Ich möchte mich bei meinem ersten Posting mal vorstellen: Ich bin Pfarrer in der SELK. Nach meiner Überzeugung kann man durchaus Lutheraner und Katholik gleichzeitig sein. Das zeigt mE auch mein Nick an (AB für Augsburgischen Bekenntnisses). Bislang war ich nur Mitleser, doch jetzt möchte ich mich auch mal zu Wort melden. So viel ersteinmal zu mir!
Nun zur Diskussion: Warum schrumpft die SELK?
Manchmal bekommt man durchaus den Eindruck, dass besonders SELKis dazu neigen, ihre eigene Kirche als die "beste aller Welten" darzustellen. Und man findet in ihr tatsächlich auch viele sehr gute Ansätze. Das Problem ist nur: Die SELK ist, wie so gut wie alle Kirchen, ein ziemlich bunter Haufen. Da gibt es natürlich, wie von Sebastian verlinkt, Gemeinden, wie die Hamburger "Dreieinigkeitsgemeinde". Dort wird - für evangelische sonst ja eher selten - bunte Kasel getragen, am Aschermittwoch das Aschkreuz verteilt, wöchentliche Kommunion usw. Und es gibt auch Gemeinden, die sehr stark wachsen. Es gibt richtige Hochkirchler mit allem drum und dran. Es gibt Gemeinden mit starker pietistischer Prägung. Es gibt Pfarrer und Gemeinden mit ausgeprägter lutherisch-orthodoxer Prägung (wohl das, was manche als Wagenburgmentalität beschreiben).
UND es gibt Gemeinden, die absolut volkskirchlich geprägt sind. Albe und Stola, geschweige denn die Kasel haben sich als liturgische Gewänder längst noch nicht überall etabliert (wenngleich die SELK wohl die lutherische Kirche mit den meisten "bunten" Gottesdiensten in Deutschland ist). Es gibt aber Pfarrer die ganz bewusst eine protestantische Richtung pflegen und alles Liturgische für für böse katholisierend halten.
Kurz gesagt: Die SELK ist wesentlich heterogener als die allermeisten (übrigens auch viele SELKis) glauben.
Dass nun alle, die da jährlich austreten, die SELK gen Rom verlassen wäre ja schön, ist aber - fürchte ich - leider eine Illusion.
- 1. Die SELK verliert nachweislich die meisten Gemeindeglieder durch ihren Tod. D.h. der demographische Faktor, wie man auf Neusprech wohl sagt, schlägt hier voll durch.
- 2. Daneben verlieren wir Menschen vor allem durch deren Wegzug. Die Bindung an die eigene Gemeinde ist bei SELKis oft noch recht stark, allerdings finden sie vielfach in einer anderen SELK-Gemeinde dann nur schlecht Anschluss. Die durchschnittliche SELK-Gemeinde hat so 200 Glieder. Das heißt: Man kennt sich! Die Beziehungen sind da oftmals sehr eng, manchmal auch zu eng. Auf jeden Fall wird es da für den "Neuen" manchmal einfach schwer "hinein zu kommen". Oder aber es gibt ganz einfach am neuen Wohnort oder in der Nähe keine SELK.
- 3. Und dann gibt es (und das widersprich etwas der These von der "Enge", liegt aber an der Heterogenität) Menschen, die zwar getauft und konfirmiert sind, aber praktisch nicht am geistlichen Leben teilnehmen und dann irgendwann aus der Kirche austreten. Das ist bei uns, wie bei vielen anderen Kirchen auch.
Als ich meine neue Gemeinde kam, hatte ich gleich in der ersten Woche zwei Austritte und dachte mir: Na das fängt ja gut an! Es hat sich dann aber doch in Grenzen gehalten mit den Austritten 
Zusammenfassend gesagt: Die Leute, die wir jährlich durch Taufen und Übertritte dazugewinnen, können die Abgänge in den allermeisten Gemeinden nicht aufwiegen. Das ist mE der Grund, warum die SELK weiterhin jedes Jahr um ca. 1% schrumpft.
Wie gesagt: Punktuell gibt es durchaus Wachstum zu verzeichnen, aber im Ganzen gesehen müssen wir mit Johannes dem Täufer wohl doch eher abnehmen.
So, ich hoffe, niemandem mit meinem etwas längeren 1. Beitrag verschreckt zu haben und will mich vielleicht auch mal häufiger hier einbringen.
Gruß, KatholischAB