Gültigkeit von Lehramtstexten
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Gültigkeit von Lehramtstexten
Liebe Kreuzgänger,
Konzilsdogmen können ja nicht zurückgenommen werden, aber wie ist es mit sonstigen Lehramtstexten?
Konkret gefragt: sind die Enzklika Pascendi und das Dekret Lamentabili heute noch gültig und anwendbar?
Anders gesagt: Wäre nach derzeitigem Kirchenrecht noch Grund zur Lehrbeanstandung gegeben, wenn die in diesen Dokumenten verurteilten Lehren heute von katholischen Theologen vertreten werden?
Danke für eure Antworten,
miserere nobis domine
PS: Die genannten Lehramtstexte sind online nachzulesen unter
http://www.kathpedia.com/index.php/Lame ... _(Wortlaut)
und
http://www.domus-ecclesiae.de/magisteri ... onice.html
Konzilsdogmen können ja nicht zurückgenommen werden, aber wie ist es mit sonstigen Lehramtstexten?
Konkret gefragt: sind die Enzklika Pascendi und das Dekret Lamentabili heute noch gültig und anwendbar?
Anders gesagt: Wäre nach derzeitigem Kirchenrecht noch Grund zur Lehrbeanstandung gegeben, wenn die in diesen Dokumenten verurteilten Lehren heute von katholischen Theologen vertreten werden?
Danke für eure Antworten,
miserere nobis domine
PS: Die genannten Lehramtstexte sind online nachzulesen unter
http://www.kathpedia.com/index.php/Lame ... _(Wortlaut)
und
http://www.domus-ecclesiae.de/magisteri ... onice.html
Re: Gültigkeit von Lehramtstexten
Ja und Nein.
Gruß Jürgen
Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Re: Gültigkeit von Lehramtstexten
ignatianische Indifferenz?Juergen hat geschrieben:Ja und Nein.

"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein
Re: Gültigkeit von Lehramtstexten
Vermutlich Antworten auf die zwei gestellten Fragen.Linus hat geschrieben:ignatianische Indifferenz?Juergen hat geschrieben:Ja und Nein.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.
Re: Gültigkeit von Lehramtstexten
verlautbarungen des ordentlichen lehramts sind nicht per se unfehlbar. grundsätzlich besteht deshalb auch die möglichkeit diese zu adaptieren oder zu überholen etc. de facto ist dies in der kirchengeschichte mehrmals passiert. eines der prominentesten beispiele ist m.e. in diesem zusammenhang das konzil von karthago (418), das von papst zoisimus auch offiziell kirchlich bestätigt wurde. dieses konzil belegte bspw. den glauben an einen limbus mit dem anathema und lehrte, dass alle ungetauften säuglinge in die hölle kommen (kanon 3). bereits im mittelalter und spätestens mit der scholastischen theologie wurden diese lehrpunkte jedoch endgültig überwunden. trotzdem wurde im rechtfertigungsdekret von trient der zweite kanon dieses konzil nahezu eins zu eins übernommen.
hier der dritte Kanon des Synode von Karthago (418) aus dem denzinger-hünermann:
DH224.
Can. 3. Item placuit, ut si quis dicit, ideo dixisse Dominum: „In domo Patris mei mansiones multae
sunt" [Io 14,2 ], ut intelligatur, quia in regno caelorum erit aliquis medius aut ullus alicubi locus,
ubi beate vivant parvuli, qui sine baptismo ex hac vita migrarunt, sine quo in regnum caelorum,
quod est vita aeterna, intrare non possunt, anathema sit. Nam cum Dominus dicat: Nisi quis renatus
fuerit ex aqua et Spiritu Sancto, non intrabit in regnum caelorum [Io 3,5], quis catholicus dubitet
participem fore diaboli eum, qui coheres esse non meruit Christi? Qui enim dextra caret, sinistram
procul dubio partem incurret..
