Spr 8,22-31: Textkritik

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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ad-fontes
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von ad-fontes »

Alban Dold hat übrigens auch einige "Lateinische Fragmente der Sapientalbücher aus dem Münchener Psalimspest CLM 19105" ediert (Beuron 1928).

Ob die betreffende Stelle sich darin findet, kann ich gerade nicht sagen. Leider gibt es noch keine Gesamtedition der Proverbia gemäß der Vetus Latina.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Vulpius Herbipolensis
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Vulpius Herbipolensis »

ad-fontes hat geschrieben:Alban Dold hat übrigens auch einige "Lateinische Fragmente der Sapientalbücher aus dem Münchener Psalimspest CLM 19105" ediert (Beuron 1928).

Ob die betreffende Stelle sich darin findet, kann ich gerade nicht sagen. Leider gibt es noch keine Gesamtedition der Proverbia gemäß der Vetus Latina.
Danke. Allerdings wird es für mich nicht sinnvoll sein, noch einen weiteren Text - bzw. sogar mehrere! - miteinzubeziehen, zumal unser Dozent den lateinischen Versionen keinen besonders hohen Stellenwert einräumt.
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Vulpius Herbipolensis
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Vulpius Herbipolensis »

Vulpius Herbipolensis hat geschrieben:Vulgata: Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Flüsse und die Angeln des Erdkreises. (Oder auch durch das adhuc etwas deutlicher in den Zusammenhang mit dem vorausgehenden Vers gestellt: Bis dahin hatte er ...)
Wenn ich den gesamten Text im Lateinischen so nochmals lese, neige ich inzwischen doch dazu, diesen Satz schon als Überleitung zum nächsten Vers, überheupt zum nächsten Sinnabschnitt aufzufassen. Was meint ihr?
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ChrisCross
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von ChrisCross »

Vulpius Herbipolensis hat geschrieben:
Vulpius Herbipolensis hat geschrieben:Vulgata: Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Flüsse und die Angeln des Erdkreises. (Oder auch durch das adhuc etwas deutlicher in den Zusammenhang mit dem vorausgehenden Vers gestellt: Bis dahin hatte er ...)
Wenn ich den gesamten Text im Lateinischen so nochmals lese, neige ich inzwischen doch dazu, diesen Satz schon als Überleitung zum nächsten Vers, überheupt zum nächsten Sinnabschnitt aufzufassen. Was meint ihr?
Das ist nicht unwahrscheinlich, reimt doch das Hebräische nicht mit Versenden, sondern dem Sinn nach.
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lifestylekatholik
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von lifestylekatholik »

Vulpius Herbipolensis hat geschrieben:zumal unser Dozent den lateinischen Versionen keinen besonders hohen Stellenwert einräumt.
:roll:
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

Vulpius Herbipolensis
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Vulpius Herbipolensis »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Vulpius Herbipolensis hat geschrieben:zumal unser Dozent den lateinischen Versionen keinen besonders hohen Stellenwert einräumt.
:roll:
Ich glaube, ich muß mich eher freuen, daß er zumindest dem Griechischen noch einigermaßen Gewicht beimißt. Ist ja zur Zeit alles andere als selbstverständlich.
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Vulpius Herbipolensis
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Vulpius Herbipolensis »

Also: Mal ein Versuch, einer (grundsätzlich auf der Rev. Elberfelder beruhenden, weil der Dozent das erwartet) Wiedergabe von M nach der schon öfter zitierten Interlinearübersetzung. Nein, eher eine Anpassung der Elberfelder an diese:

