Position der römischen Kirche bezüglich der Prädestination

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Benutzeravatar
Lioba
Beiträge: 3676
Registriert: Dienstag 6. Januar 2009, 19:46

Position der römischen Kirche bezüglich der Prädestination

Beitrag von Lioba »

Falls es schon einen Thread dazu gibt, verschiebt meine Frage bitte.
Augustinus lehrte, wenn ich das richtig verstehe, die doppelte Prädestination. Steht das im Einklang mit der katholischen Lehre- Synergismus?
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

Benutzeravatar
FranzSales
Beiträge: 976
Registriert: Dienstag 14. Oktober 2003, 08:46

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von FranzSales »

Nicht alles, was Augustinus gedacht hat, ist von der Kirche rezipiert worden. Dazu gehört möglicherweise auch die doppelte Prädestination. Prädestination als solche ist katholische Lehrmeinung (auch wenn das nicht so bekannt ist). Wie diese allerdings dogmatisch zu verstehen ist, ist lehrmäßig offen gelassen worden.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 27009
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von Juergen »

Ob Augustinus tatsächlich eine doppelte Praedestination lehrt ist nicht ganz klar.

Die kath. Kirche lehrte keine doppelte Prädestination, sondern das, was schon die Synode von Quiercy im Jahre 853 sagt:
...Der gute und gerechte Gott aber erwählte aus ebendieser Masse des Verderbens die, welche er aus Gnade zum Leben vorherbestimmte und bestimmte für die das ewige Leben vorher; von den übrigen aber, die er nach dem Ratschluß seiner Gerechtigkeit in der Masse des Verderbens zurücklies, wußte er im voraus, daß sie zugrunde gehen würden, aber er bestimmte nicht vorher, daß sie zugrunde gehen sollten: er bestimmte diesen aber, weil er gerecht ist, die ewige Strafe vorher. Und deshalb reden wir lediglich von einer Vorherbestimmung Gottes, die sich entweder auf das Geschenk der Gnade erstreckt oder auf die Vergeltung in Gerechtigkeit.

vgl. DH621
Man muß hier zwischen Vorherbestimmen und Vorherwissen unterscheiden.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

TillSchilling

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von TillSchilling »

Lioba hat geschrieben: Steht das im Einklang mit der katholischen Lehre- Synergismus?
Lehrt die katholische Kirche überhaupt den Synergismus?

Benutzeravatar
FranzSales
Beiträge: 976
Registriert: Dienstag 14. Oktober 2003, 08:46

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von FranzSales »

Lehrt die katholische Kirche überhaupt den Synergismus?
Sie ist zumindest der Auffassung, dass beim Heil ein Zusammenwirken von Gott und Mensch stattfindet. Das der Mensch sich aber auf Gott einlassen kann und in ihm bleibt, ist allerdings wiederum ein Wirken des Hl. Geistes (Gnade).
Ob das Synergismus ist, mögen die Theologen beurteilen.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

Benutzeravatar
FranzSales
Beiträge: 976
Registriert: Dienstag 14. Oktober 2003, 08:46

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von FranzSales »

Ob Augustinus tatsächlich eine doppelte Praedestination lehrt ist nicht ganz klar.
Zumindest gibt es wohl einige Aussagen, die in diese Richtung interpretiert werden können. Calvin hat es getan.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 27009
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von Juergen »

FranzSales hat geschrieben:Sie ist zumindest der Auffassung, dass beim Heil ein Zusammenwirken von Gott und Mensch stattfindet.
An anderer Stelle schrieb ich mal.... (wahrscheinlich habe ich zu dem meisten aktuellen Themen mal irgendwann irgendwo hier im Forum was geschrieben) :pfeif:
Wenn ein Christ ein gutes Werk tut, kann man fragen, welchen Anteil hat er selbst daran, und welchen Anteil hat Gott daran.

