden, auf dem man die Figuren etwas besser erkennen kann:

Bild

Es handelt sich um (hier recht typische) Herz Jesu und Herz Mariä Figuren.

In Rio de Janeiro gibt es eine Kongregation von den Heiligsten Herzen (Congregatio Sacrorum Cordium Jesu et Mariae necnon adorationis perpetuae Sanctissimi Sacramenti Altaris, SS.CC.; Congregação dos Sagrados Corações) sowie auch gleichnamige Kapelle, Kirche, Klinik, Pfarrei u.a.m.

http://www.ssccpicpus.com/
http://www.sscc.de/ (Arnsteiner Patres)
Arnsteiner Patres hat geschrieben: Suggeriert die Parallelität »Heiligste Herzen Jesu und Mariens« nicht eine Gleichstellung des Gottessohnes mit einem Menschen? Und ist eine solche Heraushebung Mariens für eine monotheistische Religion wie das Christentum nicht problematisch?

In der Tat, die Nennung der beiden Herzen Jesu und Mariens im Namen der Gemeinschaft legt auf den ersten Blick auch eine Gleichstellung nahe. Das ist – und war, so weit ich die Geschichte unserer Gemeinschaft kenne – aber nicht so gemeint. »Wir betrachten, leben und verkünden die gekreuzigte Liebe Gottes«, so formuliert unsere Ordensregel die Sendung der Gemeinschaft. Die gekreuzigte Liebe Gottes: Das ist Jesus mit seinem Leben und seiner Botschaft, mit seinem Tod und seiner Auferstehung. Und weiter heißt es im ersten Kapitel der Ordensregel: »Maria war in einzigartiger Weise mit diesem Geheimnis des menschgewordenen Gottes und seinem Erlösungswerk verbunden: Das kommt in der Einheit des Herzens Jesu mit dem Herzen Mariens zum Ausdruck.« Bildlich dargestellt ist diese enge Verbindung in der 13. Station des von Peter Hecker 1933 geschaffenen Kreuzwegs in der Arnsteiner Klosterkirche: Maria hält den toten Jesus im Arm, und ihre beiden Gesichter bilden ein einziges. Aber trotz dieser Nähe und dieser Einheit ist und bleibt Maria Mensch und ist nicht Teil des dreifaltigen Gottes. In unserer Ordensgemeinschaft wird sie als Schutzherrin verehrt. Sie ist uns Vorbild im Glauben an die Liebe Gottes und Mitpilgerin auf unserem Weg in der Nachfolge Jesu.
Immer mal wieder ruft in Rio irgendein Sektenprediger laut "Haumichblau!", indem er öffentlich eine Marienfigur kaputt macht. Oft finden sich Freiwillige, die weniger um ihr eigenes Heil als um das des Irrenden besorgt sind, und lassen seinen Ruf nicht unerhört verhallen.

Hier weitere Bilder aus der Paróquia dos Sagrados Corações:

BildBild

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Re: Re:

Beitrag von Sempre »

@holzi
Zu den von Dir (im Januar) genannten Problemen kommen weitere hinzu, von denen ich folgendes hervorheben möchte:

Ein offensichtlicher Unterschied zwischen der Kirche und den Sekten in Brasilien besteht darin, dass die Sekten mit individuellen irdischen Heilsversprechen aufwarten, während die Kirche kollektive irdische Heilsversprechen dagegenhält.

Zum Beispiel verkündet die hiesige Diözesanjugend jüngst zum Nationalen Tag der Jugend, dass [wir] `einen neuen Himmel und eine neue Erde' [Offb. 21,1] konstruieren werden: eine Zivilisation der Liebe. Der Erzbischof unterstützt dies. Er selbst formuliert -wie immer- natürlich weniger angreifbar. (Das ist seine Spezialität. Er überlässt dem Domvikar die Leugnung der Tatsächlichkeit der Auferstehung.)

Die Kirche stellt sich im wesentlichen als Erfüllungsgehilfin politischer Heilspropagandisten dar. Die Gesundheitspastoral z.B. sieht ihre Aufgabe darin, im Gesundheitswesen das Reich Gottes auf Erden zu realisieren. (O-Ton: A Pastoral da Saúde tem como propósito uma atuação de envolvimento evangélico para que o Reino de Deus seja uma realidade no setor da saúde.)

Gruß
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Re: Probleme des lateinamerikanischen Katholizismus

Beitrag von Sempre »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:An Silvester bringt man hier der Meeresgöttin Iemanjá Gaben dar.
Ich habe mal Brasilianer gefragt. Diese meinen, es handelt sich nicht um eine Göttin, sondern eine Marienerscheinung.
Marienerscheinung? Haben die selbst eine Erscheinung gehabt?

Silvester wird von sehr vielen Brasilianern am Strand gefeiert. Silvester fällt in die Zeit der Sommerferien und da ist auch für viele Leute aus dem Landesinneren Strandurlaub angesagt.

Es ist mehr oder weniger Brauch unter Teilen der Bevölkerung, (typischerweise wenigstens angeheitert) zur Jahreswende über sieben Wellen zu springen. Das soll Glück bringen. Gelegentlich werden auch Gaben auf Styropor auf die Wellen gestellt. Meist wird das etwa so ernst genommen wie das in Europa übliche Bleigießen.

Nicht wenige Brasilianer lehnen das -ebenso wie den Carnaval- ab. Ihnen geht die unzivilisierte Afro- und Indiokultur auf den Zünder, die im brasilianischen Alltag eigentlich keine Rolle spielt und der Welt eine Pagageien-Affen-Urwald-Romantik präsentiert, die das Land in ein falsches Licht stellt. Kommt der Papst nach Brasilien, wird ihm die Kultur einer kleinen Minderheit vorgesetzt, und nicht einmal wirklich die, sondern eine versão disneilándia davon.

Abgesehen von den wenigen ernsthaften Umbandisten und Candomblisten hat man eine esoterische Szene wie in Europa auch, die sich für Iemanjá et. al. interessiert. Die Iemanjá-Darstellung, die hier gepostet wurde, dürfte wohl aus Kifferkreisen stammen. Ansonsten sieht das eher so aus:


(größer)


Katholiken und Umbandisten feiern an demselben Tag Nossa Senhora dos Navegantes (Unsere Liebe Frau der Seefahrer) respektive Iemanjá. Die katholische Prozession und das Spektakel der Umbandisten finden an unterschiedlichen Orten statt.

Gruß
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holzi
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Re: Re:

Beitrag von holzi »

Sempre hat geschrieben:Ein offensichtlicher Unterschied zwischen der Kirche und den Sekten in Brasilien besteht darin, dass die Sekten mit individuellen irdischen Heilsversprechen aufwarten, während die Kirche kollektive irdische Heilsversprechen dagegenhält.
Ja, die "gute alte" Befreiungstheologie ist noch immer nicht totzukriegen.
Sempre hat geschrieben:Zum Beispiel verkündet die hiesige Diözesanjugend jüngst zum Nationalen Tag der Jugend, dass [wir] `einen neuen Himmel und eine neue Erde' [Offb. 21,1] konstruieren werden: eine Zivilisation der Liebe. Der Erzbischof unterstützt dies. Er selbst formuliert -wie immer- natürlich weniger angreifbar. (Das ist seine Spezialität. Er überlässt dem Domvikar die Leugnung der Tatsächlichkeit der Auferstehung.)
:auweia: - Autsch!
Sempre hat geschrieben:Die Kirche stellt sich im wesentlichen als Erfüllungsgehilfin politischer Heilspropagandisten dar. Die Gesundheitspastoral z.B. sieht ihre Aufgabe darin, im Gesundheitswesen das Reich Gottes auf Erden zu realisieren. (O-Ton: A Pastoral da Saúde tem como propósito uma atuação de envolvimento evangélico para que o Reino de Deus seja uma realidade no setor da saúde.)
Naja, sooo schlimm finde ich es nun nicht, dem Auftrag Jesu nachzukommen, sich um Arme, Alte und Kranke zu kümmern. Er sagt ja auch in Mt 25,40: "Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Die christliche Gesellschaft lebte jahrhundertelang vom selbstlosen Dienst der Freiwilligen, in Krankenhäusern und Spitälen, in der Armenfürsorge etc.
Klar besteht hier die Gefahr, sich im rein weltlichen Aktionismus zu verstricken, und mag er noch so wertvoll für die Gesellschaft und die Mitmenschen sein und das geistliche Leben zu vernachlässigen. Andererseits sehe ich hier auch das gesunde Gegengewicht zu den charismatischen Gruppen, die - gerade auch in Brasilien, wie ich selbst feststellen durfte - sich auf das bloße Beten beschränken, auch wenn mal tatkräftige Hilfe angesagt wäre.

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