22 Der HERR hat mich geschaffen als Anfang seines Weges, vor seinen Werken von damals.
23 Von Ewigkeit her war ich eingesetzt, von Anfang an, vor den Uranfängen der Erde.
24 Als es noch keine Fluten gab, wurde ich geboren, als noch keine Quellen waren, reich an Wasser.
25 Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln war ich geboren,
26 als er noch nicht gemacht die Erde und die Fluren, noch die ersten Schollen des Festlandes.
27 Als er den Himmel feststellte, war ich dabei. Als er einen Kreis abmaß über der Fläche der Urflut,
28 als er die Wolken droben befestigte (oder befestigte er wie in G die hohen Wolken?), als stark waren die Quellen der Tiefe,
29 als er dem Meer seine Schranke setzte, damit (oder: … seine Grenze, [nämlich] daß?) die Wasser seinen Befehl (oder: „ihren Rand?“ Ist da der Bezug des Wortes für „Mund“ auf den Herrn oder auf die Wasser eindeutig zu bestimmen?) nicht übertraten, als er die Grundfesten der Erde abmaß:
30 Da war ich Schoßkind bei ihm und war seine Wonne Tag für Tag, spielend vor ihm allezeit,
31 spielend auf dem Rund seiner Erde, und ich hatte meine Wonne an den Menschenkindern.

In Vers 31b vielleicht noch: „… und es war meine Wonne, mit den Menschenkindern zu sein.“ Mal sehen.
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Vulpius Herbipolensis
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Vulpius Herbipolensis »

Noch einmal eine Frage zu V. 22: Im 22b schwankt die Übersetzung zwischen "... als erstes seiner Werke von jeher" (Rev. Elb.) u.ä. einerseits und "... vor seinen Werken von damals" (Plöger) u.ä. Die Hebr.-Dt. Interlinearübersetzung hat: "... vorne(=früher) von(=als)-seine-Werke von-damals." Nun ist es freilich etwas mager, wenn ich einfach auf diese Übersetzung und die Vulgata vertraue, andere Übersetzungen aber außer acht lasse. Am Hebräischen argumentieren kann ich nicht und meine Kommentare lassen mich im Stich. Könnte bitte jemand, der Hebräisch kann, die Übersetzung "vor seinen Werken von damals" begründen oder kann jemand eine solche Begründung zitieren?
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overkott
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von overkott »

Hier gibt es einen Hinweis gemäß Plöger (vor seinen Werken von damals) in der Mitte der Seite:

http://related.springerprotocols.com/lp ... 9zJhvheBFm

Für den Gesamtkontext ist wichtig, dass Gott die Weisheit vor seinen Werken schon gehabt haben sollte. Die Bedeutungen von genesis sind mehrdeutig, sie lauten auf Varianten von hervorbringen (neutral), zeugen (männlich), gebähren (weiblich), schaffen (sächlich). Ob etwas von Gott hervorgebracht, gezeugt, geboren oder geschaffen ist, bleibt also maßgeblich dem Übersetzer überlassen.

Vulpius Herbipolensis
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Vulpius Herbipolensis »

Es geschehen noch Zeichen und Wunder! ;D :breitgrins:

Im Ernst: Vielen Dank!
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Niels
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Niels »

Carl Ludwig W. Grimm: Commentar über das Buch der Weisheit (1837) http://ia748.us.archive.org/6/items/ ... imgoog.pdf
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ohneideale
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von ohneideale »

Die Überarbeitete Elberfelder (2003/2005), erschienen im CSV-Verlag, gibt
Sprüche 8: Vers 22 folgendermaßen wieder.
Der HERR besaß mich im* Anfang seines Weges, vor seinen Werken von jeher.
*als (Fußnote). "Besaß" entspricht wohl der Vulgata.
Die meisten Übersetzungen schreiben "hat mich geschaffen" (oder ähnliches). Davon ausgehend, dass der HERR Gott wohl niemals ohne Weisheit war (Verzeihung, ich weiß das ist sehr salop formuliert), finde ich die Wiedergabe der ÜbELB (in Konkurrenz zur RevELB) schlicht besser. Selbst, wenn sie nicht sehr wortwörtlich sein sollte. Offenbar haben die Übersetzer der ÜbELB der theologisch zutreffenden Auslegung der Wortwörtlichkeit gegenüber eindeutig den Vorzug gegeben.
MfG

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Robert Ketelhohn
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das ist freilich mehr Interpretation denn Übersetzung. Eine gefährliche Methode. Nach der LXX muß es ungefähr heißen: »Der Herr hat mich gegründet als den Ursprung seiner Wege auf seine Werke hin.«
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ohneideale
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von ohneideale »

