Eine Frage, an Edith gerichtet, mit dem Hinweis darin verborgen, dass im katholischen Glauben die Schrift selber Teil der Tradition sei. Da stellt sich dann allerdings die Frage, wo sozusagen die Grenzen der Tradition liegen? Wo beginnt und endet sie, vor allem in zeitlicher Hinsicht. Ist sie mittlerweile zum Abschluß gekommen? In der Lehre wird ja gerne auf die Tradition verwiesen: dieses oder jenes sei in der Tradition verwurzelt oder eben nicht in der Tradition verwurzelt, und aus diesem Grunde zu bejahen oder zu verneinen. Ist die Tradition somit abgeschlossen? Oder geht Tradition weiter, entsteht auch jetzt Tradition, sodass sich die Frage, ob etwas in der Tradition verwurzelt ist, in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten neu stellt?Bist Du sonst auch immer so "sola scriptura"-mäßig eingestellt?
hat Tradition ihre Grenzen?
- Erich_D
- Beiträge: 1098
- Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
- Wohnort: Salzbayern
- Kontaktdaten:
hat Tradition ihre Grenzen?
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."
Die "abgeschlossene" Tradition ist ein Phänomen, das bei vielen konservativen Menschen zu beobachten ist.
Der Grund dafür ist vielleicht die Angst vor dem, was kommen könnte.
So sind zum Beispiel orthodoxe Juden davon überzeugt, daß die Kleidung der Ghettojuden Osteuropas aus dem 18. Jhdt. die einzige Kleidung ist, die Gott akzeptiert.
Die sich ändernden Trachten, eine typische Tradition also, wurde eines tages eingefroren.
Ähnlich ist es bei den Amishen in Amerika, die jegliche Entwicklung die nach ca. 1800 stattgefunden hat als gotteslästerlich ablehnen.
Und so gibt es halt auch in der katholischen Kirche Menschen, die glauben eine Weiterentwicklung der Kirche war bis 1950 ok, aber danach nicht mehr.
Warum sie das glauben, können sie wahrscheinlich selbst nicht richtig begründen.
Werner
Der Grund dafür ist vielleicht die Angst vor dem, was kommen könnte.
So sind zum Beispiel orthodoxe Juden davon überzeugt, daß die Kleidung der Ghettojuden Osteuropas aus dem 18. Jhdt. die einzige Kleidung ist, die Gott akzeptiert.
Die sich ändernden Trachten, eine typische Tradition also, wurde eines tages eingefroren.
Ähnlich ist es bei den Amishen in Amerika, die jegliche Entwicklung die nach ca. 1800 stattgefunden hat als gotteslästerlich ablehnen.
Und so gibt es halt auch in der katholischen Kirche Menschen, die glauben eine Weiterentwicklung der Kirche war bis 1950 ok, aber danach nicht mehr.
Warum sie das glauben, können sie wahrscheinlich selbst nicht richtig begründen.
Werner
der war gut, Cathol!!cathol01 hat geschrieben:Die Tradition ist beim 1. Vatikanischen Konzil zu ihrer Vollendung gelangt
Also: die Tradition ist natürlich immer die Weitergabe von Vergangenem...
wohinggegen die Offenbarung des Hl Geistes zweilen auch mal was Neues sein kann....
in beidem vertraue ich völlig auf das Lehramt.
Edith, die Streberin.
- Erich_D
- Beiträge: 1098
- Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
- Wohnort: Salzbayern
- Kontaktdaten:
Hm. Ich dachte, die Offenbarung wäre abgeschlossen?Edith hat geschrieben:der war gut, Cathol!!cathol01 hat geschrieben:Die Tradition ist beim 1. Vatikanischen Konzil zu ihrer Vollendung gelangt
Also: die Tradition ist natürlich immer die Weitergabe von Vergangenem...
wohinggegen die Offenbarung des Hl Geistes zweilen auch mal was Neues sein kann....
in beidem vertraue ich völlig auf das Lehramt.
Edith, die Streberin.
