
Wirklich kurios, diese zeitverschobenen Reaktionen.
Der L'Osservatore-Artikel vom 23. Okt. war doch hier im Strang längst kommentiert worden. Darin stand nichts Neues gegenüber den früheren Äußerungen Ebf. Müllers aus diesem Jahr.
Zwei Tage vorher hatte der Präfekt diesen gestern von der Tagespost veröffentlichen Brief an die Freiburger und die anderen dt. Bischöfe aufgesetzt. Darin war eine Umarbeitung dieser Freiburger Leitlinie insbesondere in zwei Punkten verlangt worden.
Unmittelbar danach kam tatsächlich eine Neuauflage dieser Handreichung heraus, die um Papstzitate angereichert war und ansonsten unverändert blieb.
Einige Tage darauf verschickte die römische Bischofsbehörde einen Fragebogen an die Bischöfe, der sich auch gerade um dieses Thema dreht. Die Initiative dazu kommt vom Papst, dessen Handschrift das Vorbereitungsdokument der Synode nach Torniellis Analyse trägt. Zugleich werden Erwartungen wach, dass es da vllt. sogar ein irgendwie geartetes partizipatives Element geben könnte und auf jeden Fall vieles neu durchdacht werden wird.
Am Wochenende sagte dann Bf. Marx, Glaubenspräfekt Müller habe sowieso nicht das letzte Wort und alles sei offen und werde auf der kommenden Synode beredet.
Gestern und heute lancieren Tagespost und kath.net jetzt die angebliche Neuigkeit, Müller habe sehr wohl das letzte Wort und fordere kategorisch die Rücknahme der Handreichung. Damit wird im Sektor zwar ein enthusiastisches Echo provoziert, allerdings auf ein so gar nicht stattgehabtes und jedenfalls nicht aktuelles Ereignis.
Der Neuigkeitswert der Nachricht besteht nach alledem nur darin, dass Präfekt Müller das Erscheinen seines damaligen Artikels in irgendeiner Form mit dem Papst abgestimmt hatte, was nunmehr publik gemacht wird, um Anhänger und Gegner zu beeindrucken. Man weiß jetzt auch, dass er damals konkrete Korrekturen des Freiburger Papiers verlangt hatte (allerdings weiß man auch, dass gerade die bis jetzt nicht umgesetzt wurden).
Auch wird damit klar, dass Marx sich mit seiner etwas frechen Äußerung vom Sonntag auf den (im Ton ebenfalls etwas harschen) Brief des Präfekten vom 21. Okt. bezog, den er ja schon seit Wochen kannte.
Offenbar ist dieser gestrige Hype also nur eine relativ belanglose Finte im Kampf um das letzte Wort. Alles in allem sieht das nach einem Schaukampf über kirchliche Medien zwischen Hardlinern und Reformern aus, darum, wer letztlich recht behält. Eigentlich sogar eher nach einem Rückzugsgefecht Müllers. Er setzt jetzt nochmal seine medialen Connections in Bewegung und versucht, den Druck zu verschärfen, weil er sich über Marx ärgert, aber ohne damit etwas Entscheidendes zu bewirken. Wenn er wirklich ein substanziell neues und vom Papst neuerlich gedecktes Machtwort gesprochen hätte, wie Radio Vatikan, Tagespost und kath.net suggerieren, könnten seine Gegner ja nicht so gelassen bleiben.
Besonders hilfreich finde ich das alles nicht, weder solche inhaltsleeren Pseudomachtworte noch die bloß auf Provokation setzenden Gegenstimmen. Solche Kämpfchen lassen sich wahrscheinlich nicht vermeiden, einfach weil es so unterschiedliche Meinungen und Interessengruppen gibt, die sich gegeneinander durchzusetzen versuchen. Aber eigentlich wäre es besser, inhaltlich über die Positionen und Möglichkeiten zu sprechen und nicht so viele Grabenkämpfe zu betreiben.