Coturnix hat geschrieben:Wie verhält sich das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes mit der Neigung zum Monotheletismus bei Honorius I.? Bei Wikipedia finde ich die Informationen, seine häretischen Aussagen seien nicht ex cathedra gesprochen worden. Gestern bei einer Führung durch eine Jesuitenkirche hat der Führer (ein evangelischer Kirchengeschichtsprofessor) allerdings das Gegenteil behauptet und gesagt, diese Äußerungen von Honorius seien ex cathedra gesprochen und das Unfehlbarkeitsdogma somit widerlegt.
Wie war es nun?
Der Artikel zu Papst Honorius I. in der
Catholic Encyclopedia ist wesentlich ausführlicher als Wikipedia. Ich versuche ihn kurz zusammenzufassen.
Der byzantinische Kaiser Heraklius hatte in einer Widerlegung von armenischen Monophysiten die Formulierung "eine Wirkung" gebraucht. Der alexandrinische Patriarch Cyrus befragte den byzantinischen Patriarchen Sergius über die Orthodoxie dieser Formulierung; Sergius wollte diese Frage nicht entscheiden, hatte sie jedoch in einem Brief seines Vorgängers Mennas an Papst Vigilius gefunden. Mit dieser Formulierung gelang es dann Cyrus, die koptischen Monophysiten mit der Kirche wieder zu vereinen. Der palästinensische Mönch Sophronius wurde mißtrauisch über die einfache Vereinigung mit einer großen Häretikermenge, konnte Cyrus aber nicht direkt erweisen, daß "zwei Wirkungen" die einzig orthodoxe Formulierung sei; Cyrus stimmte aber zu, die Formulierung "eine Wirkung" nicht mehr zu verwenden. Da auch der Kaiser diese Formulierung verwendet hatte, schrieb Sergius einen Brief an Papst Honorius, damit er diese Frage entscheide.
Neuere Forschungen zum Monophysitismus haben ergeben, daß ein verschiedenes Verständnis des Wortes Natur dazu führte, daß die katholische und die monophysitische Partei sich gegenseitig als Ketzer betrachteten. Die Monophysiten dachten, die Katholiken würden zwei Personen in Christus lehren, was Nestorianismus wäre; die Katholiken dachten, die Monophysiten würden die menschliche Natur Christi als so aufgegangen in der göttlichen Natur lehren, daß sie quasi nicht-existent wäre (Eutyches hatte es so formuliert, daß die menschliche Natur in der göttlichen aufgeht, wie ein Tropfen Essig in einem Ozean), während ihr eigentlicher Fehler war, daß sie Christi menschlicher Natur einen freien menschlichen Willen und eine menschliche Handlungsfähigkeit absprachen. Damit sind Monotheletismus und Monophysitismus ihrem Wesen nach gleich.
Wenngleich der byzantinische Patriarch Sergius Papst Honorius in dieser Frage angeschrieben hatte, um eine dogmatische Klärung zu erhalten, kann man die Antwort nicht als solche betrachten, denn sie entscheidet nichts, sie definiert nichts, sie verwirft nichts. Honorius lobt Sergius' Vorsicht und die Ablegung der Formulierung "eine Wirkung". Leider stimmt er auch zu, daß man auch "zwei Wirkungen" besser vermeiden sollte, denn ersteres könne als eutychianisch, letzteres als nestorianisch aufgefaßt werden. Indem er Sergius folgt, daß "zwei Wirkungen" das Volk dazu bringen könnte zu denken, es gäbe zwei widersprechende Willen in Christus, fügt er, nachdem er die Idiomatenkommunikation erklärt, hinzu: "Daher erkennen wir einen Will in unserem Herrn Jesus Christus, denn offensichtliche war es unsere Natur und nicht die Sünde in ihr, die die Gottheit annahm, d.h. die Natur, welche geschaffen wurde vor der Sünde, nicht die Natur, die durch die Sünde beschädigt war." Der Rest des Briefes ist orthodox.
Der Brief kann nicht als privater Brief betrachtet werden, da er eine offizielle Antwort auf eine formelle Konsultation ist. Er hatte allerdings eine geringere Verbreitung als eine moderne Enzyklika. Da der Brief weder definiert noch verdammt, und die Kirche nicht bindet seine Lehre zu akzeptieren, kann man es unmöglich als Äußerung
ex cathedra betrachten.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009