Aber gut, heisst dies, dass Du meinst, die katholische Tradition wäre abgeschlossen?
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."
- Erich_D
- Beiträge: 1098
- Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
- Wohnort: Salzbayern
- Kontaktdaten:
83 Die Überlieferung [oder Tradition], von der wir hier sprechen, kommt von den Aposteln her und gibt das weiter, was diese der Lehre und dem Beispiel Jesu entnahmen und vom Heiligen Geist vernahmen. Die erste Christengeneration hatte ja noch kein schriftliches Neues Testament, und das Neue Testament selbst bezeugt den Vorgang der lebendigen Überlieferung.
Die theologischen, disziplinären, liturgischen oder religiösen Überlieferungen [oder Traditionen], die im Laufe der Zeit in den Ortskirchen entstanden, sind etwas anderes. Sie stellen an die unterschiedlichen Orte und Zeiten angepaßte besondere Ausdrucksformen der großen Überlieferung dar. Sie können in deren Licht unter der Leitung des Lehramtes der Kirche beibehalten, abgeändert oder auch aufgegeben werden. (Quelle KKK)
Nach dem KKK (Nr. 83) ist die Tradition - die Überlieferung des katholischen Glaubens - tatsächlich mit den Aposteln abgeschlossen. Nicht abgeschlossen sind nach dem KKK (gleiche Nummer) die zeitlichen und regionalen Anpassungen der Überlieferung im Sinne wie oben.
Hm. Ganz interessant: der Heilige Bernhard verwirft die Lehre von der "Unbefleckte Empfängnis" mit dem Hinweis auf die alte Überlieferung der Kirche, die sie nicht kenne (Epistola 174). Dabei verweist er sogar ausdrücklich auf die Kirchenväter, indem er den Kanoniker von Lyon (die das neue Fest 1136 eingeführt hatten) vorwirft, klüger als jene sein zu wollen. Hm.
Die theologischen, disziplinären, liturgischen oder religiösen Überlieferungen [oder Traditionen], die im Laufe der Zeit in den Ortskirchen entstanden, sind etwas anderes. Sie stellen an die unterschiedlichen Orte und Zeiten angepaßte besondere Ausdrucksformen der großen Überlieferung dar. Sie können in deren Licht unter der Leitung des Lehramtes der Kirche beibehalten, abgeändert oder auch aufgegeben werden. (Quelle KKK)
Nach dem KKK (Nr. 83) ist die Tradition - die Überlieferung des katholischen Glaubens - tatsächlich mit den Aposteln abgeschlossen. Nicht abgeschlossen sind nach dem KKK (gleiche Nummer) die zeitlichen und regionalen Anpassungen der Überlieferung im Sinne wie oben.
Hm. Ganz interessant: der Heilige Bernhard verwirft die Lehre von der "Unbefleckte Empfängnis" mit dem Hinweis auf die alte Überlieferung der Kirche, die sie nicht kenne (Epistola 174). Dabei verweist er sogar ausdrücklich auf die Kirchenväter, indem er den Kanoniker von Lyon (die das neue Fest 1136 eingeführt hatten) vorwirft, klüger als jene sein zu wollen. Hm.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."
Es lässt sich nicht immer genau sagen, was legitime Tradition, fromme Ausdeutung oder gar dekadenter Auswuchs ist.
Wenn immer so klar,wäre, was die authentische Tradition ist, bräuchten wir keine Konzilien und Defeinitionen (=Klärungen des Glaubensgutes)
Wenn immer so klar,wäre, was die authentische Tradition ist, bräuchten wir keine Konzilien und Defeinitionen (=Klärungen des Glaubensgutes)
Zuletzt geändert von roncalli am Mittwoch 18. August 2004, 12:57, insgesamt 1-mal geändert.
Kompliziert wird das ganze noch dadurch, dass manche Glaubenssätze (wie bspw. die "neueren" Mariendogmen) u.a. dadurch begründet werden, dass sie in der Liturgie div. Ortskirchen schon seit Jahrhunderten Platz hatten.Erich_D hat geschrieben:Hm.