Evangelisch:
1% Gott
% Mensch


Orthodox:
5% Gott
5% Mensch
(oder eine beliebige andere Kombination die in der Summe 1% ergibt)


Katholisch:
1% Gott
1% Mensch
Das Thema gab es auch schonmal und von dort stammt dies Eigenzitat
viewtopic.php?f=4&t=3862
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Benutzeravatar
Lioba
Beiträge: 3676
Registriert: Dienstag 6. Januar 2009, 19:46

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von Lioba »

Danke für eure Antworten und ich werde jetzt erst mal den von Juergen verlinkten Strang durchsehen.
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

TillSchilling

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von TillSchilling »

Juergen hat geschrieben:Das Thema gab es auch schonmal und von dort stammt dies Eigenzitat
viewtopic.php?f=4&t=3862
Das ist ein sehr interessanter Thread. Vielen Dank für den Link, Juergen.

Welceh Verbindlichkeit hat die Erklärung der Synode von Quierzy? War das dort Erklärte für die gesamte, noch ungeteilte Kirche verbindlich?

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26022
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Juergen hat geschrieben:Ob Augustinus tatsächlich eine doppelte Praedestination lehrt ist nicht ganz klar.
Doch, das ist völlig klar (und vor nicht langem hatten wir das hier auch gerade schon mal).
Augustin lehrte keine doppelte Prädestination. Das ist falsch und eine verleumderische Be-
hauptung, die wir uns nicht unterjubeln lassen müssen. – Im übrigen hier der Text des Carisiaci:
Die Synode von Quierzy (Concilium Carisiacum) hat geschrieben:Erklärung der Synode von Quierzy

Abgehalten im Mai 853 unter Vorsitz des Erzbischofs Hinkmar von Reims

Über den freien Willen des Menschen
und über die Vorherbestimmung


Kapitel 1

Gott der Allmächtige hat den Menschen ohne Sünde, rechtschaffen und mit freiem Willen ausgestattet erschaffen und ins Paradies gestellt; er wollte, daß dieser in der Heiligkeit der Gerechtigkeit bleibe. Weil der Mensch von dem freien Willen übel Gebrauch machte, sündigte er und ist gefallen und ward zur »Masse der Verdammnis« des ganzen menschlichen Geschlechts. Der gute und gerechte Gott aber hat aus eben dieser Masse der Verdammnis gemäß seinem Vorherwissen erwählt, welche er durch die Gnade vorherbestimmt hat zum Leben, und hat ihnen das ewige Leben vorherbestimmt; von den übrigen jedoch, die er durch gerechtes Urteil in der Masse der Verdammnis beließ, wußte er vorher, daß sie ins Verderben gehen würden, aber er hat ihnen nicht vorherbestimmt, ins Verderben zu gehen; doch er hat ihnen, weil er gerecht ist, ewige Strafe vorherbestimmt. Und darum sagen wir, daß es nur eine einzige Vorherbestimmung gibt, die entweder auf das Geschenk der Gnade abzielt oder auf gerechte Vergeltung.

Kapitel 2

Die Freiheit des Willens haben wir im ersten Menschen verloren, und wir haben sie durch Christus unsern Herrn empfangen; wir haben sowohl den freien Willen zum Guten, unter Vorausgang und Hilfe der Gnade, als auch den freien Willen zum Bösen in Ermangelung der Gnade. Den freien Willen aber haben wir, weil er durch die Gnade befreit und durch die Gnade von der Verdorbenheit geheilt ist.

Kapitel 3

Gott der Allmächtige »will, daß alle Menschen« ohne Ausnahme »gerettet werden«, wiewohl nicht alle gerettet werden. Daß aber manche gerettet werden, ist Geschenk dessen, der rettet; daß hingegen manche ins Verderben gehen, ist das Verdienst derer, die ins Verderben gehen.