Kan. 3. Ebenso haben sie beschlossen: Wer sagt, der Herr habe deswegen
gesagt: „Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen" [Joh 14,2], damit
man ersehe, daß es im Himmelreich irgendeinen mittleren oder einen irgendwo
<befindlichen> Ort geben wird, wo die kleinen Kinder selig leben, die ohne
Taufe aus diesem Leben geschieden sind, ohne die sie nicht in das Himmelreich,
welches das ewige Leben ist, eintreten können, der sei mit dem Anathema
belegt. Denn da der Herr sagt: „Wer nicht wiedergeboren wurde aus Wasser und
Heiligem Geist, wird nicht in das Himmelreich eintreten" [Joh 3,5]: welcher
Katholik wird da zweifeln, daß derjenige ein Genosse des Teufels sein wird, der
nicht verdiente, Miterbe Christi zu sein? Wer nämlich nicht auf der rechten
Seite steht, wird ohne Zweifel auf die linke geraten.
grundsätzlich können lehrentscheide des ordentlichen lehramts also zurückgenommen werden. die frage nach der konkreten autorität ist allerdings sehr umstritten. in der gegenwärtigen theologie wird die frage allerdings kaum erörtert, die letzten die sich an dieses heisse eisen rangetrauten waren grössen wie walter kasper und joseph ratzinger (in der debate um den zusammenhang von dogma und geschichte, insbesondere unter dem einfluss der sprachphilosophie des 20. jahrhunderts). in der ökumenischen theologie wird die frage in der auseinandersetzung um eine sog. "ökumenische hermeneutik" bisweilen gestreift. so bswp. bei: wolfgang thönissen ("dogma und symbol", 2008).
hier der dritte Kanon des Synode von Karthago (418) aus dem denzinger-hünermann:
DH224.
Can. 3. Item placuit, ut si quis dicit, ideo dixisse Dominum: „In domo Patris mei mansiones multae
sunt" [Io 14,2 ], ut intelligatur, quia in regno caelorum erit aliquis medius aut ullus alicubi locus,
ubi beate vivant parvuli, qui sine baptismo ex hac vita migrarunt, sine quo in regnum caelorum,
quod est vita aeterna, intrare non possunt, anathema sit. Nam cum Dominus dicat: Nisi quis renatus
fuerit ex aqua et Spiritu Sancto, non intrabit in regnum caelorum [Io 3,5], quis catholicus dubitet
participem fore diaboli eum, qui coheres esse non meruit Christi? Qui enim dextra caret, sinistram
procul dubio partem incurret..
Kan. 3. Ebenso haben sie beschlossen: Wer sagt, der Herr habe deswegen
gesagt: „Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen" [Joh 14,2], damit
man ersehe, daß es im Himmelreich irgendeinen mittleren oder einen irgendwo
<befindlichen> Ort geben wird, wo die kleinen Kinder selig leben, die ohne
Taufe aus diesem Leben geschieden sind, ohne die sie nicht in das Himmelreich,
welches das ewige Leben ist, eintreten können, der sei mit dem Anathema
belegt. Denn da der Herr sagt: „Wer nicht wiedergeboren wurde aus Wasser und
Heiligem Geist, wird nicht in das Himmelreich eintreten" [Joh 3,5]: welcher
Katholik wird da zweifeln, daß derjenige ein Genosse des Teufels sein wird, der
nicht verdiente, Miterbe Christi zu sein? Wer nämlich nicht auf der rechten
Seite steht, wird ohne Zweifel auf die linke geraten.
grundsätzlich können lehrentscheide des ordentlichen lehramts also zurückgenommen werden. die frage nach der konkreten autorität ist allerdings sehr umstritten. in der gegenwärtigen theologie wird die frage allerdings kaum erörtert, die letzten die sich an dieses heisse eisen rangetrauten waren grössen wie walter kasper und joseph ratzinger (in der debate um den zusammenhang von dogma und geschichte, insbesondere unter dem einfluss der sprachphilosophie des 20. jahrhunderts). in der ökumenischen theologie wird die frage in der auseinandersetzung um eine sog. "ökumenische hermeneutik" bisweilen gestreift. so bswp. bei: wolfgang thönissen ("dogma und symbol", 2008).
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Re: Gültigkeit von Lehramtstexten
Wenn aber etwas nicht explizit zurückgenommen wurde, ist es dann gültig?
