ad-fontes hat geschrieben:
Die Stufen!
Nach meiner Wahrnehmung wurde ab den späten 1960er Jahren der Basilikaltyp v.a. (aber sicher nicht nur) durch den "Zelttyp" ersetzt. Diese "Zeltkirchen" (Dachkonstruktion oft aus Holz) sind sicher nicht als Multifunktionsräume konzipiert oder brauchbar, sondern klar kirchliche Versammlungsräume.
Doch was wurde durch diesen Willen zu mehr Nähe und Verständnis gewonnen, was ging verloren (oder war schon längst verloren)?
Das mystagogische Verständnis, der Geist der Anbetung!
Das sind drei wichtige Elemente, die eng zusammenhängen. Das Zelt - in meinem persönlichen Umfeld war es nicht so auffällig, aber anderswo zweifellos - Das Zelt ist eindezidiert "gottesdienstlicher" Versammlungsort mit einer klaren Aussage: Das pilgernde Gottesvolk unterwegs. Und zum Zelt passt auch kein durch Stufen hervorgehobener abgetrennter Platz für das Heiligtum, das behindert nur die Nähe.
Wo beim Verschwinden des "Geistes der Anbetung" Ursache und Wirkung sind, weiß ich auch nicht. Ich denke: Nach tausend Jahren Basilikalstil war wohl das Erlöschen des Willens zur Anbetung eine Voraussetzung dafür, Kirchen als Zelte zu konzipieren. Der Zelt-Typ beendet (oder erklärt für überflüssig) die Phase des Experimentierens, für die beispielhaft das Buch von Rudolf Schwarz "Vom Bau der Kirche" von 1947 stehen kann. Und das Zelt und seine Nähe verstärken eine Atmosphäre und eine Kultpraxis, in der es nicht primär um Anbetung geht.
Die "Stufe" oder "Abtrennung des Allerheiligsten" (damit ist dann auch die Kommunionbank, der Lettner, die Ikonostase usw. gemeint) ist etwas merkwürdiges: Auf den meisten Bildern sieht man sie gar nicht. Trotzdem hat der Wille, einen Altarraum zu definieren und ihn funktional und sichtbar vom Versammlungsraum abzugrenzen, offenbar starken Einfluss auf die Architekturgestalt des Kirchenbaus gehabt.
Trotzdem habe ich die Aula im Leokonvik bereits ohne den provisorischen Altar und obwohl ich das Fehlen einer Stufe bemerkte - ich hatte beim Bild zum Papstbesuch gedacht: Na, irgendein Podest hätten sie auch noch aufschlagen könnnen - trotzdem und ohne Stufen habe ich die Möglichkeit zur Verwechslung mit einer Kapelle stark empfunden. Die Wirkung des Merkmals Stufe scheint sich irgendwie "subversiv" zu vollziehen.
Wie sieht das mit der Typentwicklung eigentlich bei den Neubauten der letzten Jahre aus? Werden noch "Zelte" errichtet, oder wohin geht (außer zu postmodernen Versuchen) der aktuelle Trend?