Ein interessanter Aufsatz über die Phänomenologin Hedwig Conrad-Martius:
Gedankengänge einer Philosophin
Realontologie
- Robert Ketelhohn
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Re: Realontologie
Da hab’ ich doch eben glatt „Hedwig Courths-Mahler“ gelesen …
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
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Re: Realontologie
Soll ick Dir 'ne neue Brille koofen?Robert Ketelhohn hat geschrieben:Da hab’ ich doch eben glatt „Hedwig Courths-Mahler“ gelesen …

Re: Realontologie
Hast du das gelesen, dich damit auseinandergesetzt und eine Meinung dazu oder knallst du das einfach mal unkritisch so dahin, damit das andere tun?Raphael hat geschrieben:Ein interessanter Aufsatz über die Phänomenologin Hedwig Conrad-Martius:
Gedankengänge einer Philosophin
Re: Realontologie
Ja!overkott hat geschrieben:Hast du das gelesen,
Das geschieht meistens während des Lesens. Bei Dir nicht?overkott hat geschrieben: dich damit auseinandergesetzt
Noch keine endgültige!overkott hat geschrieben:und eine Meinung dazu
Ich fand, das paßt ganz gut zur Diskussion im Kanzel-Bereich, ist aber nicht theologisch genug ..............overkott hat geschrieben:oder knallst du das einfach mal unkritisch so dahin, damit das andere tun?
Re: Realontologie
Ein kleiner (aber wesentlicher) Auschnitt aus den "Gedankengängen einer Philosophin":
Hedwig Conrad-Martius lehnt die Ansicht Kantens, nachdem alle Anschauung im Raum und der Zeit gegeben sei und dass wir das Ding an sich nicht erkennen können und das demzufolge als ignotum X unerkannt liegen bleibt, ab.
Hedwig Conrad-Martius und mit ihr die frühen Phänomenologen hingegen verstehen die Rückkehr zur Ontologie als einzig möglichen Weg, alle, auch die bewusstseinstranszendenten Entitäten der Welt, zu erforschen.
Conrad-Martius erforscht in dieser Rückbesinnung zur Ontologie den Seinsstatus der realen Welt - sie begründet damit eine Ontologie, die den Grundstein ihrer Naturphilosophie dadurch bildet, dass sie die Naturentitäten als reale Entitäten aufweist.
Re: Realontologie
Ein Schnipsel über CM mit vielen Fragezeichen. 1. Stimmen die behaupteten Feststellungen? 2. Wie versteht Kant Anschauung - anders als Bonaventura: also nur optisch sichtbar oder auch unsichtbar geistig? 3. Was meint er mit alle? 4. Und wie versteht er Zeit und Raum? Meint er, dass etwas Unbegrenztes in etwas Begrenztem sein kann? Oder ist für ihn Zeit = Ewigkeit und Raum = Unendlichkeit? Hält Kant es für möglich, das Wesentliche einer Sache anhand von Formelementen zu erkennen? Ist die Sache in sich eine schwarze Kiste, deren Inhalt wir aus Input und Output erschließen, also durch Vorurteil und Nachurteil? Ich glaube, dass CM mit der Gleichsetzung von natürlich und real den common sense im Wesentlichen verstanden und (wenn auch kompliziert) ausgedrückt hat.Raphael hat geschrieben:Ein kleiner (aber wesentlicher) Auschnitt aus den "Gedankengängen einer Philosophin":Hedwig Conrad-Martius lehnt die Ansicht Kantens, nachdem alle Anschauung im Raum und der Zeit gegeben sei und dass wir das Ding an sich nicht erkennen können und das demzufolge als ignotum X unerkannt liegen bleibt, ab.
Hedwig Conrad-Martius und mit ihr die frühen Phänomenologen hingegen verstehen die Rückkehr zur Ontologie als einzig möglichen Weg, alle, auch die bewusstseinstranszendenten Entitäten der Welt, zu erforschen.
Conrad-Martius erforscht in dieser Rückbesinnung zur Ontologie den Seinsstatus der realen Welt - sie begründet damit eine Ontologie, die den Grundstein ihrer Naturphilosophie dadurch bildet, dass sie die Naturentitäten als reale Entitäten aufweist.
Re: Realontologie
Alles fängt klein an ...........overkott hat geschrieben:Ein Schnipsel über CM mit vielen Fragezeichen.
Soll das eine Frage nach der Wahrheit sein?overkott hat geschrieben:1. Stimmen die behaupteten Feststellungen?
overkott hat geschrieben:2. Wie versteht Kant Anschauung - anders als Bonaventura: also nur optisch sichtbar oder auch unsichtbar geistig?
