Zur Haltung der EU in der Katalonien-Frage zwei Gedanken:
Die EU in der katalanische Paradigmen-Falle
Der Autor untersucht des Verhältnis der EU zu von ihr bei passender Gelegenheit immer gelobten "Regionen" und stellt fest, daß es nicht einheitlich ist:
In die Provinzen wagte sich Brüssel immer nur dann vor, wenn es galt, renitente EU-Mitglieder auf Linie zu bringen, wie zuletzt der ungenierte Flirt Brüssels mit der schottischen Regionalregierung zeigte, der zu Recht als Nachtreten in Richtung London verstanden wurde. Man signalisierte zwar Schottland Verhandlungsbereitschaft im Fall des Brexit, in Richtung der Katalanen war man in Brüssel hingegen nicht so konziliant. Denn da sowohl „Rest-Spanien“ als auch Katalonien in der EU bleiben möchten, ist Brüssel der Status Quo allemal lieber, denn die spanische Regierung ist als Netto-Empfänger voll auf EU-Linie und aufgrund bestehender Abhängigkeiten geradezu handzahm. Ein Zustand, der im Fall der Katalanen, die ohne Zweifel in den exklusiven kleinen Club der Netto-Zahler aufrücken würde, nicht als gesichert gelten kann.
Der Autor stellt - zu Recht - die Frage, ob die britische Regierung bei einer ähnlich gewaltsamen Auflösung einer "Anti-Brexit"-Demonstration in London auch so nachsichtig behandelt worden wäre. Der EU verfügt über keine Regularien, sollten sich in einem Mitgliedsstaat Auflösungstendenzen zeigen. Man will den status quo bewahren, koste es, was es wolle.
Rajoy macht den Putin
Der Autor denkt darüber nach, was Rajoy machen will, wenn sich Katalonien für unabhängig erklärt.
Wird er klein beigeben? Oder wird er Katalonien kurzerhand besetzen? Wird er den „Separatisten“ den Guerillakrieg erklären wie Putin der Ukraine? Wird er die Provinz annektieren wie Putin die Krim? Alles ist möglich und das Schlimmste zu befürchten.
Der Autor sieht das Problem in der Abgehobenheit der politischen Elite. Ein Autonomiestatut war bereits vor Jahren ausgehandelt und wurde dann von Madrid auf Eis gelegt. Hybris brachte Rajoy dazu, die Forderungen der Katalanen nicht mehr ernstzunehmen. Er glaubt sich durch die spanische Verfassung im Recht, aber der Artikel stellt fest:
Volkes Wille kann nun einmal, äußert er sich so massiv wie am letzten Sonntag in Katalonien, sogar Gesetze außer Kraft setzen.
Was von der Mehrheit als falsch empfunden wird, weil es der Demokratie nicht länger entspricht oder zu entsprechen scheint, hat keinen Anspruch auf ewige Gültigkeit. Auch in Leipzig, in Prag und in Bukarest handelten die Aufständischen nicht nach den verfügten Regeln, als sie 1989 auf die Straße gingen. Wo sich die Politiker hinter Paragraphen verschanzen, sind sie schon angezählt. Zum Schluß bleibt ihnen nur noch die Gewalt.
Beide Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß die EU wieder nur den Entwicklungen in Katalonien hinterherhechelt, ohne gestaltend einzugreifen. Wie will eine solche Bürokratie auf die Herausforderungen weltweit reagieren, wenn sie in ihrem eigenen Bezirk noch nicht einmal vermittelnd eingreifen kann/will?
