Evagrios Pontikos hat geschrieben:Im Vorwort des Orthodoxen Glaubensbuches heißt es:
"Dieses Buch ist weder das Werk eines einzelnen Theologen noch vertritt es eine bestimmte Richtung innerhalb der Orthodoxen Kirche; es stellt vielmehr deren klassische Lehre so dar, wie sie in der orthodoxen Katechese aufgrund der Heiligen Schrift zu lesen und zu hören ist. Die Besonderheit dieses Werkes besteht darin, daß die Dogmen der Kirche nicht in auswendig zu lernenden Lehrsätzen dargeboten, sondern dem fragenden und überlegenden Menschen erläuternd aufgezeigt werden. Zu diesem Zweck haben wir Übersetzungen aus Aufsätzen von hochgelehrten, namhaften Apologeten gebracht." (8) Im Blick auf die Christologie heißt es dann, dass die dortigen Texte vom Erzpriester Prof. Dr. Lazar Milin von der Theologischen Fakultät Belgrad stammen.
Nun verlasse ich mich einfach mal darauf, dass der Verein zur Förderung von orthodoxem Schrifttum in deutscher Sprache und der Bischof der Diözese für Westeuropa S.E. Lavrentije beurteilen können, ob Prof. Lazar Milin den orthodoxen Konsens darstellen kann oder ob er ein Exot innerhalb der orthodoxen Schola theologorum ist. Deshalb gehe ich zunächst einmal einfach davon aus, dass die von mir zitierte und zusammengefasste Passage den orthodoxen Glauben authentisch darstellt, vielleicht sogar authentischer als heutige orthodoxe Theologen, denn das Buch stammt aus dem Jahr 1983. Demgegenüber ist es der Trend der heutigen Zeit, die Anstößigkeit des Kreuzes Christi harmonisieren und abmildern zu wollen. Warum sollte das bei orthodoxen Theologen anders sein?
Ich habe es schon früher geschrieben und es hat sich nichts daran geändert. Deine in - auf dem ersten Blick - in konziliantem Ton vorgetragenen Versuche, der Orthodoxie zu erklären, was sie zu glauben hat, sind äußerst
[...]*, da Dir diese Rolle als Glaubenshüter einfach nicht zusteht. Eine neue Qualität hat das Ganze allerdings nun erreicht, als Du den Vorwurf erhebst, dass diejenigen, die Deiner Theologie entgegentreten, "Stavroclasten" seien, also aufgrund modernistischer Umtriebe
das Kreuz Christi schmälern wollten.
Das ist deshalb eine Unverschämtheit, weil in diesem Thread und an anderer Stelle zwar dargelegt worden ist, dass das Kreuz aus patristischer Sicht eine andere Bedeutung hat als von Dir angenommen,
nicht aber, dass dieses Opfer nicht furchtbar und erforderlich zur Rettung der Menschen gewesen ist.
Genauso ist nicht verschwiegen worden, dass über die Jahrhunderte aufgrund der Umstände sowohl in Osteuropa als auch zeitweise in Griechenland, starke westliche (= neue) Einflüsse in der Theologie zu verzeichnen waren. Es hat auch niemand bestritten, dass auch in der Orthodoxie (die nicht die ausschließliche Versammlung von Heiligen ist) unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Allerdings ist es exakt wie MND oben geschrieben hat, dass inzwischen ein ganz einheitlicher Konsens darüber besteht, dass Formulierungen wie die hier in Rede stehenden als heterodox ausgeschieden werden müssen.
Was bedeutet auch grundsätzlich ein einzelnes Buch und vor allem seine Selbstbeschreibung? (Ich habe in Griechenland zwischenzeitlich um ein Feedback zu dem mir unbekannten Autor ersucht.) Ich kann binnen 5 Minuten jeweils 30 sowohl lutherische als auch römisch-katholische Äußerungen zusammengooglen, die sich völlig widersprechen - gerade auch zu dieser Thematik. Die Differenzen liegen aber nicht in einer modernistischen Theologie begründet. So hat etwa die schismatische, altkalendarische HOCNA (die keinesfalls unter Modernismusverdacht steht) in Nordamerika das Werk von Metropolit Anthony (Khrapitkovsky) - der unter anderem scholastische Elemente aus dem Katechismus von Metropolit Philaret entfernt hat sowie ein Buch über die Erlösung verfasst hat - ausführlich gegen die Vorwürfe von verschiedener Seite und schließlich insbesondere von einem gewissen Vladimir Moss verteidigt:
Hier (lang, ausführliche Ausarbeitung zu der Thematik mit biblischen Nachweisen/Kirchenväterzitaten) und
Hier (kurz) . Das hat aber ebenfalls der frühere Erzbischof Lazar Puhalo der OCA getan.
Entscheidend ist aber letztlich nicht, wer heute was sagt und schreibt, sondern, dass hier zahlreiche Kirchenväterzitate (hl. Johannes Chrysostomus, hl. Gregor von Nazianz, hl. Irenäus) vorgelegt worden sind, die dem Standpunkt des von Dir vorgelegten Buches widersprechen. Dann kann man aber doch nicht von einem orthodoxen Konsens reden.
Ebenso habe ich erwähnt, dass der zeitgenössische schwedische Lutheraner Gustav Aulén in seinem Buch "Christus Victor" die verschiedenen Erlösungstheorien historisch untersucht hat und auch zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die in ("traditionellen Kreisen") im Westen nun vorherrschenden Satisfaktions- bzw. Strafersatztheorien erst mit Anselmus aufgekommen sind und der alten Kirche weitestgehend unbekannt waren. Liegt also wirklich eine modernistische Innovation vor? Stattdessen wurde damals eben "Christus Victor" gelehrt - ohne juridische Komponenten. Auch - ansonsten sicherlich nicht allgemein verbindliche Plattformen - wie die englischsprachige Wikipedia ordnen der Orthodoxie eindeutig im mehreren Artikeln eine entsprechende Soteriologie zu. Alles in den letzten Jahren gefälscht, womöglich von den orthodoxen Foranten der Sakristei?
Ganz grundsätzlich halte ich es auch für empfehlenswert, dass jeder erst einmal bei sich zu Hause aufräumt. Die von Dir wiedergegebene Rechtfertigungsauffassung entspricht nämlich keineswegs der klassischen lutherischen Lehre. In lutherischen Gemeinden, die ich besucht habe, hätte man Dich mit diesen teilweise "werkgerechten" Standpunkten hochkant vor die Tür gesetzt.
"While the earlier writings of Evagrios, containing his collection of instructions from the fathers of the Egyptian desert, are generally traditional, his theology was not. We must caution the reader that Evagrios fell into very severe heresies, for which he was condemned at the Fifth Ecumenical Countil in A.D.553. Evagrios is neither a saint nor a father of the Church. He was a philosopher who strayed far from Christianity in his later years." (Erzbischof Lazar Puhalo)
Honni soit qui mal y pense...
* Zensiert.
W.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.