Diese Liturgien sind aber nicht Teil der "großen" Überlieferung, sondern regionale Ausprägung.
Hm.
(Gut, daß ich mir darüber nicht den Kopf zerbrechen muss. In dem geht's sowieso z.Zt. rund...)
- Erich_D
- Beiträge: 1098
- Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
- Wohnort: Salzbayern
- Kontaktdaten:
Immer locker rollen lassen, Ralf, immer locker rollen lassenRalf hat geschrieben:(Gut, daß ich mir darüber nicht den Kopf zerbrechen muss. In dem geht's sowieso z.Zt. rund...)
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."
Erich_D hat geschrieben:83 Die Überlieferung [oder Tradition], von der wir hier sprechen, kommt von den Aposteln her und gibt das weiter, was diese der Lehre und dem Beispiel Jesu entnahmen und vom Heiligen Geist vernahmen. (...) (Quelle KKK)
Ich verstehe den zitierten KKK-Punkt etwas anders. Wenn die Überlieferung von den Aposteln herkommt, heißt das doch nicht, dass sie mit diesen auch abgeschlossen ist. Klassischerweise sagt man, dass die Offenbarung mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen sei, aber doch nicht die Tradition... Die besteht doch gerade in der unversehrten Weitergabe des Wortes Gottes an die Nachfolger der Apostel, "damit sie es unter der erleuchteten Führung des Geistes der Wahrheit in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und ausbreiten" (DV 9, zitiert in KKK, 81) - und dieser Bedarf besteht in jeder Generation neu. Insofern kann die Tradition gar nicht aufhören. Aber begrenzt wird sie natürlich durchaus - nämlich durch die heilige Schrift. An ihr muss sich jede Tradition messen (lassen).Erich_D hat geschrieben:Nach dem KKK (Nr. 83) ist die Tradition - die Überlieferung des katholischen Glaubens - tatsächlich mit den Aposteln abgeschlossen. Nicht abgeschlossen sind nach dem KKK (gleiche Nummer) die zeitlichen und regionalen Anpassungen der Überlieferung im Sinne wie oben.
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll.
(Adolph Kolping, Patron des XX. Weltjugendtags 2005)
(Adolph Kolping, Patron des XX. Weltjugendtags 2005)
- Erich_D
- Beiträge: 1098
- Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
- Wohnort: Salzbayern
- Kontaktdaten:
Ja, da würde ich sagen, dass Du den Schwerpunkt auf den Vorgang des Überlieferns und der Weitergabe legst, ich hingegen betonte das zu Überliefernde, also die durch die Apostel auf uns gekommene Überlieferung selbst. Die Weitergabe endet natürlich nicht, aber die durch die Apostel auf uns gekommene Überlieferung ist wohl abgeschlossen.
Was die Schrift anbelangt, ist sie nicht selber Teil dieser Überlieferung der Apostel? Also Teil der Tradition? Wird da nicht die Tradition an sich selber gemessen? Ist das nicht eigentlich ein logischer Zirkel?
Ansonsten: gute Nacht! Ich geh schlafen.
Was die Schrift anbelangt, ist sie nicht selber Teil dieser Überlieferung der Apostel? Also Teil der Tradition? Wird da nicht die Tradition an sich selber gemessen? Ist das nicht eigentlich ein logischer Zirkel?
Ansonsten: gute Nacht! Ich geh schlafen.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."
- Robert Ketelhohn
- Beiträge: 26021
- Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
- Wohnort: Velten in der Mark
- Kontaktdaten:
Die Frage fängt richtig an, geht dann aber in eine falsche Richtung, denn sie beruht, scheint mir, auf einem schiefen Traditionsbegriff.Erich D. hat geschrieben:»Wo beginnt und endet sie, vor allem in zeitlicher Hinsicht. Ist sie mittlerweile zum Abschluß gekommen?«
Wo beginnt eine Tradition? – Das ist die erste Frage. Das bedeutet: Woher kommt die Tradition, woher rührt, was da überliefert wird? Wer überliefert und was überliefert er? Und wem?