Grüße dich Robert,
danke für die Rückmeldung. :)
Ich denke auch, dass es sich um Auslegung handelt. Angesichts der Tatsache, dass alle Bibelübersetzungen auch Auslegungen sind, sehe ich das eher gelassen. Und danke für deine die Wiedergabe der LXX.
Die Septuaginta Deutsch (Herausgeber Deutsche Bibelgesellschaft) gibt den Satz folgerndermaßen wieder:
Der Herr hat mich erschaffen als Anfang seiner Wege auf seine Werke hin.
Die Kursivschrift befindet sich ebenfalls in der gedruckten Ausgabe.
Obgleich die ÜbELB ansonsten wesentlich "genauer" (auch sperriger) ist, ist diese "Übertragung" zumindest nicht abwegig.
So ist es für mich persönlich angenehm zu wissen, dass die Vulgata den Vers mit "Dominus possedit me..." schreibt. Ich bin zwar nicht bewandert in Latein, aber "possedit me" bedeutet doch "besaß (beherrschte) mich", oder? Falls ich mich täusche, lasse ich mich aber gern eines Besseren belehren.
MfG :)

Pilgerer
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Pilgerer »

ohneideale hat geschrieben:Die Überarbeitete Elberfelder (2003/2005), erschienen im CSV-Verlag, gibt
Sprüche 8: Vers 22 folgendermaßen wieder.
Der HERR besaß mich im* Anfang seines Weges, vor seinen Werken von jeher.
*als (Fußnote). "Besaß" entspricht wohl der Vulgata.
Die meisten Übersetzungen schreiben "hat mich geschaffen" (oder ähnliches). Davon ausgehend, dass der HERR Gott wohl niemals ohne Weisheit war (Verzeihung, ich weiß das ist sehr salop formuliert), finde ich die Wiedergabe der ÜbELB (in Konkurrenz zur RevELB) schlicht besser. Selbst, wenn sie nicht sehr wortwörtlich sein sollte. Offenbar haben die Übersetzer der ÜbELB der theologisch zutreffenden Auslegung der Wortwörtlichkeit gegenüber eindeutig den Vorzug gegeben.
MfG
Wenn mit der Weisheit der Logos gemeint ist, d.h. der ewige Sohn als Person innerhalb der göttlichen Trinität, kann "geschaffen" nur falsch sein. Der Logos ist vom Vater geboren, und damit ist die "Weisheit" als Synonym für "Logos" ebenfalls geboren. Es kommt jedoch darauf an, das Wort "Weisheit" hier korrekt zu verstehen: es ist keine ruhende Weisheit, sondern die aktive Weisheit Gottes. Die aktive Weisheit Gottes ist in der ganzen Schöpfung aktiv und gibt jedem Geschöpf seine Funktionsweise vor. Doch ist diese Weisheit nicht sächlich, sondern Person: der Sohn. Die ruhende Weisheit Gottes ist für uns unzugänglich, weil wir Teil der Schöpfung sind und alleine mit der schöpferischen Weisheit Gottes in Berührung kommen.
Die Übersetzungen von Sprüche 8,22, die "geschaffen" sagen, gehen vermutlich davon aus, dass es sich um eine abstrakte Weisheit handelt, die außerhalb Gottes allgemeingültig sei. Doch halte ich das für unzutreffend. Ohne Gott ist abstrakte Weisheit "Haschen nach Luft", wie der Prediger erkennt: "ich richtete mein Herz darauf, dass ich lernte Weisheit und erkennte Tollheit und Torheit. Ich ward aber gewahr, dass auch dies ein Haschen nach Wind ist." (Prediger 1,17) Zu dieser abstrakten Weisheit gehört letztlich auch die weltliche Weisheit, über die Paulus in 1. Korinther 1 + 2 spricht, dass sie Gott und die Wahrheit des Evangeliums nicht erkennen konnte.
"wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit" (1. Korinther 2,7.12-13). Jesus Christus ist unsere Weisheit. Je mehr wir Jesus Christus erkennen, desto weiser - nach Gottes Maßstäben - werden wir. Die Worte Jesu sind die Brotkrumen göttlicher Weisheit, die, wenn wir sie empfangen, uns zugleich Leben, Weisheit und Verbundenheit mit Gott schenken. Er sprach am Sinai die Gebote Israels. Daher waren die Gebote Israels die erste Inkarnation des Logos (oder "der Weisheit") in unserer Welt. Die weisen Israeliten wie in Sprüche und Weisheit Salomos nahmen ihre Weisheit aus eben dem Gesetz Israels. Das Gesetz Israels war kein toter Buchstabe, sondern der Sohn selbst. Darum war im Allerheiligsten des israelitischen Tempels die Gesetzestafel, die ein Vorläufer des Leibes Christi war, der im Allerheiligsten der christlichen "Tempel" (Kirchen) ist.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Robert Ketelhohn
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Der hebräische Text ermöglicht offenbar beide Bedeutungen. Ich halte mich
eher an die LXX, die Bibel der Kirche der Apostel; gr. κτίζω heißt aber auch
nicht einfach „erschaffen“, sondern hat vielfältige Bedeutungen, etwa – vom
Land gesagt – „urbar machen“, eine Stadt „gründen“, generell „herstellen,
ins Werk setzen, errichten, einrichten, anordnen, stiften“. Es braucht das Wort
also durchaus nicht im Sinn eines creandi ex nihilo verstanden zu werden. Oben
habe ich darum übersetzt: „gegründet“. Dagegen erschlösse sich mir der theo-
logische Sinn eines „Besitzens“ nicht.
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ohneideale
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von ohneideale »

