Raphael hat geschrieben:Und was soll uns jetzt dieses Zitat sagen?
Es sollte sagen, dass ich schlicht bezweifle, dass ein durchschnittlicher Hirte die
Wahrheit so gut kennt, „um die Schafe in den Stall Christi“ zu führen. Fünf Hirten, fünf Meinungen …
Zum Wahrheitsbegriff selbst gefallen mir überdies die Überlegungen von Nikolaus von Kues sehr gut, die ein gewisser Ron Kubsch, (Dozent für Apologetik) unter dem Titel „Über belehrte Unwissenheit“ veröffentlicht hat. Hieraus zitiere ich einmal die für mich wesentlichen Textpassagen:
[…] Für Nikolaus waren die Erkenntnisprozesse nicht nur „subjektiv, perspektivisch, plural und kommunikativ“, sondern „grundsätzlich unabgeschlossen und unvollendet“. Erkenntnis vollzieht sich durch vergleichen. Da aber jeder Vergleich durch einen genaueren überboten werden kann, vermag mit „Hilfe der Ähnlichkeitsbeziehung“ ein „endlicher Geist die Wahrheit der Dinge nicht genau“ zu erreichen.
Nikolaus von Kues schreibt: „Die Wahrheit ist nämlich kein Mehr und kein Weniger. Sie besteht in einem Unteilbaren. Alles, was nicht das Wahre selbst ist, vermag sie nicht mit Genauigkeit zu messen, so wie ein Kreis, der in einer gewissen Unteilbarkeit besteht, keine nichtkreisförmige Figur zu messen vermag. Der Geist also, der nicht die Wahrheit ist, erfaßt die Wahrheit niemals so genau, daß sie nicht ins Unendliche immer genauer erfaßt werden könnte.“
Denken ist für Nikolaus also Annäherung. Es assimiliert sich dem Erkenntnisgegenstand, ohne ihn jemals vollkommen zu erfassen. Und das gilt nicht nur für das Unendliche, sondern auch für die endlichen Erkenntnisprozesse in dieser Welt. […]