Marion hat geschrieben:Wann genau wurde das in Rom eigentlich abgeschafft, daß öffentlich bekannte Ehebrecher exkommuniziert sind?
Franz:
243. Was die Geschiedenen in neuer Verbindung
betrifft, ist es wichtig, sie spüren zu lassen,
dass sie Teil der Kirche sind, dass sie » keineswegs
exkommuniziert « sind und nicht so behandelt
werden, weil sie immer Teil der kirchlichen
Communio sind.261
Marion hat geschrieben:Ich hab gerade etwas dazu gefunden. Laut Kasper ist der Stichtag wohl das neue Kirchenrecht, also 1983 Johannes Paul II.:
Die Kirche habe in den vergangenen Jahrzehnten bereits wichtige Schritte gesetzt. Im Kirchenrecht von 1917 wurden wiederverheiratet Geschiedene noch als Bigamisten bezeichnet, die im öffentlichen Konkubinat leben und damit Gegenstand der Exkommunikation waren. Im neuen Kirchenrecht werden sie ausdrücklich als nicht exkommuniziert bezeichnet, sondern als Teil der Kirche.
http://www.katholisches.info/214/2/21 ... nke-danke/
taddeo hat geschrieben:Das ist gut möglich. Das Strafrecht wurde durch den CIC 1983 doch erheblich gemildert, gerade was die Exkommunikationstatbestände angeht. Dann wäre also der 1. Adventssonntag 1983 der Zeitpunkt der Änderung gewesen.
Öffentlich bekannte Ehebrecher ist nicht der richtige Ausdruck. Ehebruch ist in den seltensten Fällen öffentlich bekannt und an sich kein Grund für eine Exkommunikation. Du musst halt die Sündenvergebung bzw. das kirchliche Bußsakrament bekommen, wenn du gesündigt hast.
Was zivil Wiederverheiratete angeht („sukzessive Bigamisten“ wäre der korrekte Ausdruck nach altem Recht), sind diese tatsächlich erst seit 1983 kirchenrechtlich keine Straftäter mehr. Vorher waren sie allerdings auch nicht immer und überall gleich exkommuniziert, sondern zunächst nur automatisch "ehrlos" (infamiert). Die Exkommunikation musste i.d.R. erst als Spruchstrafe verhängt werden. Als Infamierte durften sie aber natürlich auch nicht zu den Sakramenten. Wie das in der jüngeren Zeit lief, hatte ich hier mal erklärt:
http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php? ... 47#p775747
Die von Kirchenfürsten jeglicher Couleur seit den 8er Jahren immer wieder eingeschärfte Lehre "Sie sind nicht exkommuniziert" war aber insofern bislang kaum überzeugend, als sie ja immer vor dem unausgesprochenen Hintergrund geschah, dass der Sakramentenausschluss und vor allem das Verbot zu beichten eben doch die rechtssystematisch typische Tatfolge für kirchliche Straftäter und der entsprechende Kanon 915 CIC83 eine klassische Strafnorm ist, die auf den äußeren und nicht den inneren Bereich abstellt. Das war ja auch der Kern der Argumentation der Kommission für die Gesetzesauslegung aus 21, die den Sakramentenausschluss verteidigte, obwohl eingestandenermaßen keineswegs sicher ist, ob die so Sanktionierten moralisch betrachtet tatsächlich (Dauer-)"Todsünder" sind. Das sind sie eben nur manchmal, manchmal (ich würde sagen: in den meisten Fällen, aber darüber kann man nat. streiten) aber auch nicht. Dass sie aber in den Fällen, in denen moralisch überhaupt keine anrechenbare Schuld besteht, trotzdem nicht beichten und nicht zur Kommunion gehen durften, war immer eine eigtl. nicht zu rechtfertigende weil heilsfeindliche Härte.
Genau das hat sich in der Tendenz jetzt insofern geändert, als Franz die kirchenrechtliche Handhabung mehr oder weniger freistellt und damit Möglichkeiten eröffnet, das bislang ganz schematisch angewandte Kirchenrecht stärker an der tatsächlichen Realität von Schuld und Unschuld zu orientieren. Kernforderung ist also die Abwendung von der "Schreibtischmoral" und die Anwendung von Maßstäben des Evangeliums. Das ist eigtl. genau das, was die besonneneren Kritiker der überstrengen Regelung immer gesagt haben.
Es geht also nicht um "laschere", sondern angemessenere, zielgenauere Rechtsanwendung. Es macht ja überhaupt keinen Sinn, wenn die Kirche massenweise Leute von den Sakramenten ausschließt, die moralisch betrachtet gar nichts Böses tun, sondern einfach nur Sex mit ihrem nicht hundertprozentig regulären Partner haben, woran an sich ja nichts Verwerfliches sein kann. Gott schaut ja nicht auf die Regularien, sondern auf das Herz.
Diese (auch von Otto dem Normalgläubigen wahrgenommene) Spannung zwischen wirklicher Schuld und rechtlich konstruierter Schuld, die in Wirklichkeit gar keine ist, war der Kern des Dilemmas. Das versucht der Papst (erfolgreich, meine ich) zu verbessern.