Habe soeben die Lektüre von Ratzingers Eschatologie beendet. In §6 schneidet er kurz das Thema der leiblichen Aufnahme Mariens an, und zwar im Zusammenhang des Zwischenzustandes zwischen Tod und Auferstehung.
Dabei verstehe ich ihn so, dass die Annahme eines Zwischenzustandes notwendig ist, da der Mensch noch nicht "fertig" ist, so lange die Schuld, die von ihm zu Lebzeiten ausgegangen ist, noch fortwirkt. Hieraus wird geschlossen, dass Maria - da keine Schuld von ihr ausging - schon direkt in ihrem Tod "fertig" war, also ganz bei Gott. Dies erscheint zunächst schlüssig und stimmt auch mit dem Dogma überein, das ja meines Wissens nach lehrt, dass Maria bereits nach ihrem Tod den Zustand hat, den alle Geretteten nach der Auferstehung haben werden.
Dann holt Ratzinger allerdings nochmal aus, und erklärt, dass nicht nur hinterlassene Schuld, sondern auch "überwindende Liebe" davon zurückhalten würde, sich definitiv zum eschatologischen Festmahl niederzusetzen (S. 151). Aufbauend auf einen Gedanken von Origenes, der gesagt hatte, dass die Heiligen im Himmel "auf uns warten" ehe sie ihren vollen Lohn empfangen, formuliert Ratzinger:
Wie passt das den nun noch mit dem Gedanken zusammen, dass Maria jetzt schon "vollendet" ist und sich schon definitiv zum eschatologischen Festmahl niedergesetzt hat? Ist sie nicht die liebende Mutter der Gläubigen? Müsste sie demnach nicht auf uns "warten" wie die anderen Heiligen? Im übrigen scheint mir zwischen der leiblichen Aufnahme Mariens und der von Ratzinger stark kritisierten "Auferstehung im Tod" kein all zu großer Unterschied zu liegen.Wie könnte eine Mutter glücklich sein, vollends, hemmungslos, solange eines ihrer Kinder leidet?
Kennt sich jemand hier aus und könnte mir diesen Zusammenhang erklären? Es geht mir hier auch nicht um Provokation, ich bin selber ja nicht katholisch und bemühe mich nur aufrichtig, das Dogma richtig zu verstehen

Viele Grüße
coturnix