Guten Morgen.
Es wird uns wohl einmal mehr sehr deutlich vor Augen geführt, dass wir doch in unseren sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten recht beschränkt sind.
Offensichtlich kann Vers 22 nicht eindeutig verständlich 1:1 wiedergegeben werden.

Da die LXX auch bereits eine Übersetzung ist, hier einmal zwei Links zu
interlinearen Übersetzungen der Heiligen Schrift Hebräisch/Englisch.
http://www.scripture4all.org/OnlineInte ... f/pro8.pdf
http://www.qbible.com/hebrew-old-testam ... rbs/8.html

Eugen Schlachter (Ausgabe 1981) übersetzte die Verse Verse 22 und 23a so:
Der HERR besaß mich am Anfang seiner Wege, eher er etwas machte, vor aller Zeit. Ich war eingesetzt von Ewigkeit her, vor dem Anfang...
So viel ich weiß, arbeitete er mit dem hebräischen Text.

MfG

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Protasius
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Protasius »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Der hebräische Text ermöglicht offenbar beide Bedeutungen. Ich halte mich
eher an die LXX, die Bibel der Kirche der Apostel; gr. κτίζω heißt aber auch
nicht einfach „erschaffen“, sondern hat vielfältige Bedeutungen, etwa – vom
Land gesagt – „urbar machen“, eine Stadt „gründen“, generell „herstellen,
ins Werk setzen, errichten, einrichten, anordnen, stiften“. Es braucht das Wort
also durchaus nicht im Sinn eines creandi ex nihilo verstanden zu werden. Oben
habe ich darum übersetzt: gegründet“. Dagegen erschlösse sich mir der theo-
logische Sinn eines „Besitzens“ nicht.
Alliolibibel hat geschrieben:Daß hier von dem Worte, der zweiten Person der Gottheit, die Rede ist, erkannten die Arianer ebenso wie die Väter. „Der Herr besaß mich“ bedeutet, daß der Vater stets im Sohne und der Sohn stets im Vater war. (Hier.) Epiph. und Beda sind der Ansicht, daß der hl. Johannes diese Stelle für den Anfang seines Evangeliums vor Augen gehabt habe. Demgemäß erklären Basil., Epiphan., Hieron. das Hebräische: er zeugte und besaß durch die Zeugung. Hilarius weist darauf hin, daß die Weisheit, die hier geschaffen heißt, bald gezeugt genannt wird.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Pilgerer
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Pilgerer »