Kapitel 4

Wie es keinen Menschen gibt, gab oder geben wird, dessen Natur in Christus Jesus unserm Herrn nicht angenommen wäre, so gibt, gab und wird es keinen Menschen geben, für den er nicht gelitten hätte, wiewohl nicht alle durch das Mysterium seines Leidens erlöst werden. Daß nun aber nicht alle durch das Mysterium seines Leidens erlöst werden, liegt nicht an der Größe und Fülle des Lösepreises, sondern ist denen anzulasten, die untreu sind und nicht glauben mit dem Glauben, »der durch die Liebe wirkt«. Denn der Kelch des menschlichen Heils, welcher bereitet ist aus unserer Schwäche und göttlicher Kraft, hat es zwar an sich, allen zu nützen; doch wenn er nicht getrunken wird, heilt er nicht.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26022
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von Robert Ketelhohn »

TillSchilling hat geschrieben:
Lioba hat geschrieben: Steht das im Einklang mit der katholischen Lehre- Synergismus?
Lehrt die katholische Kirche überhaupt den Synergismus?
Bitte was tut dir weh?
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

TillSchilling

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von TillSchilling »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben:
Lioba hat geschrieben: Steht das im Einklang mit der katholischen Lehre- Synergismus?
Lehrt die katholische Kirche überhaupt den Synergismus?
Bitte was tut dir weh?
Mit tut nichts weh. Danke der Nachfrage.

Ich gehe davon aus, daß die Frage verständlich war. Franz hat sie vestanden.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26022
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Er war ja auch mal Protestant. Drück dich doch bitte verständlich aus. Wenn du schon
außerhalb des protestantischen Bereichs mit protestantischem Spezialjargon um dich
wirfst, dann erklär’s doch wenigstens. Dann verstehen’s alle und lernen noch was dabei.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
holzi
Beiträge: 7948
Registriert: Montag 28. November 2005, 15:00
Wohnort: Regensburg

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von holzi »

Synergismus? Kommt wohl von Zusammenarbeiten, heißt vermutlich soviel wie Klüngel!? :unbeteiligttu:

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26022
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Re: Position der RKK gegnüber der Prädestination

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Lioba
Beiträge: 3676
Registriert: Dienstag 6. Januar 2009, 19:46

Re: Position der römischen Kirche bezüglich der Prädestination

Beitrag von Lioba »

Und wo unterscheiden sich die verschiedenen Lehren dann tatsächlich? Eigentlich hatte ich schon mal einen ähnlichen Gedanken geäussert- die Freiheit haben wir auch nur aufgrund der Gnade Gottes, also ist eigentlich kein Widerspruch zwischen Freiheit und Gnade. Oder habe ich das jetzt falsch verstanden?
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

Benutzeravatar
Angelus Silesius
Beiträge: 14
Registriert: Montag 19. Oktober 2009, 19:51
Wohnort: Hamburg

Re: Position der römischen Kirche bezüglich der Prädestination

Beitrag von Angelus Silesius »

Hallo,

Der Erwachsenen Katechismus sagt dazu folgendes:
2. Gottes ewige Vorherbestimmung zum Heil
Die erste und für alles Weitere grundlegende Aussage über die Begnadung des Menschen lautet: Gott hat uns von aller Ewigkeit her erwählt, berufen und angenommen. Gott ist dem Menschen mit seiner helfenden Gnade je schon zuvorgekommen. Bevor wir nach Gott und seiner Gnade fragten, bevor wir uns auf den Weg zu ihm machten und uns durch ein gutes Leben seiner würdig zu erweisen suchten, ja, noch bevor wir überhaupt waren, hat Gott uns schon aus reiner Liebe auserwählt und für seine Gemeinschaft vorherbestimmt. Er hat uns, wie der Anfang des Epheserbriefes sagt, von aller Ewigkeit her "mit allem Segen seines Geistes gesegnet".