Re: Gültigkeit von Lehramtstexten
da divergieren die meinungen bezüglich dem grade der verbindlichkeit ebenfalls sehr stark.
persönlich würde ich wie folgt antworten: die lehrentscheide bspw. des lamentabili basieren ihrerseits auf der schrift, der tradition und verlautbarungen des kirchlichen lehramts. zudem haben sie als aussagen des ordentlichen obersten lehramts aber auch offizielle kirchliche apporbation. deshalb muss jede "kritik" an solchen aussagen ihrerseits in ausreichendem masse auf den glaubensquellen aufbauen. zudem kann diese "kritik" nicht grundlegend sein, sondern muss das berechtigte anliegen des ensprechenden lehraussage aufgreifen und quasi "weiterentwickeln". unverbindlich im strengen sinn werden kirchliche lehraussagen allerdings nie, weil der papst verbindlich-repräsentativ für die gesamte kirche spricht, die sich vom Heiligen Geist in die volle Wahrheit geführt weiss.
tönt alles ziemlich schammig, ich weiss. aber eine ganz eindeutige antwort wird dir wohl niemand geben können. letztendlich kommt es auch stark darauf an inwiefern eine lehramtlich aussage von einer anderen lehramtlichen aussage relativiert wird/wurde. insgesamt sind aber in der gesamten dogmen- und glaubensgschichte immer wieder spannungen auszuhalten. man denke bspw. an das dogma der "immaculata conceptio", dass bis ins vierzehnte jahrhundert von der theologie nahezugeschlossen abgelehnt wurde (von grossen kirchenlehrern wie bernhard von clairvaux gar entschieden bekämpft wurde) und erst allmählich eine breitere anhängerschaft gewinnen konnte.
persönlich würde ich wie folgt antworten: die lehrentscheide bspw. des lamentabili basieren ihrerseits auf der schrift, der tradition und verlautbarungen des kirchlichen lehramts. zudem haben sie als aussagen des ordentlichen obersten lehramts aber auch offizielle kirchliche apporbation. deshalb muss jede "kritik" an solchen aussagen ihrerseits in ausreichendem masse auf den glaubensquellen aufbauen. zudem kann diese "kritik" nicht grundlegend sein, sondern muss das berechtigte anliegen des ensprechenden lehraussage aufgreifen und quasi "weiterentwickeln". unverbindlich im strengen sinn werden kirchliche lehraussagen allerdings nie, weil der papst verbindlich-repräsentativ für die gesamte kirche spricht, die sich vom Heiligen Geist in die volle Wahrheit geführt weiss.
tönt alles ziemlich schammig, ich weiss. aber eine ganz eindeutige antwort wird dir wohl niemand geben können. letztendlich kommt es auch stark darauf an inwiefern eine lehramtlich aussage von einer anderen lehramtlichen aussage relativiert wird/wurde. insgesamt sind aber in der gesamten dogmen- und glaubensgschichte immer wieder spannungen auszuhalten. man denke bspw. an das dogma der "immaculata conceptio", dass bis ins vierzehnte jahrhundert von der theologie nahezugeschlossen abgelehnt wurde (von grossen kirchenlehrern wie bernhard von clairvaux gar entschieden bekämpft wurde) und erst allmählich eine breitere anhängerschaft gewinnen konnte.
Re: Gültigkeit von Lehramtstexten
Es reicht auch, wenn lehramtliche Aussagen implizit "zurückgenommen" werden. Dies geschieht zB dadurch, daß das Lehramt (also etwa der Papst oder ein Konzil) die betreffende Materie insgesamt einer Neuregelung oder Neubewertung unterzieht. Dadurch werden die bisherigen, dem widersprechenden Regelungen hinfällig - soweit die Neuregelung rechtmäßig geschieht, also erstens nicht häretisch ist (prinzipiell mit der Lehrtradition und der Heiligen Schrift unvereinbar) und zweitens von einem dazu befugten Organ vorgenommen wurde (ein einfaches Dekret eines Dikasteriums könnte etwa nicht eine Konzilsentscheidung aufheben, wenn nicht die ausdrückliche Anordnung des Papstes damit verbunden wäre).Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Wenn aber etwas nicht explizit zurückgenommen wurde, ist es dann gültig?
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Re: Gültigkeit von Lehramtstexten
Wie ist es denn jetzt konkret mit Pascendi und Lamentabili? Gibt es andere Lehramtstexte, die diese zurücknehmen?
Re: Gültigkeit von Lehramtstexten
die Praxis seit 1958




Re: Gültigkeit von Lehramtstexten
Die konkrete Auslegung der ewigen Wahrheit für ihre Zeit war immer Aufgabe des Papstes und der Konzilien. Deshalb gab es von jeher Änderungen im Bleibenden. In den lehramtlichen Schreiben ist also die Substanz von den Akzidentien zu unterscheiden.