Dazu eine Parallelstelle in Weisheit Salomo 7:
"25 Sie (die Weisheit) ist ein Hauch der Kraft Gottes und reiner Ausfluss der Herrlichkeit des Allherrschers; darum fällt kein Schatten auf sie.
26 Sie ist der Widerschein des ewigen Lichts, der ungetrübte Spiegel von Gottes Kraft, das Bild seiner Vollkommenheit.
27 Sie ist nur eine und vermag doch alles; ohne sich zu ändern, erneuert sie alles. Von Geschlecht zu Geschlecht tritt sie in heilige Seelen ein und schafft Freunde Gottes und Propheten;
28 denn Gott liebt nur den, der mit der Weisheit zusammenwohnt."

Vers 26 sagt, dass die Weisheit das Bild Gottes sei. Der Sohn Gottes ist auch als das Bild Gottes zu verstehen, das zugleich eine eigene Personalität besitzt. Daher sehen wir im Sohn den ansonsten unsichtbaren Vater.
Die Weisheit ist ein "reiner Ausfluss der Herrlichkeit" Gottes: Die Trinität lässt sich bildlich auch als "Leib Gottes" zu verstehen, in der die drei göttlichen Personen drei Glieder Gottes bilden. Der Sohn geht vom Vater aus, wie Jesus selbst sagte (Joh 16,28). Jesaja nannte ihn den "Arm Gottes". Es ist tatsächlich dieser Arm Gottes, der im Gehorsam gegenüber dem Vater in der Schöpfung handelt und der für uns Geschöpfe die höchste erreichbare Weisheit ist.

Weisheit Salomo 8,4 sagt über die Weisheit: "Eingeweiht in das Wissen Gottes, bestimmte sie (die Weisheit) seine Werke."
D.h. die Weisheit kennt das Wissen Gottes und legt Prinzipien und Grenzen seiner Geschöpfe fest. Weil die göttliche Weisheit die Geschöpfe erschafft, finden sie in der göttlichen Weisheit ihren Schöpfungs-Sinn. Die Weisheit enthält den Bauplan des Menschseins. Zu diesem Bauplan gehört das Leben, das Gott als Schöpfer zum Teil der menschlichen Existenz bestimmt hat. Daher ist es lebensnotwendig, die Weisheit zu finden, um das Leben zu finden und den geistlich/seelischen Tod zu umgehen.
ohneideale hat geschrieben:Es wird uns wohl einmal mehr sehr deutlich vor Augen geführt, dass wir doch in unseren sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten recht beschränkt sind.
Offensichtlich kann Vers 22 nicht eindeutig verständlich 1:1 wiedergegeben werden.
Bei Vers 22 gibt es die Unterschiede, aber in Vers 24/25 gibt es zumeist eine eindeutige Übersetzung:
24 Als die Meere noch nicht waren, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen.
25 Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren (Luther)

24 Als noch keine Fluten waren, wurde ich geboren, als die wasserreichen Quellen noch nicht flossen.
25 Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren. (Schlachter)

24 Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen.
25 Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren. (Einheitsübersetzung)
Dazu Vers 31: "36 Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod." Dieser sagt das Gleiche wie Joh 3,19: "Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse."
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

ohneideale
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von ohneideale »

Herzlichen Dank, Pilgerer.
Ich denke, dass das Buch Weisheit ein Schatz ist. MfG

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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Pilgerer »

ohneideale hat geschrieben:Herzlichen Dank, Pilgerer.
Ich denke, dass das Buch Weisheit ein Schatz ist. MfG
Es ist wie auch Jesus Sirach ein ganz edles Buch der Bibel, die beide in den protestantischen Bibeln spürbar fehlen. Die jüdische Weisheitsliteratur, zu der Hiob, Sprüche, Prediger, Weisheit, Sirach und Hoheslied gehören, lockert den sonst teils spröden Charakter des AT auf, bringt aber auch manche Wahrheiten der israelitisch-christlichen Tradition gut auf den Punkt. Sie sind eine attraktive gute Alternative zur griechisch-heidnischen Philosophie.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

ohneideale
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von ohneideale »