"Denn in ihm - Jesus Christus - hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade." (Eph 1,4-6)

Diese Lehre von der Vorherbestimmung (Prädestination) scheint jedoch vielen ein besonders dunkles Kapitel zu sein. Sie sehen darin einen verwegenen Versuch, in das verborgene Geheimnis des Willens Gottes einzudringen. In Wirklichkeit handelt es sich um eine wesentliche Ausdrucksgestalt des Evangeliums, also um eine aufrichtende, tröstende, helfende, frohe Botschaft. Denn das Ziel dieser Lehre ist nicht ein vorwitziges Eindringen in das Geheimnis des Willens Gottes, sondern die Gewißheit, "daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind" (Röm 8,28), so daß nichts in dieser Welt uns trennen kann von der Liebe Gottes, die ist in Jesus Christus, unserem Herrn (vgl. Röm 8,39). Diese Botschaft kann ein letzter Halt sein in den Widerwärtigkeiten der Welt. Sie sagt, daß Gott in Jesus Christus von Ewigkeit her der Immanuel, der Gott mit uns und für uns ist.

Diese frohe Botschaft gilt grundsätzlich von allen Menschen. Gottes Heilswille ist universal. Gott "will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen" (1 Tim 2,4). Er will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er umkehrt und am Leben bleibt (vgl. Ez 33,11; 2 Petr 3,9). Diese Universalität des göttlichen Heilswillens ist vom II. Vatikanischen Konzil nochmals mit Nachdruck zur Geltung gebracht worden

"Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche^ohne Schuld nicht kennt, Gott aber aus ehrlichem Herzen sucht, seinen im Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluß der Gnade in der Tat zu erfüllen trachtet, kann das ewige Heil erlangen. Die göttliche Vorsehung verweigert auch denen das zum Heil Notwendige nicht, die ohne Schuld noch nicht zur ausdrücklichen Anerkennung Gottes gekommen sind, jedoch, nicht ohne die göttliche Gnade, ein rechtes Leben zu führen sich bemühen. Was sich nämlich an Gutem und Wahrem bei ihnen findet, wird von der Kirche als Vorbereitung für die Frohbotschaft und als Gabe dessen geschätzt, der jeden Menschen erleuchtet, damit er schließlich das Leben habe." (LG 16)

Die Erwählung und Berufung des Menschen, jedes Menschen, besagt freilich auch, daß Gott den Menschen als Menschen annimmt und ernst nimmt. Deshalb will er die freie Antwort und Zustimmung des Menschen. Ja, Gott macht in seiner Liebe die Verwirklichung seines Heilswillens von unserer Freiheit abhängig. Das bedeutet, daß wir durch unsere Schuld das Heil auch verfehlen können. Die Vorherbestimmung im engeren Sinn gilt darum nur denen, die mit Gottes Gnade das ewige Heil auch erlangen.

Leider hat sich diese frohe Botschaft in der Vergangenheit oft vermischt mit einer Angst erzeugenden Schreckensbotschaft. Im Anschluß an den hl. Augustinus, den großen Lehrer der Gnade, hat man aus einzelnen Aussagen der Heiligen Schrift über die Verstockung einzelner (vgl. Ex 7,3; 9,12; Jes 6,10; Mk 4,12; Röm 9,18), vor allem aus Aussagen des Apostels Paulus in Röm 9-11 oft die Lehre von der doppelten Vorherbestimmung abgeleitet: Die einen sind von Ewigkeit her zum Heil erwählt, die anderen sind nicht erwählt. Manchmal wollte man sogar wissen, daß nur die kleinere Zahl der Menschen zum Heil vorherbestimmt ist, während die Mehrzahl zur Masse der Verdammten gehört. Die Kirche hat jedoch diese extremen Vorherbestimmungslehren (etwa bei dem Mönch Gottschalk im 9. Jahrhundert oder bei Calvin im 16. Jahrhundert), wonach Gott bestimmte Menschen durch einen Willensakt zur Verdammung vorherbestimmt hat, abgelehnt. Die Kirche hat daran festgehalten: "Der allmächtige Gott will, daß alle Menschen ohne Ausnahme zum Heil kommen, auch wenn tatsächlich nicht alle gerettet werden. Daß die einen gerettet werden, ist Geschenk des Retters; daß andere verlorengehen, ist die Schuld derer, die verlorengehen" (DS 623; vgl. 1567; NR 835). Jesus Christus ist nicht nur für die Erwählten, auch nicht nur für die Gläubigen, sondern für alle Menschen gestorben (vgl. DS 2005; 2304; NR 875). Deshalb sagte man: Alle besitzen hinreichende Gnade, aber nicht bei allen wird die Gnade zur wirksamen Gnade.

