Die "Mitleidsindustrie" ist natürlich darauf bedacht, den "Wohlstandsbürgern" ein schlechtes Gewissen einreden zu wollen, um den Spendenfluß nicht zu unterbrechen.
Ein ziemlich ernüchternder Artikel heute in der FAZ:
Die Vereinten Nationen ließen verlauten, sie benötigten bis zu 1,6 Milliarden Dollar, um sich gegen die Krise zu stemmen. Auf welchen belastbaren Zahlen diese Hochrechnung allerdings beruht, war wie immer in solchen Situationen nicht in Erfahrung zu bringen. Doch das spielt keine Rolle. Alleine das Hinterfragen solcher Informationen lässt den Fragesteller angesichts von Bildern spindeldürrer Kinder als gottlosen Ketzer dastehen. Die niederländische Buchautorin Linda Polman, die fünf Jahre lang die Mechanismen der internationalen Hilfsorganisationen recherchierte, hat dafür den treffenden Begriff gefunden: „Die Mitleidsindustrie“.
(...)
Grob gesagt werden zwischen 1 und 15 Prozent jeder Spende für Verwaltungskosten verwendet, was wenig ist. Einige Hilfsorganisationen sind zudem so ehrlich ihre Marketingkosten für die Spendenaufrufe zu beziffern, und kommen dabei auf einen Anteil von 2 bis 25 Prozent. Rechnet man die beiden Höchstwerte zusammen, bedeutet dies, dass immer noch 6 Prozent jedes gespendeten Euro in ein Hilfsprojekt fließen. Das aber ist Augenwischerei, weil die Verwaltungskosten vor Ort als Projektkosten verbucht werden.
Die „Mitleidsindustrie“ ist längst zu einer Industrie geworden wie jede andere auch, in der es um Akquise geht und der Wettbewerb über Verdrängung läuft. Auf die gegenwärtige Lebensmittelkrise in Somalia übertragen sieht das so aus: Ein Generalunternehmen – entweder das Welternährungsprogramm (WFP) oder das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) – baut ein Flüchtlingslager und verpflichtet für dessen Bewirtschaftung andere Hilfsorganisationen als Subunternehmer. Diese buhlen um solche Aufträge, weil sie ihnen Medienpräsenz sichern, was wiederum Spenden generiert. Im größten Flüchtlingslager der Welt, dem Lager von Dadaab in Kenia, das vom UNHCR gemanagt wird, sind gegenwärtig mehr als 2 Hilfsorganisationen tätig, die wiederum nicht selten lokale Organisationen verpflichten, um die eigentliche Arbeit zu tun. Diese Praxis geht soweit, dass ein einziges Hilfsprojekt bis zu sieben Mal delegiert wird, wobei jedes Mal Gebühren einbehalten werden. Das führt im Extremfall dazu, dass von der ursprünglich vorgesehen Summe bestenfalls 1 bis 2 Prozent tatsächlich ankommen.
(...)
Die Organisationen müssen sich vorwerfen lassen, mit Diktatoren und Warlords zu kungeln, um nicht von den Gangstern aus dem Land geworfen zu werden. Ein großer Teil der Lebensmittelhilfe wird so besonders in Kriegsgebieten von den Kombattanten abgezweigt. Zu welchen Auswüchsen das führt, zeigt das Beispiel des WFP in Somalia. Die von den Vereinten Nationen und damit von den Steuerzahlern dieser Welt abhängige Organisation hatte 29 für den Transport von Lebensmitteln nach Somalia drei lokale Spediteure beauftragt. Umfang des Auftrags: 2 Millionen Dollar. Weil das WFP aufgrund der Sicherheitslage in Somalia nicht selbst kontrollieren konnte, ob die Lieferung ankommt, wurde ein Controller engagiert, bei dem es sich um die Ehefrau eines der Spediteure handelte. Der zweite Spediteur war ein bekannter Financier der radikal-islamischen Miliz al Shabaad, und der Dritte hatte Kraft der Feuerkraft seiner Kämpfer ein Monopol über das Handling in Hafen von Mogadischu sowie fast alle Lagerhäuser der Stadt. Mehr als die Hälfte der WFP-Lebensmittel wurden von diesen Herren gestohlen und anschließend auf den lokalen Märkten verkauft.
Es sind Geschichten wie diese, die den Vorwurf nähren, dass die Hilfsorganisationen im Grunde zur Fortsetzung von kriegerischen Auseinandersetzungen beitragen, weil sie die Kämpfer nicht nur füttern, sondern diese auch von der Aufgabe entbinden, für die eigenen Leute Sorge zu tragen. Natürlich begegnen die Organisationen solchen Vorwürfen vom Hochsitz der moralischen Überlegenheit herunter, weil sie schließlich helfen. Doch diese Hilfe ist längst zu einem gigantischen Geschäft geworden, bei dem der Einsatz von Ellbogen üblich ist.
http://www.faz.net/artikel/C335/human ... 7569.html
Es ist natürlich die Frage, wieviel überhaupt noch gespendet würde, wenn diese Zahlen bekannt wären. Man muß sich ja auch vor Augen halten, daß ein großer Teil der Spendengelder z.B. in Somalia an die Milizen fließen. Ob die dann das Geld für - eigene - Lebensmittel- oder Waffenkäufe verwenden, kann niemand kontrollieren.