Pilgerer hat geschrieben:

Es ist wie auch Jesus Sirach ein ganz edles Buch der Bibel, die beide in den protestantischen Bibeln spürbar fehlen. Die jüdische Weisheitsliteratur, zu der Hiob, Sprüche, Prediger, Weisheit, Sirach und Hoheslied gehören, lockert den sonst teils spröden Charakter des AT auf, bringt aber auch manche Wahrheiten der israelitisch-christlichen Tradition gut auf den Punkt. Sie sind eine attraktive gute Alternative zur griechisch-heidnischen Philosophie.
Dem stimme ich zu. Im Grunde ist es ungeheuer anmaßend, einen derart lang verwendeten Text einfach zu entsoregen, nur weil es den eigenen Vorstellungen nicht entspricht.

Ich habe einmal den Textabschnitt Weisheit 7:22-30 aus der
Septuaginta Deutsch abgetippt.

(Die Weisheit) = von mir

22 In ihr ist nämlich ein Geist: vernunftvoll, heilig, einzig, vielteilig, fein, leichtbeweglich, durchdringend, unbefleckt, klar, keinen Schmerz zufügend, das Gute liebend, schnellbereit

23 unbehinderbar, wohltätig, menschenfreundlich, verlässlich, sicher, sorgenfrei, allmächtig, alles überschauend und durch alle Geister dringend, (die) vernunftvollen, reinen, leichtesten.

24 Beweglicher nämlich als alle Bewegung ist die Weisheit, sie geht aber hindurch und durchdringt alles aufgrund ihrer Reinheit.

25Ein Hauch nämlich ist sie der Macht Gottes und eine klare Ausströmung der Herrlichkeit des Allherrschers; deshalb dringt nichts Unreines in sie ein.

26Wiederschein nämlich ist sie ewigen Lichts und ein fleckenloser Spiegel der Wirkkraft Gottes und ein Bild der Gutheit.

27 Eine seiend vermag sie alles und bei sich bleibend zu erneuert sie alles. Und von Generation zu Generation geht sie in heilige Seelen ein und bereitet Freunde Gottes und Propheten.

28Nichts nämlich liebt Gott außer dem, der mit der Weisheit zusammenlebt.

29Sie ist nämlich schöner als die Sonne und über(trifft) jedes Sternbild. Mit dem (Tages)licht verglichen, wird sie strahlender befunden.

30 Diesem nämlich folgt die Nacht nach, die Bosheit aber ist nicht stärker als die Weisheit.

Ich bin übrigens sehr froh, mir die Septuaginta Deutsch zugelegt zu haben. Aber das ist schon off topic.

MfG

Pilgerer
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Re: Spr 8,22-31: Textkritik

Beitrag von Pilgerer »

Ein modernes Gleichnis aus unseren Tagen kann die Weisheit, von der in Sprüche 8,22 ff. und Weisheit Salomos die Rede ist, mit dem Programmcode von PC-Programmen vergleichen. Einer virtuellen PC-Welt liegt eine ganze Fülle von Programmzeilen zugrunde, die allen Programmelementen vorgeben, wie sie zu funktionieren haben. Wenn nun ein Programm über seinen eigenen Sinn nachdenken wollte, müsste es sich mit dem Programmcode beschäftigen. Der Programmcode ist der "Weg", um den Gedanken des Programmierers am nähesten zu kommen. Einen anderen Weg gibt es technisch nicht.

Im Unterschied zu einem Computerprogramm ist in der Realität der "Programmcode" eine Person und höchst lebendig. Durch den Sohn erfahren wir, wie wir zu sein haben. Als er Mensch wurde, demonstrierte er das umso mehr. Für uns Menschen ist der Sohn die Weisheit. Zwar verfügt auch der Vater über Weisheit, aber sie ist uns nicht zugänglich. Durch den Sohn, der für uns die Weisheit ist, kommen wir dem Vater samt Seiner Weisheit am nähesten.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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