Der Erzbischof von Philadelphia, Erzbischof Chaput ist in einem
Artikel in der dortigen Bistumszeitung u.A. auf die Äußerungen von Kardinal Marx eingegangen, ohne ihn allerdings namentlich zu nennen.
Der Artikel wurde im Blog von "Father Z"
aufgegriffen und mittlerweile von einem Leser auf Deutsch übersetzt.
Ich stelle diese Übersetzung jetzt mal hier ein.
CatholicPhilly.com
Liebe, Klarheit, und ihr Gegenteil
Erzbischof Charles J. Chaput, O. F. M. Cap.
06. Februar 2018
An die Gläubigen der Kirche in Philadelphia:
Fast jeder, der versucht, das momentane Chaos um die Regierung in Washington zu verstehen, ist entweder (a) voreingenommen durch die Sichtweise einer der beiden politischen Parteien; oder (b) sehr verwirrt. Die meisten von uns werden wahrscheinlich in die zweite Kategorie fallen. Und das bedeutet, dass viele Bürger sich machtlos fühlen, dann angewidert, dann wütend. Wenn, wie die Heilige Schrift sagt, uns die Wahrheit frei macht, dann macht uns ihre Abwesenheit frustriert und schließt uns ein in einen Zustand der Ungewissheit. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Verwirrung ist schlecht. Sie ist schlecht für die einzelne Seele, sie ist aber auch schlecht für die Wohlfahrt einer Gesellschaft, denn unvermeidlich folgen Spaltung und Streit.
Verwirrung kann verschiedene Ursachen haben. Einige davon sind ganz harmlos.
Jemand hört eine Nachricht falsch oder interpretiert sie falsch. Oder jemand drückt sich missverständlich aus. Oder Faktoren jenseits der eigenen Kontrolle – beispielsweise die Voreingenommenheit oder Nachlässigkeit einer Nachrichtenagentur – können die Weise der Kommunikation und Rezeption dramatisch beeinflussen und einfärben. Diese Dinge geschehen als natürlicher Teil des Lebens. Darum haben Anführer die besondere Aufgabe, klar, eindeutig, ehrlich und besonnen zu sein in dem, was sie tun und sagen. Sie müssen, “von der Liebe geleitet, die Wahrheit bezeugen” [Eph 4,15 EU], wie der heilige Apostel Paulus sagt. Leichtsinnig oder sogar absichtlich Verwirrung über eine wichtige Sache zu stiften, ist ein grober Fehler für eine jedwede Person, die Autorität hält. So ist es im öffentlichen Leben, und so ist es auch im Leben der Kirche.
Es gibt keine Liebe, keine Nächstenliebe, ohne Wahrheit. Genauso gibt es keine wahre Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit, die beseelt und geführt wird von der Wahrheit. Andererseits ist Wahrheit, die missbraucht wird, um andere zu demütigen; Wahrheit, die keine Geduld und Liebe aufweist, eine besonders hässliche Form von Gewalt.
Was also ist der Sinn dieser Ausführungen?
Im Lauf der letzten Wochen haben einige gewichtige Stimmen der Hierarchie der Kirche in Deutschland vorgeschlagen (oder es zumindest angedeutet), einen katholischen Ritus für die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren, die zivil verheiratet oder eine solche zivile Ehe anstreben, zu unterstützen. Oberflächlich mag diese Idee großzügig und vernünftig klingen.
Allerdings ist – und so sollte es sein! – die Unbesonnenheit solcher öffentlicher Kommentare Grund für ernste Besorgnis. Es bedarf einer Antwort, denn was die Realität in einer Ortskirche betrifft, wirkt sich unvermeidlich auch auf andere Teile der universellen Kirche aus – gegebenenfalls sogar auf unsere Diözese.
Im vorliegenden Fall würde ein “Segnungsritus” einen moralisch verbotenen Akt unterstützen, egal wie aufrichtig die Intentionen der Person sein mögen, welche einen solchen Segen erbittet. Ein solcher Ritus würde das katholische Zeugnis bezüglich der Natur von Ehe und Familie völlig aushöhlen. Er würde die Gläubigen verwirren und zu falschen Annahmen führen. Und es würde die Einheit unserer Kirche verletzen, denn so ein Vorgehen kann man nicht ignorieren oder beschweigen.
Warum aber würde ein scheinbar so barmherziger Akt ein so großes Problem hervorrufen? Personen in bestimmten Lebenssituationen zu segnen, ist praktisch eine Ermutigung zu und Bestärkung in dieser Situation – in diesem Fall gleichgeschlechtliche Beziehungen. Die gesamte christliche Geschichte hindurch war und ist ein einfacher wie weiser Fakt immer maßgeblich: lex orandi lex credendi – unsere Art zu beten formt unsere Art zu glauben. Ein neu geschaffener Ritus verkündet und avanciert eine neue Lehre allein durch den Effekt der Praxis.
Generell gibt es zwei grundlegende Prinzipien, an die wir uns erinnern
müssen: Erstens, wir müssen alle Menschen mit Respekt begegnen und ihnen unsere pastorale Sorge zuteilwerden lassen, was sie als Kinder Gottes mit einer angeborenen Würde auch verdienen. Es soll betont werden, dass dazu auch jene Menschen gehören, die sich zum selben Geschlecht hingezogen fühlen. Zweitens, es gibt keine Wahrheit, keine wahre Barmherzigkeit und kein aufrichtiges Mitgefühl darin, eine Situation zu segnen, welche Menschen von Gott entfernt. Dies darf in keiner Weise verstanden werden als Zurückweisung von Personen, die eine solche Segnung wünschen. Allerdings weigern wir uns, die erkannte Wahrheit über die Natur von Ehe, Familie und die Würde der menschlichen Sexualität einfach zu ignorieren.
Wiederum: Wir alle sind menschliche Wesen, egal welche Stärken und Schwächen wir auch haben mögen, die ein Recht darauf haben, mit Respekt behandelt zu werden, wie es unserer gottgegebenen Würde entspricht. Wir haben auch ein Recht darauf, die Wahrheit zu hören, egal ob sie uns angenehm ist oder nicht – sogar dann, wenn es leider so scheint, dass dies die Einheit der Kirche selbst verkompliziert. Um die Gedanken Thomas von Aquins zu benutzen:
Das Gut der kirchlichen Einheit, von welcher Schisma das Gegenteil ist, ist weniger wert als das Gut der göttlichen Wahrheit, von welcher Unglaube das Gegenteil ist (vgl. S. Th. IIª-IIae q. 39 a. 2 co.).
Jesus sagt uns, dass die Wahrheit uns befreien wird. Niemals aber sagte er, dass sie uns angenehm sein wird. Immer noch sollen wir die Wahrheit in aller Klarheit hören – und sie teilen, in aller Klarheit, aber immer mit Liebe.
Verwirrung zu stiften in Anliegen, die zentrale Inhalte unseres Glaubens betreffen, egal wie gut die Absichten auch sind, wird nur dazu führen, eine sowieso schon schwierige Aufgabe noch schwieriger zu gestalten.
Euer Bruder in Jesus Christus,
+ Charles J. Chaput, O. F. M. Cap.
Erzbischof von Philadelphia
Quelle (Hervorhebung von mir)