Beim Thema „Arme Seelen“ vermischen sich leider sehr stark Volkglauben, Okkultismus/Esoterik/Spiritismus und manche menschliche Überspanntheit mit der nüchtern-knappen offiziellen kirchlichen Lehre zu den „Verstorbenen in der Läuterung“ – wobei der Begriff „Arme Seelen“ bezeichnenderweise ja auch nicht die kirchenoffizielle Bezeichnung ist, sondern ein Produkt des Volksglaubens/der Volksfrömmigkeit (prinzipiell nichts gegen Volksfrömmigkeit, aber beim Begriff „Arme Seelen“ und den damit verbundenen volkstümlichen Vorstellungen bin ich doch eher ablehnend eingestellt). Apropos Spiritismus: Es gab doch vor Jahren mal einen Boom an angeblichen Kassettenrecorder-Aufnahmen von Stimmen Verstorbener – man konnte angeblich mit ihnen in Kontakt treten, wenn man das Mikro in die Luft hielt, das Gerät einfach laufen ließ, um anschließend in/aus dem Gerausche ihre Stimme zu hören ...
Übrigens: Die Seite von Don Camillo bringt überwiegend wohltuend-informative, nüchterne Feststellungen, könnte von daher für am Thema Interessierte (das aber um Himmels und Fegfeuers willen ein Nebenthema bleiben muss, es gibt Wichtigeres!) „aufklärerisch“ nützlich sein. Was mich etwas stört, ist a) der Ausdruck „Arme-Seelen-Seite“, eben weil ich den Begriff nicht mag, andererseits: Vielleicht greifen infolge diese volkstümlichen Formulierung mehr Leute auf diese Seite zu als bei einem „abstrakteren“ Titel und finden dann prinzipiell korrekte Lehren , b) finde ich die Bilder zu kitschig und in Richtung esoterischer bzw. zu plastischer Vorstellungen (irre)führend, aber auch das ist wieder so eine Sache: Mir hat mal ein lutherischer Pfarrer aus einem Berliner Arbeiterviertel gesagt, er habe in seiner Kirche modern-abstrakte Bilder aufgehängt, viele seiner „einfachen“ Leute seien deshalb nicht mehr zum Gottesdienst gekommen, und daraufhin habe er mit ihnen beschlossen, für sie wieder „kitschigere“ Bilder aufzuhängen ...
Hier eine alte „Sage aus dem Böhmerwald“:
Arme Seelen
Kinder aus der Seewies gingen einmal in den Wald. Sie kamen in die geschlagene Nacht hinein, und da sahen sie die blauen Lichter übers Moos hin und her wischen. Den Kindern wurde ängstig, sie rannten davon und kamen zu einer Klause, und dort drin kniete ein eisgrauer Einsiedel. In der Klause wuchs den Kindern das Herz wieder, sie wurden keck und deuteten mit dem Finger auf die ruhlosen Lichter und gaben ihnen allerlei Namen. Das hätte nicht sollen sein. Auf einmal stehen die Lichter vorm Fenster und schlagen so gewaltig daran, daß alles klirrt. Jetzt verrauschte den Kindern schnell der Mut, in ihrer Not krochen sie dem Einsiedel unter den Bart, er möchte ihnen um Herrgottswillen helfen. Da sagte der Eisgraue: "Gebt alle Brotbrösel zusammen und streut sie vor die Tür!" Das taten jetzt die Kinder gar eifrig, und sie speisten also die wilden Lichter, und die Lichter stillten sich und verloren sich bald und spielten wieder weit draußen überm Moos.
So tut ein armes Brotbröslein oft Wunder.
Hier ein Stichwort aus einem Esoterik-Lexikon:
Arme Seelen
Im Volksglauben die Seelen der Verstorbenen, die im Fegefeuer büßen. Weil sie nicht erlöst wurden, müssen sie bisweilen noch auf Erden umgehen. In diesem Fall treten sie als Poltergeister in Aktion oder können als Erscheinung gesehen werden. Die Volkskunde kennt eine Vielzahl von Erscheinungsbildern (z.B. Irrlichter) – vgl. oben in der Sage!