Wann endet die Tradition? – Nun, wenn die Überlieferung abbricht. Wenn das Überlieferte nicht mehr weitergegeben wird. Sie kommt dann nicht »zum Abschluß«, sondern endet mit dem Abbruch.
Aber ich nehme an, die Frage zielte eigentlich eher auf die tradierten Inhalte ab, auf das überlieferte Glaubensgut. Da ist nun allerdings die zitierte Unterscheidung des katechismus zu beachten, wobei mir wichtig scheint, bei den kirchlichen Traditionen noch einmal gesamtkirchliche und regionale oder lokale Überlieferungen zu unterscheiden. Kirchliche Traditionen müssen sich in jedem Fall immer und immer wieder an der apostolischen Überlieferung messen lassen.
(Die Frage der unbefleckten Empfängnis Mariens – ohne Zweifel ein wichtiger Punkt – sollten wir vielleicht eher andernorts diskutieren, in mariologischem Kontext. Richtig ist aber, daß nicht nur Bernhard, sondern auch etwa Thomas und Bonaventura, in Übereinstimmung mit den Kirchenvätern die Position einer Reinigung oder Befreiung Mariens von der Erbsünde gewiß schon im Mutterleib, aber eben doch kein apriorisches Ausgenommensein lehrten. Eine Position, welche die Orthodoxen – anders als die neuzeitliche Katholizität – bewahrt haben.)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
- Robert Ketelhohn
- Beiträge: 26021
- Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
- Wohnort: Velten in der Mark
- Kontaktdaten:
Ach ja, da kam ich wieder etwas spät – ihr habt die Unterscheidung inwischen auch getroffen. Halte ich allerdings für wichtig.Erich D. hat geschrieben:»dass Du den Schwerpunkt auf den Vorgang des Überlieferns und der Weitergabe legst, ich hingegen betonte das zu Überliefernde, also die durch die Apostel auf uns gekommene Überlieferung selbst. Die Weitergabe endet natürlich nicht, aber die durch die Apostel auf uns gekommene Überlieferung ist wohl abgeschlossen«
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
wenn die Traditio-n abgeschlossen wäre, könnte man nichts mehr tradieren.... kann ja nicht sein, oder?Erich_D hat geschrieben: Aber gut, heisst dies, dass Du meinst, die katholische Tradition wäre abgeschlossen?
Nö, ich meine, der Hl. Geist wirkt in seiner Kirche weiter - und erschließt die - abgeschlossene Offenbarung Gottes in Jesus Christus - je neu und uns angemesssen, durch den Hl. Geist, in seiner Kirche.
(komplizierter Satz...)
Titel
Für mich ist die Tradition vergleichbar mit einem schönen Edelstein. Je nach Blickwinkel, je nach Sonneneinwirkung, werde ich beim Edelstein etwas anderes erkennen können, obwohl es immer der gleiche Stein ist. – Vergleiche die Bibel mit diesem Bild. - Wenn ich dann diese Erkenntnis zu Papier bringe, werden nach 50 Jahren und mehr, die Menschen darin eine Tradition meiner Aussage finden und diese Tradition mit einem anderen Blickwinkel weiter entwickeln.
So geht das nach meinem Dafürhalten immer weiter. Will jemand die Tradition als für abgeschlossen halten, dann bedeutet dies den Tod der Tradition.
So geht das nach meinem Dafürhalten immer weiter. Will jemand die Tradition als für abgeschlossen halten, dann bedeutet dies den Tod der Tradition.
Gott ist mittendrin!
Titel
Sicher, jedes Bild, daß wir Menschen gebrauchen, um etwas anzudeuten, bleibt hinter der Realität zurück.roncalli hat geschrieben:@ Ermi
Ganz gefällt mir dein Diamant-Bild nicht: Ein Stein ist etwas Anorganisches, Tradition hingegen ist etwas Lebendiges, sie kann sich entfalten, reifen etc., ohne dabei ihre Identität zu verlieren.
Gott ist mittendrin!