Doch mit diesen an sich richtigen Abgrenzungen ist das Problem keineswegs gelöst. Die Frage ist ja: Wie ist der absolute Primat Gottes noch gewahrt, wenn das Wirksamwerden des Heilswirkens Gottes von der Zustimmung des Menschen abhängt? Umgekehrt: Muß das Nichterreichen des Heils letztlich nicht doch auf Gott zurückfallen, der allen Menschen zwar hinreichende Gnade, aber nicht allen Menschen wirksame Gnade schenkt? Wie soll man also die beiden Aussagen zusammenbringen, daß Gott einerseits das Heil aller Menschen will und es andererseits Menschen gibt, die aus eigener Schuld das Heil nicht erreichen? Wie verhalten sich Gottes Vorherbestimmung und menschliche Freiheit?

Um dieses schwierige Problem drehte sich der sogenannte Gnadenstreit im 16./17. Jahrhundert zwischen den Theologen aus dem Dominikanerorden und den Theologen aus dem Jesuitenorden. Der Papst ließ die Frage schließlich offen und verbot nur die gegenseitige Verketzerung. Das war eine weise Entscheidung. Denn so, wie die Frage damals gestellt wurde, war sie gar nicht zu lösen. Das Verhältnis von Gottes Freiheit und der Freiheit des Menschen ist für uns letztlich ein unauflösliches Geheimnis. Man kann das Verhältnis von Gottes und des Menschen Freiheit nicht in der Weise bestimmen, daß man Gott das abzieht, was man dem Menschen gibt, oder umgekehrt. Gott ist in der Freiheit seiner Liebe so unendlich groß, daß er die endliche menschliche Freiheit nicht nur zuläßt, sondern sie ermöglicht, trägt, ermutigt, befreit und erfüllt. Dieses Verhältnis von Gott und Mensch ist uns in Jesus Christus ein für allemal erschlossen. Deshalb läßt sich auch das Problem der Vorherbestimmung nur von Jesus Christus her erhellen. Dieser Ausgangspunkt kam in der traditionellen Vorherbestimmungsdiskussion zu kurz, weshalb sie sich in viele nutzlose Fragestellungen verrannte.

Ihrem ursprünglichen Sinn nach will die Lehre von der göttlichen Vorherbestimmung ein Dreifaches sagen:

1. Der Ausgangspunkt der Lehre von Gottes Vorherbestimmung ist kein abstraktes Willensdekret Gottes, kein allgemeines Prinzip, sondern die konkrete Erwählung in Jesus Christus (vgl. Eph 1,4-6.11-12; 3,2-13). In Jesus Christus ist Gott reines Ja und nicht Ja und Nein zugleich. Deshalb stehen Erwählung und Verwerfung nicht parallel nebeneinander, es geht vielmehr allein um die Erwählung zum Heil. Das ist der Grund, weshalb wir nicht abstrakt und unbestimmt von Vorherbestimmung, sondern konkret und bestimmt von der Vorherbestimmung zum Heil sprechen. Sie geschieht in Jesus Christus. Denn Gottes Erwählung bestimmt uns, "an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben" (Röm 8,29). Gott hat ihn für uns zur Sünde gemacht (vgl. 2 Kor 5,21); so sind alle, auch die Sünder, in Christus zum Heil berufen.

