Schade, daß die überwältigende Mehrheit der Kreuzgangster dies Thema offenbar nicht annähernd so spannend findet wie ich. Je nun, wenigstens „Conscientia“ hat sich gemeldet:
Conscientia hat geschrieben:Ganz grundsätzlich angepackt: Ob die frühesten Anaphoren eine Stiftungsanamnese enthalten haben oder nicht, ist in der Forschung ein heiß umstrittenes und immer wieder erörtertes Thema. Nur auf meine Bücher und Skripten hier angewiesen, kann ich im Moment noch nicht einmal sagen, was der common sense der Forschung ist.
Ich möchte eigentlich gern noch grundsätzlicher ansetzen: Die Frage ist nämlich, ab wann wir von einer Anaphora im eigentlichen Sinne reden können.
Es scheint mir schwerlich bestreitbar, daß in der frühen Kirche irgendwann zwischen apostolischer Zeit und Väterzeit ein durchaus gravierender Wandel der Liturgie erfolgt ist, und zwar – grob vereinfacht gesagt, vom um das Gründonnerstagselement erweiterten jüdisch-rituellen Mahl zur Messe, wie wir sie heute am treuesten bewahrt noch in den ostkirchlichen Liturgien vorfinden.
Der Wandel hat in den einzelnen Ortskirchen zu sehr unterschiedlichen Zeiten stattgefunden. In Africa war er jedenfalls zur Zeit Cyprians bereits vollzogen und muß um einiges früher begonnen haben, vielleicht schon im zweiten Jahrhundert. Im Bereich der marcinischen Liturgie, nämlich im Patriarchat von Alexandrien und in der Kirchenprovinz von Agley (Aquileja), zog er sich insgesamt bis ins fünfte Jahrhundert hin.
Der strukturelle Unterschied zwischen ursprünglicher Agape-Eucharistie und „göttlicher Liturgie“ bedingt jedenfalls auch erhebliche Unterschiede im Ablauf und in der Anordnung der eucharistischen Gebete oder Segnungen oder Konsekrationsformeln.
Es müßte also darum gehen, für die verschiedenen Orte und Zeiten die verwendeten liturgischen Formeln und deren Anordnung festzustellen. Dazu bräuchte ich eigentlich erst mal eine auf breitester Basis angelegte Synopse. Am besten an die Wand gepappt. Erst einmal alles greifbare Material. Und dann langsam sortieren. So gewinnt man allmählich ein Bild.
Leider kommt diese Methode aus praktischen Gründen nicht in Betracht. Hilfsweise beginne ich darum mit einer kleinen Auswahl von Zeugnissen der frühesten kirchlichen Liturgie:
Matthæus (26,26-28) hat geschrieben:26 Als sie nun aßen, nahm Jesus das Brot, dankte, brach es, gab es den Jüngern und sprach: Nehmet, esset! Das ist mein Leib.
27 Und er nahm den Kelch, dankte, gab ihnen denselben und sprach: Trinket alle daraus!
28 Denn das ist mein Blut des Bundes, welches für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden!
Marcus (14,22-24) hat geschrieben:22 Und während sie aßen, nahm Jesus Brot, lobpreisete, brach und gab es ihnen und sprach: Nehmet, das ist mein Leib.
23 Und er nahm den Kelch, sagte Dank und gab ihnen denselben; und sie tranken alle daraus.
24 Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des neuen Bundes, welches für viele vergossen wird.
Lucas (22,17-20) hat geschrieben:17 Und er nahm den Kelch, dankte und sprach: Nehmet diesen und teilet ihn unter euch!
18 Denn ich sage euch, ich werde hinfort nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes gekommen ist.
19 Und er nahm das Brot, dankte, brach es, gab es ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis!
20 ebenso auch den Kelch nach dem Mahle und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute, das für euch vergossen wird.
Paulus (I Cor 10,16 sq.) hat geschrieben:16 Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist er nicht Gemeinschaft mit dem Blute Christi? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht Gemeinschaft mit dem Leibe Christi?
17 Denn ein Brot ist es, so sind wir, die vielen, ein Leib; denn wir sind alle des einen Brotes teilhaftig.
Paulus (I Cor 11,20-29) hat geschrieben:20 Wenn ihr nun auch am selben Orte zusammenkommt, so ist das doch nicht, um des Herrn Mahl zu essen;
21 denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, so daß der eine hungrig, der andere trunken ist.
22 Habt ihr denn keine Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämet die, welche nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Dafür lobe ich nicht!
23 Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe, nämlich daß der Herr Jesus in der Nacht, da er verraten wurde, Brot nahm, es mit Danksagung brach und sprach:
24 Nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird, solches tut zu meinem Gedächtnis!
25 Desgleichen auch den Kelch, nach dem Mahl, indem er sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; solches tut, so oft ihr ihn trinket, zu meinem Gedächtnis!
26 Denn so oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn, bis daß er kommt.
27 Wer also unwürdig das Brot ißt oder den Kelch des Herrn trinkt, der ist schuldig am Leib und am Blut des Herrn.
28 Es prüfe aber ein Mensch sich selbst, und also esse er von dem Brot und trinke aus dem Kelch;
29 denn wer unwürdig ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich selbst ein Gericht, weil er den Leib des Herrn nicht unterscheidet.
Kommentar später. Oder fällt wem schon was auf?