Marcus hat geschrieben:
Bei Volksabstimmungen hätten aber letztlich in der heutigen Mediengesellschaft diejenigen mehr Erfolg, die von den Medien ordentlich mit Rückenwind vorangetrieben werden. Man kann auch Volksabstimmungen gezielt durch mediale Berichtserstattungen in eine bestimmte Richtung lenken. Daher reicht es nicht, bundesweite Volksentscheide zuzulassen. Denn das System, dessen Macht sich auch auf die Systemmedien stützt, wird sich nicht „demokratisch“ ändern lassen.
Da wäre ich mir nicht so sicher:
Erstens hat der Einfluß der Medien doch - im Vergleich zu den sechziger und siebziger Jahren - erheblich abgenommen.
Zeitungen fristen nur noch ein Schattendasein. Das Monopol des öffentl.-rechtl. Rundfunks gibt es nicht mehr und das Internet entzieht sich durch seine Vielfalt der Kontrolle des "Systems".
Zweitens gibt es bestimmte Themen, bei denen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung - trotz aller "Aufklärungsversuche" der herkömmlichen (Print- und Funk)Medien - sich nicht verändert. In der letzten Zeit trifft dies nach den Umfragen z.B. auf die Zahlungen im Rahmen der "Euro-Rettungshilfe" und die Zuwanderung aus dem islamischen Kulturkreis zu. Gleiches dürfte nach meiner Einschätzung auch für den Weg zu einem europ. Bundesstaat gelten.
Drittens haben Abstimmungen in anderen Ländern gezeigt, daß trotz entsprechender Medienmacht und Regierungswunsch die Plebiszite nicht nach Wunsch verliefen. Ich erinnere an die mehrfachen Abstimmungen in Irland zum Lissabon-Vertrag und an den EU-Verfassungsvertrag, der an Referenden in Frankreich und den NL scheiterte.
Auch der Sonderfall Schweiz mit vielen "politisch nicht-korrekten" Abstimmungsergebnissen bei Plebisziten (Minarett-Verbot, Beitritt zur EU, zum Europ. Wirtschaftsraum, selbst in früheren Jahren zur UNO) zeigt, daß die Einflußmöglichkeit der Medien mE überschätzt und vielleicht auch als willkommenes Argument gegen Plebiszite genutzt wird. Am Beispiel Schweiz kann man sehen, daß Volksabstimmungen nicht nur auf wenige strittige Punkte beschränkt sein müssen. Die Liste der
Abstimmungen auf Bundesebene zeigt eine erstaunliche Vielfalt an Themen, in denen der Souverän das letzte Wort hat - und der Erfolg gibt ihm Recht.

Leider ist nicht zu erwarten, daß der deutsche Gesetzgeber dieses Instument, das ihm von seiner Machtfülle nimmt, einführt. Wahrscheinlich wissen die Politiker in der Schweiz, daß ihre Gesetze jederzeit durch das Volk "gekippt" werden können - das macht vorsichtiger (oder klüger

).