2. Gottes Heilswille in Jesus Christus richtet sich nicht auf den isolierten einzelnen, sondern auf das Volk Gottes im ganzen, auf den einzelnen, insofern er eingebettet ist in die große Gemeinschaft des Gottesvolkes, als dessen Glied er das Heil erlangt (vgl. Dtn 7,7-8; 14,2 u. a.). Deshalb ist von Erwählung nicht im Singular, sondern im Plural die Rede (vgl. Eph 1,4-6; 1 Petr 1,1-2, 2,5-10). Die Erwählung des einen ist am Ende auch das Heil des andern (vgl. bes. Röm 11,31-32). Die Erwählung des einzelnen ist also immer auch Erwählung zum stellvertretenden Dienst für die andern. Darum ist die Erwählung kein Privileg derer, die das Heil "gepachtet" haben, sondern Aussonderung zum Dienst am Heil aller. Auf die Frage, ob es nur wenige sind, die gerettet werden, antwortet Jesus mit einem Appell: "Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen" (Lk 13,24). Dieser Appell wird im Missionsauftrag des Auferstandenen zu einem Anruf, allen Geschöpfen das Evangelium zu verkünden (vgl. Mk 16,15). Deshalb darf es keine prädestinierten und privilegierten Familien, Völker oder Rassen, keine Herrenmenschen neben Menschen zweiten Ranges geben. Gegen eine solch falsch interpretierte Erwählungslehre weist uns die Heilige Schrift darauf hin, daß Gott gerade das Schwache erwählt, um das Starke zu beschämen (vgl. 1 Kor 1,26-28).

3. Für den einzelnen ist Gottes Vorherbestimmung der Inbegriff des Evangeliums. Denn sie besagt, daß es letztlich nicht auf das Wollen und Streben des Menschen, sondern allein auf das Erbarmen Gottes ankommt (vgl. Röm 9,16; Eph 2,8). So ist die Erwählungsgewißheit der größte Halt und der stärkste Trost. Aber sie durchkreuzt zugleich alle natürlichen Absicherungen und verweist uns ganz und gar auf Gottes Gnade. Gerade weil Gott auch das Wollen und Vollbringen wirkt, gilt es, das Heil in Furcht und Zittern zu wirken (vgl. Phil 2,12-13). Wo der Mensch dagegen der Gnade nicht entspricht, da wird sie ihm zum Gericht. Das Wort "viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt" (Mt 22,14) zeigt, daß Erwählung kein sicherer Besitz, sondern als Gabe zugleich Aufgabe ist. Sie schließt die Verantwortung des Menschen nicht aus, sondern setzt sie ganz im Gegenteil frei und beansprucht sie aufs äußerste. Sie konfrontiert den Menschen mit der Möglichkeit, durch eigene Schuld sein Leben zu verfehlen und dem ewigen Verderben zu verfallen. Die Erwählungsgewißheit gibt darum keine Sicherheit, sondern ist letztlich eine Hoffnungsgewißheit. Sie stützt sich allein auf die Treue Gottes und hofft, daß er der das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird (vgl.Phil 1,6). So wie die Erwählung von Gott ausgeht, mündet sie darum am Ende wieder in den Lobpreis Gottes ein:

"O Tiefe des Reichtums,
der Weisheit und der Erkenntnis Gottes!
Wie unergründlich sind seine Entscheidungen,
wie unerforschlich seine Wege!
Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt?
Oder wer ist sein Ratgeber gewesen?
Wer hat ihm etwas gegeben,
so daß Gott ihm etwas zurückgeben müßte?
Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin
ist die ganze Schöpfung.
Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen." (Röm 11,33-36)
Grüße
Angelus Silesius

TillSchilling

Re: Position der römischen Kirche bezüglich der Prädestination

Beitrag von TillSchilling »

Lioba hat geschrieben: Steht das im Einklang mit der katholischen Lehre- Synergismus?
Lioba, Robert meint dass Katholiken den Begriff "Synergismus" nicht verstehen. Willst du ihn definieren?

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema