Vielleicht versuche ich das nochmal sortierter darzustellen:
Im 19. JH entwickelten sich aufgrund der Industrialisierung in den Großstädten die ersten schwulen Communitys. Dort begann man, sich als eigenständige Identität zu definieren. Zuvor nahm man immer an, Menschen hätten die freie Wahl und es wäre eine bewusste Entscheidung, Sex mit dem gleichen Geschlecht zu haben. Die Kirche verurteilte diese freie Entscheidung als falsch und "ungeordnet", weil sie nicht der Natur des Menschen entspreche. Nun fing man an, eine Homosexualität als eigenständige Identität zu verstehen. In diesem Zusammenhang entstand auch der Begriff der Heterosexualität. "Sexuelle Identität" galt nun als etwas, was man nicht frei wählen könne, was nicht dem eigenen Willen unterliegt.
Der Homosexuelle war quasi jemand, der per Veranlagung weder heiraten könnte, noch eine Beziehung eingehen, die nicht sündhaft wäre. Die Kirche wurde deshalb angegriffen, wie könne sie denn dem perspektivlosen Homosexuellen jedes sexuelle Glück verwehren?
Man stellte gleichzeitig aber fest, dass es etliche Homosexuelle gibt, die früher in heterosexueller Partnerschaft lebten, Kinder hatten, verheiratet waren oder auch umgekehrt. Kinsey stellte fest, dass es die klare Trennung zwischen heterosexueller Identität und homosexueller Identität nicht gibt, sondern es sexuelle Aktivitäten gibt, die durchaus fließend sind (
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... de.svg.png). Man erfand nun also die Bisexualität, um dieses variable Verhalten zu beschreiben. In gleicher Weise äußert sich die Kirche zu sexuellen Handlungen, aber nicht zu einer "homosexuellen Identität".
Heutzutage geht man davon aus, dass diese strengen Kategorien überholt sind, es keine sexuellen Identitäten in der Form gibt. Es gibt sexuelle Handlungen, die auf ein anderes oder das gleiche Geschlecht ausgerichtet sind. Die sind aber unabhängig von dem Wesen des Menschen, das an sich "heterosexuell" ist, wie es auch die Biologie lehrt. Die Fähigkeit zur Fortpflanzung ist jedem Menschen gegeben, unabhängig von seiner Ausrichtung.
Interessant ist das vor allem deshalb, weil die Argumentation, dass die Kirche "dem Homosexuellen" jedwede Sexalität untersage, damit schon deshalb nicht mehr zutrifft, weil es nicht "den Homosexuellen" als dauerhafte, lebenslange Identität gibt. Das ganze kann sich wandeln.
Die Frage ist aber natürlich, welche Perspektiven die Kirche Menschen anbieten kann, die gemäß ihrer vermeintlichen Veranlagung sich in der persönlichen Not sehen, nicht anders handeln zu können. Das betrifft den vermeintlich Homosexuellen wie auch den Heterosexuellen, der aus welchen Gründen auch immer keine Ehe eingehen kann. Ist die Keuschheit die einzige Option? Das ist doch die interessante Frage.