HeGe hat geschrieben:overkott hat geschrieben:Christian Geyer nörgelte in der FAZ über halbvolle Hallen. In der politischen Thematik des Katholikentags, der seit seiner Gründung im 19. Jahrhundert eher eine politische, als eine fromme Veranstaltung ist, war Geyer weniger interessiert. Seine Nörgelei galt der Verdoppelung der Fernsehcouch durch Kirchentage, auf denen dieselben Leute mit denselben Botschaften auftauchen. Auch hatte er gleich den Papst und die Bischöfe im Blick, die auf der Laienveranstaltung Katholikentag hochgeschätzte Nebenfiguren sind.
Dem Papst schenkte Geyer denn auch mit Philosoph Spaemann ordentlich ein, er sei theologisch desinteressiert; dafür aber autoritär in seiner Säkularität und Synodenleitung. Auf dieser Linie sieht Geyer auch den Mainzer und Münchner Oberhirten.
Der Autor operiert etwas abenteuerlich mit Fremdwörtern, kommt irgendwann überraschend mit dem Begriff paternalistisch um die Ecke, so als ob er diesen noch schnell in seinen Text einbauen müsste.
Offenbar ist Geyer ein enttäuschter Gottsucher.
Vielleicht sollte man den Artikel, den du ansprichst, auch nennen:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/l ... ml#GEPC;s2
Richtig ist sicher, dass die Katholikentage von Beginn an immer eine erhebliche politische Komponente hatten, geboren durch den Kulturkampf. Diese Komponente war aber eher gegen die damals gegenwärtige Politik und ihre Vertreter gerichtet, als Stärkung katholischer Kultur. Plattform für die Selbstdarstellung von Politikern sollte die Veranstaltung eigentlich nicht bieten.
Heute sind Katholikentage zur Dialogveranstaltung geworden. Man spricht also nicht mit dem Megaphon in die Gesellschaft hinein, sondern kommt mit ihr ins Gespräch. Das bedeutet natürlich auch, dass nicht nur Katholiken auf den Foren präsent sind. Die Besucher haben idealerweise die Chance, persönliche Fragen zu stellen oder mit den Politikern und kirchlichen Repräsentanten sogar im persönlichen Gespräch ein paar Worte zu wechseln.
Wie dem auch sei: dem Kommentar kann ich zwar nicht in seiner Motivation, wohl aber in seiner Schlussfolgerung zustimmen. Ein paar Zitate:
[...] Von alldem unberührt legt Reinhard Kardinal Marx beim Leipziger Abschlussgottesdienst das Motto des Katholikentags „Seht, da ist der Mensch!“ in der angesagten inklusiven Lesart aus, nämlich eben gerade nicht im Kontext der Passionsgeschichte als Wort des Pilatus über Jesus Christus (das klassische „Ecce homo!“, wie es in die christliche Tradition und Kunstgeschichte einging), sondern im Sinne der normativen Kraft menschlicher „Lebenswirklichkeit“. Gibt sie nun dem „Ecce homo“ das Maß vor statt umgekehrt? [...]
[...] Statt um „kirchliche Identität“ solle man sich um „den Menschen“, um „die Erde“ sorgen. Aber tun das nicht auch Greenpeace et al.? Der Markenkern der Kirche wird unscharf, wenn sie ihre Marketingstrategen „Ecce homo“ mit „ja zur gesamten Wirklichkeit des Menschen“ übersetzen lässt.
Wie kommt, nebenbei gefragt, die Kirche darauf, dass sie umso attraktiver sei, je mehr „Nähe“ sie nicht nur zum Sünder, sondern neuerdings auch zu seiner Sünde demonstriert? [...]
Die Versuchung, "Ecce homo" zum Stichwort für einen billigen Humanismus zu machen, der vor allem zu Lasten der Opfer geht, weil man mit den Tätern human sein will, ist tatsächlich eine Gefahr und widerspricht dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe.
Auch eine entsprechende Theologie der Gnade wäre fatal, nach der Gott in seiner Laissez- faire-Haltung Freund der Sünder ist, die ihre Partner und Nachbarn übers Ohr hauen, und Gnade walten lässt, unabhängig von Reue und Buße, weil die Hölle ein Mythos ist und nicht die anderen sind.
Die Theorie wird dort korrumpiert, wo man funktionial Punkte bei denen machen will, für die Theorie und Norm lediglich ein Machtfaktor ist.
Mir ist der Hintergrund des Kommentators nicht bekannt, aber das Thema, das er anspricht, hatten wir im Forum ja bereits zur genüge.
Ich spreche vom Kommentar, dessen Autor den Eindruck eines enttäuschten Gottsuchers macht.
Der Kommentator sieht die Problematik v.a. in der Frage der "Attraktivität" der Kirche und der Katholikentage. Das kann für mich nicht der entscheidende Maßstab sein.
Jesus hat auch mit nur zwölf Jüngern begonnen.
Aber er stellt gut heraus, wie sich die Perspektive der deutschen Kirche immer weiter ändert, weg von Gott als Ziel allen Strebens, hin zu einem Gott, der einem einige gute Ratschläge gibt, wie man es den Menschen hier auf Erden möglichst wohl ergehen lassen könnte. Dass man sich hiermit irgendwann nicht mehr von einem x-beliebigen Wohlfahrtsverein unterscheidet, ist dann wohl die Konsequenz.
Gott ist für Jesus nicht das Ziel, sondern das Wort des Anfangs, von dem er ausgeht. Davon sollten auch die Laien in der Kirche ausgehen. Gleichwohl hat Jesus das Doppelgebot der kirchlichen Ehegesetzgebung nicht untergeordnet. Der Unterschied zwischen Sünder und Sünde ist für Jesus nicht so sehr auf den ersten Blick zu erkennen, wie Christian Geyer vielleicht den Eindruck hat. Glaube und Unglaube entscheidet sich für Jesus im Herzen unsichtbar.