Nein, ich kann/werde nicht alle Fragen aus dem "Katalog" beantworten, aber bei einigen kann ich's mal nach und nach versuchen:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ist nicht die Familie Urzelle und Keim jeder umfassenderen sozialen Ordnung?
Falls Du mit "umfassenderer sozialer Ordnung" in erster Linie den Staat meinst, neige ich zu einem "Eher wenig".
In traditionellen Stammesgesellschaften war/ist die Familie noch Urzelle und Keim. Ein Mensch gehört(e) zu einer Familie, die wiederum zu einem Stamm gehört(e), der zu einem Volk gehört(e) usw. Im alten Israel war das beispielsweise so. Die Familie, in die man hineingeboren wurde, hineinheiratete oder der man sich anschloss, bestimmte mindestens teilweise auch die mögliche Funktion innerhalb der umfassenderen sozialen Ordnung. Nur Angehörige des Stammes Levi verrichteten den Tempeldienst, die Nachfahren der Priesterfamilien sind angeblich teilweise noch heute anhand ihrer Namen (Cohen, Kohn, Kahn ...) zu erkennen usw.
In den heutigen bürgerlichen Gesellschaften und schon im römischen Imperium vor 2000 Jahren ist eine organische Verbindung von der Familie zur umfassenderen sozialen Ordnung (d.h. zum Staat) vielfältig unterbrochen oder hat nie existiert.
Zwei Beispiele, die mir gerade zufällig in den Kopf kommen, und die das, was ich meine, von entgegengesetzten Seiten anreißen:
1. Zu viele Staaten für eine einzige Familie
In meiner Kernfamilie gibt es zwei verschiedene Staatsangehörigkeiten, im erweiterten Familienkreis fünf. Für welchen der zwei bis fünf Staaten bzw. ihrer sozialen Ordnungen soll meine Familie denn Urzelle und Keim sein? Heutige Staatsgrenzen, Regierungsformen usw. bilden zufällige Machtverhältnisse ab, die vor Jahrzehnten/Jahrhunderten geherrscht haben, und hatten schon damals und haben auch heute oft mit aktuellen familiären und sonstigen sozialen Bindungen zwischen den Menschen (oder zwischen Mensch und Heimat) reichlich wenig zu tun.
Ich habe wirklich erhebliche Schwierigkeiten damit, Staaten und ihre Ordnungen sozusagen als "vergrößerte Familien" anzusehen: Selbst wenn man sich nur mal ganz oberflächlich die Geschichte Nachkriegsdeutschlands ansieht, müsste das Problem eigentlich klar werden: Ein Volk, erst vier Zonen, dann massenhaft gewaltsam auseinandergerissene Familien, deren Mitglieder sich in zwei völlig unterschiedlichen Staaten, also "umfassenderen sozialen Ordnungen" wiederfanden und auf beiden Seiten auch noch gezwungen wurden, sich gegenseitig (d.h. ihre eigenen Verwandten/Familienmitglieder) jahrzehntelang in zwei verschiedenen Militärblöcken zu bedrohen. Dazu anfangs Millionen von Flüchtlingen, deren Pech es war, dass ihre ursprünglich angestammte Heimat jetzt vielleicht zu einem anderen Staat gehörte, in dem sie fortan unerwünscht waren usw.
2. Kein Staat für eine Familie
Die meisten meiner direkten Vorfahren sahen sich nicht als Deutsche (und auch nicht als Polen oder Tschechen), sondern ihre Familien identifizierten sich als Schlesier. Wo war also ihr Heimatstaat mit "ihrer" sozialen Ordnung?
(Das war nur zur Illustration, in Wirklichkeit vermisse ich nicht noch einen weiteren Staat.)