
Bei mir hat es einen wichtigen Umbruch gegeben, für den ich einige Zeit brauchte, um für mich Klarheit zu bekommen und meine Entscheidung(en9 dann auch in die Tat umzusetzen.
Ab dem 01.07.2004 werde ich in einem katholischen Sozialdienst arbeiten. Hat das was mit dem von mir angezettelten Thema zu tun? Ich denke schon.
In den letzten 10 Jahren habe ich freiberuflich gearbeitet. Diejenigen, die ich betreut habe, konnten sich meine Dienstleistung leisten. Es gab nicht wenige Situationen, bei denen eine Zusammenarbeit nicht zustande kam, weil das Geld für meine Honorare nicht aufgebracht werden konnte. Meine "Dienste" waren nur für durchaus begüterte erschwinglich. Ich habe mich dann in den letzten 2-3 Jahren ständig gefragt, ob ich das vor dem Hintergrund meines Glaubens weiter machen will und soll. Meine Entscheidung und damit auch meine Umorientierung wurden dann vor etwa einem halben Jahr ganz klar. Ergebniss siehe oben, meine neue Tätigkeit; für Menschen, die viel größere Schwierigkeiten haben und mehr Ängste und Leid tragen müssen, als diejenigen, für die ich bisher gearbeitet habe.
Ein kleiner Exkurs zu diesem Teil des Forums: Ich kann mich nicht des Eindruckes erwehren, dass Glauben hier sehr in den Zusammenhang mit der persönlichen Gottesbeziehung beschrieben wird. Gebet, Liturgie etc, nehmen m.E. einen nicht unerheblichen Raum ein. Weniger deutlich wird für mich aber, welche "Auswirkung", welche "Richtlinienkompetenz" der Glauben in Lebens- und Arbeitszusammenhang des Einzelnen hat.
Ist Glaube etwas "Privates" zwischen dem/der Einzelnen und Gott; event. noch hin zur Gemeinde, der Teilhabe/Teilnahme an Messfeiern.
Oder ist der Glaube und die Botschaft des Evangeliums auch Leitlinie für die Beurteilung all dessen, was in unserer Gesellschaft (auch durch Politik) passiert?
Konkreter:
-Kann ich als Christ eine Wirtschaftsordnung auch nur tolerieren, die immer mehr Menschen an den Rand "schiebt", sie gleichsam abtrennt, weil sie nicht (mehr) "produktiv" genug sind?
Ich kann das seit langem nicht mehr!
-Kann ich als Christ eine Politik auch nur tolerieren, die den Fortbestand des bestehenden Systems so sehr in den Vordergrund stellt, dass sie dabei einer globalen Entsolidarisierung zuarbeitet, bei der nur noch der Einzelne für sich und sonst niemand sorgt?
Nein, ich will und kann das nicht mehr tolerieren.
Das sind nur 2 Punkte, damit ich nicht (wieder mal) viel zu lang schreibe.
[Provakationsmodus an]
Wann werden wir Christen laut und aktiv gegen die tagtägliche auch "versteckte/verkleidete" Ungerechtigkeit, anstatt (nur) für unser Seelenheil zu beten.
Oder noch schärfer formuliert: Kann jemand wirklich Christ sein, wenn er nicht handelt???
[Provakationsmodus aus]
Ich freue mich schon jetzt auf eine lebendige, engagierte und faire Diskussion.
Bernd Heinrich