(Quelle)Neu in diesem Denken [gemeint ist das Denken Kants] ist, dass er nicht das Bewusstsein von den Gegenständen, sondern die Gegenstände von der apriorischen Struktur des Bewusstseins abhängig dachte: Die Erkenntnis erfasse niemals »Dinge an sich«, sondern nur Erscheinungen, welche einzig in den vor der Erfahrung liegenden und diese erst ermöglichenden Formen zugänglich sind, die der Verstand an sie heranträgt. Zu den apriorischen Erkenntnisformen rechnet er die Anschauungsformen von Raum und Zeit und die reinen Verstandesbegriffe der Kategorien (Quantität, Qualität, Relation, Modalität). Im Unterschied zu den Verstandesbegriffen haben die Ideen (Gott, Seele, Welt, Freiheit, Unsterblichkeit, absolute Persönlichkeit) als Vernunftbegriffe oder »Postulate der praktischen Vernunft« keine »konstitutive« (gegenstandsetzende), sondern nur »regulative« (richtunggebende) Bedeutung und ordnen als solche lediglich die Erfahrung.
siehe oben!overkott hat geschrieben:3. Was meint er mit alle?
Sonst würde es wohl kaum wissenschaftlich akzeptiert werden, schließlich will auch die Intellektualität des Lesers befriediegt werden.overkott hat geschrieben:4. Und wie versteht er Zeit und Raum? Meint er, dass etwas Unbegrenztes in etwas Begrenztem sein kann? Oder ist für ihn Zeit = Ewigkeit und Raum = Unendlichkeit? Hält Kant es für möglich, das Wesentliche einer Sache anhand von Formelementen zu erkennen? Ist die Sache in sich eine schwarze Kiste, deren Inhalt wir aus Input und Output erschließen, also durch Vorurteil und Nachurteil? Ich glaube, dass CM mit der Gleichsetzung von natürlich und real den common sense im Wesentlichen verstanden und (wenn auch kompliziert) ausgedrückt hat.
Problematisch wird es dann, wenn man sich auf seine Intellektualität etwas einbildet und meint, daß alleine durch komplizierte Wortwolken der Anschein von Intellektualität erweckt werden kann.
Re: Realontologie
Aber der common sense ist auch so eine Sache. Die meisten kennen sich mit den Definitionen nicht so aus, haben sich nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Beispiel: Raum und Zeit. Da gibt es zu Kant jedenfalls noch Erläuterungsbedarf. Beispiel: natürlich und real. Auch da besagt die Gleichsetzung schöpfungstheologisch zunächst nicht viel. Die meisten würden wahrscheinlich den Satz "Gott ist nicht real." nicht verstehen. Sie würden ihn vielleicht für eine Gottesleugnung halten, obwohl dies nicht der Fall ist. Denn der Schöpfer ist nicht geschaffen, die Übernatur nicht natürlich, die Ursache nicht wirklich, das Ideal nicht real. Gleichwohl gibt es zweifellos den schon viel genannten Zusammenhang, also die Kohärenz. Da wir die Realität nicht ohne das Ideal verstehen können, an dem wir sie messen, können wir die Schöpfung auch nicht ohne den Schöpfer verstehen.Raphael hat geschrieben:Sonst würde es wohl kaum wissenschaftlich akzeptiert werden, schließlich will auch die Intellektualität des Lesers befriediegt werden.overkott hat geschrieben:4. Und wie versteht er Zeit und Raum? Meint er, dass etwas Unbegrenztes in etwas Begrenztem sein kann? Oder ist für ihn Zeit = Ewigkeit und Raum = Unendlichkeit? Hält Kant es für möglich, das Wesentliche einer Sache anhand von Formelementen zu erkennen? Ist die Sache in sich eine schwarze Kiste, deren Inhalt wir aus Input und Output erschließen, also durch Vorurteil und Nachurteil? Ich glaube, dass CM mit der Gleichsetzung von natürlich und real den common sense im Wesentlichen verstanden und (wenn auch kompliziert) ausgedrückt hat.
Problematisch wird es dann, wenn man sich auf seine Intellektualität etwas einbildet und meint, daß alleine durch komplizierte Wortwolken der Anschein von Intellektualität erweckt werden kann.
Re: Realontologie
Nun, ich bin der letzte, der für eine schrankenlose Herrschaft des common sense argumentieren würde.overkott hat geschrieben:Aber der common sense ist auch so eine Sache.
Nichtsdestoweniger gibt es in der Tat Dinge, die man durch den common sense regeln lassen kann.
Wichtig jedoch ist in diesem Zusammenhang die Kategorie des Heiligen:
Diese Kategorie muß bis auf's Blut verteidigt werden!
(Bei der Rezeption bitte den Pathos außen vor lassen, denn die Anmerkung ist nüchterner gemeint als sie klingt.)
Ich finde es da viel spannender, daß er den Ideen keine konstitutive Bedeutung beimessen möchte. Wer sich antiplatonisch so weit aus dem Fenster lehnt, muß sich nicht wundern, wenn es unversehens auschließlich auf sein materialistisches Dasein verwiesen wird.overkott hat geschrieben:Die meisten kennen sich mit den Definitionen nicht so aus, haben sich nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Beispiel: Raum und Zeit. Da gibt es zu Kant jedenfalls noch Erläuterungsbedarf.
Bei letzterem Begriff ist man doch eigentlich verpflichtet, den gesamten Universalienstreit der Scholastik mitzudenken.overkott hat geschrieben:Beispiel: natürlich und real.
An dieser Stelle hat eben die von der Aufklärung so hoch gelobte Rationalität einen Aussetzer, weil sie nicht versteht, daß mit der Gottesebenbildlichkeit des Menschen keine Identität geglaubt wird.overkott hat geschrieben:Auch da besagt die Gleichsetzung schöpfungstheologisch zunächst nicht viel. Die meisten würden wahrscheinlich den Satz "Gott ist nicht real." nicht verstehen. Sie würden ihn vielleicht für eine Gottesleugnung halten, obwohl dies nicht der Fall ist. Denn der Schöpfer ist nicht geschaffen, die Übernatur nicht natürlich, die Ursache nicht wirklich, das Ideal nicht real.
Die weithin verbreitete Rezeption der Aufklärung verkennt, daß es sich um eine Form der Apotheose handelte, was dort in den geistigen Gefilden der Aufklärung stattfand.
Schlimmer ist, wenn das Geschöpf meint, weil es die Schöpfung ausloten kann, sei der Schöpfer verzichtbar!overkott hat geschrieben:Gleichwohl gibt es zweifellos den schon viel genannten Zusammenhang, also die Kohärenz. Da wir die Realität nicht ohne das Ideal verstehen können, an dem wir sie messen, können wir die Schöpfung auch nicht ohne den Schöpfer verstehen.
Die dramatischen Folgen dieser geistigen Fehlhaltung sind nicht zuletzt durch die eben erwähnten Aussetzer in dem aufklärerischen Denken heute sichtbar.
Re: Realontologie
Der Hinweis auf den Universalienstreit ist wichtig, weil er beim Verständnis der Definitionen hilft. Denn im Universalienstreit wurden die Begriffe real und nominal anders als heute gebraucht. Man kann sagen: genau gegenteilig. Denn die Realisten würden wir heute eher als Idealisten bezeichnen, für die die Ideen eigenständig existieren, während wird wir die Nominalisten heute eher als Materialisten bezeichnen würden, für die die Ideen nur Wörter sind.Raphael hat geschrieben:Bei letzterem Begriff ist man doch eigentlich verpflichtet, den gesamten Universalienstreit der Scholastik mitzudenken.overkott hat geschrieben:Beispiel: natürlich und real.
An dieser Stelle hat eben die von der Aufklärung so hoch gelobte Rationalität einen Aussetzer, weil sie nicht versteht, daß mit der Gottesebenbildlichkeit des Menschen keine Identität geglaubt wird.overkott hat geschrieben:Auch da besagt die Gleichsetzung schöpfungstheologisch zunächst nicht viel. Die meisten würden wahrscheinlich den Satz "Gott ist nicht real." nicht verstehen. Sie würden ihn vielleicht für eine Gottesleugnung halten, obwohl dies nicht der Fall ist. Denn der Schöpfer ist nicht geschaffen, die Übernatur nicht natürlich, die Ursache nicht wirklich, das Ideal nicht real.
Die weithin verbreitete Rezeption der Aufklärung verkennt, daß es sich um eine Form der Apotheose handelte, was dort in den geistigen Gefilden der Aufklärung stattfand.
Schlimmer ist, wenn das Geschöpf meint, weil es die Schöpfung ausloten kann, sei der Schöpfer verzichtbar!overkott hat geschrieben:Gleichwohl gibt es zweifellos den schon viel genannten Zusammenhang, also die Kohärenz. Da wir die Realität nicht ohne das Ideal verstehen können, an dem wir sie messen, können wir die Schöpfung auch nicht ohne den Schöpfer verstehen.
Die dramatischen Folgen dieser geistigen Fehlhaltung sind nicht zuletzt durch die eben erwähnten Aussetzer in dem aufklärerischen Denken heute sichtbar.
Für beide Positionen gibt es Argumente und der Streit lässt sich nicht eindeutig entscheiden, weil es eine Kohärenz zwischen Idee und Materie gibt und wir zwischen beiden nicht scharf unterscheiden können. Die Kohärenz zeigt sich insbesondere, wenn ein Wort Tat wird, wenn ein Plan verwirklicht oder realisiert wird. Aber auch wenn eine Idee realisiert ist, würden wir sagen, dass der Idee die Realität entspricht, nicht dass sie mit ihr identisch ist.
Gleichwohl würden wir der Idee den höheren Wert beimessen, weil ein Ding an sich keinen Wert hat, wie sich beim Bedeutungswandel im Allgemeinen und einer Inflation oder Deflation im Besonderen zeigt.