Hier eine „Seherin“, die jeweils exakt 3 „Arme Seelen“ pro Beter und Rosenkranzperle retten wollte, Zitat aus dem Internet:
„Grete Ganseforth, Heede/Ems (Seherin Marias, der Königin des Weltalls und Königin der Armen Seelen), hat Personen, die sie selbst noch kannten, bei einem Besuch gesagt, die Verheißung sei: daß für jede Rosenkranzperle pro Beter drei Arme Seelen aus dem Fegfeuer befreit würden.“
Hier etwas aus einer Oberpfälzer Schrift von 1869:
"Der katholische Oberpfälzer hält treu an seiner Kirche und läßt sich durch nichts darin beirren. Aber keine Lehre derselben ist so sehr in sein Wesen, sein ganzes Thun und Lassen übergegangen, als die Lehre von den Seelen im Fegefeuer, ihren Leiden und der Hilfe, die er ihnen hierin bringen kann und soll. Es ist kein Augenblick, in dem er etwas unternimmt, ohne daß er der Armen Seelen sich erinnerte, von des Tages Anbruch bis zur finsteren Nacht." Der komplette Text zum Thema „Fegfeuer“, der diese Sätze zitiert, findet sich unter:
http://memopolis.uni-regensburg.de/lekt ... /fege.html
Dort auch folgende Zeilen:
„Ähnlich grausame Beschreibungen (des Fegefeuers) finden sich bis weit ins 18. Jahrhundert hinein. Eine Milderung des Straf- und Leidensgedankens gegenüber der mittelalterlichen Visionsliteratur ist nicht zu erkennen. In Wolfgang Eders "Unerschöpflichem Gnaden-Brunn" von 1689 heißt es: "Huete dich auch von denen laeßlichen Suenden / dann wann du in selben stirbest / so mußt du durch den feurigen Fluß / und vor Hitz erschroecklich wallende Wasser; je groesser aber die Menge diser Suenden / je langsamber wirst du durch dise feurige Peyn hindurch kommen."
Erst mit der Aufklärung milderten sich die Flammen des Fegefeuers. Nun betonten die Gebets- und Andachtsbücher den Läuterungszweck des Fegefeuers, damit die Seelen unbefleckt in den Himmel eintreten können. Nicht mehr in Furcht solle man sein Leben gemäß christlicher Grundsätze leben, sondern in Einsicht, Gott solle nicht mehr als bedrohlich, sondern als liebend und fürsorglich empfunden werden. Daher stellte man als das eigentliche Leid der Armen Seelen die fehlende Gottesanschauung heraus. Im "Armenseelenbüchlein für Feld und Haus", das im Jahr 1915 in Regensburg erschien, heißt es etwa: "Darum heißen sie arme Seelen. Sie dürsten nach Gottes Anschauung, ohne sie vorerst erreichen zu können. Das ist ganz klar. Der Leib mit den Fesseln des sinnlichen Erkennens ist für sie fortgefallen, die Erde mit ihren Lockungen und Bedürfnissen trübt nicht mehr ihren Blick. Sie wissen jetzt mit vollem Verständnis die Größe und Schönheit Gottes, das Glück des Himmels zu würdigen. Sie stehen gleichsam vor dem Tor, ohne Einlaß bekommen zu können. Und sie müssen leiden."
Also, einfacher Tipp: es bei der kurzen, nüchternen offiziellen Lehre der Kirche zur "Läuterung der Verstorbenen" belassen, nix mit Privatoffenbarungen, spiritistischen Anklängen und ähnlichem Gedöhns, und dem Thema auch den relativ niedrigen Stellenwert belassen, den es für die offizielle Kirchenlehre hat, es also bloß nicht aufbauschen. Es gibt wahrlich Wichtigeres im Glauben - und im Leben!
Uli
www.textdienst.de/woran_christen_glauben.htm