ifugao hat geschrieben:
Was ist denn das für ein Hungerhaken?
Das ist eine Bemerkung, die ich übel nehme.
@Robert: Nun lass uns aber nicht die ganze Kunstgeschichte durcheinanderrühren oder gleich in den Orkus werfen. Und die Kreuzesdarstellung hat eine lange Geschichte.
Sie fängt damit an, daß es diese Darstellung zunächst gar nicht gibt: solange das Kreuz noch als Galgen an allen Wegkreuzungen stand, scheuten die Christen aus verständlichen Gründen davor zurück, es anders als in äußerster Abstraktion (Markierungskreuz?) zu verwenden. Ihre Gegner übrigens nicht: sie zeigten Christus am Kreuz und setzten ihm auch noch einen Eselskopf auf.
Die frühen Kreuzdarstellungen ab dem 5. Jh sind wohl bewußt abstrakt und nicht-naturalistisch: Sie zeigen einen mit der Tunika bekleideten würdevoll am Kreuz eher stehenden als hängenden, eher lebenden als sterbenden Chrsitus - das wurde dann bald in Form von Auferstehungs- oder Triumphkreuzen weiterentwickelt: Der Herrscher vom Kreuz aus. Theologisch völlig ok - aber nicht umfassend.
In der Gotik wurde dann die Darstellung als Leidensmann dominierend. Tunika und Krone (war aber immer selten) verschwanden, und das Leiden am Kreuz wurde immer eindringlicher dargestellt. Teilweise in schwer erträglicher Intensität zeigen sie den sich aufbäumenden und sterbenden bzw. im Tod verzerrten Christus - die Kunsthistoriker mögen Beispiele benennen.
Ab der Renaissance trat dann ein Typus in den Vordergrund, der den gestorbenen Christus in einem Zustand erträglicher Ruhe zeigt, und diese Darstellung wurde immer mehr abgemildert bis zu der Form, die sich jeder beruhigt im Herrgottswinkel an die Wand hängen konnte, ohne davon besonders aufgestört zuu werden. Die Moderne strebt nun, wie es ihre Art ist, dazu, die Verstörung wieder herzustellen und greift dafür auf den gotischen Typus zurück. Das halte ich grundsätzlich für legitim - solange man kein Dogma daraus macht. Natürlich bleibt es auch legitim, auf den romanischen Typus zurückzugreifen, den Dein Bild repräsentiert - anscheinend aber auch in einer neuen Fassung.

Ich habe beim Schreiben Google nebenan nach "Kruzifix" suchen lassen und dabei viele interessante moderne Versuche gesehen. Einer (ausgerechnet Diözese Linz, Altenberg) erscheint mir besonders bemerkenswert: Hier hatte man das Bedürfnis, einem barocken Korpus das vermutlich durch die Zeitläufte verlorene Kreuz wiederzugeben und entschied sich für eine verfremdende Lösung, die den Korpus fast zu einem dekorativen Anhängsel des überdimensional dargestellten und farblich abstrahierten Kreuzeszeichens macht. Das springt nicht nur dem barocken Hauptaltar ins Gesicht (möglicherweise absichtlich), es läßt auch die Menschheit des gequälten Christus hinter dem Christussymbol zurücktreten, wie das zweite Bild verdeutlicht.

Ich denke, hier und in Marzahn haben wir zwei Positionen von beiden Enden des modernen Spektrums, die beide etwas Richtiges aussagen und dabei beide etwas Wichtiges verkleinern. Trotzdem geben beide mehr Anstoß zum Nachdenken als der Standardtypus, den man kaum noch als "Zeichen des Anstoßes" wahnimmt - außer wenn er im Schulzimmer hängt.