philipp hat geschrieben: ↑Montag 16. November 2020, 18:13
Dass du die genauen Gründe Gottes, so es sie denn gibt, nicht kennen kannst, das musst du akzeptieren...
Das ist mMn eine wahre Aussage.
Natürlich kann es tröstlich sein und vertrauensbildend sein, wenn man einen Sinn hinter diesem oder jenen kennt, aber ebenso kann es zerstörerisch sein, wenn man keinen Sinn erkennt oder verzweifelt danach sucht.
Unterm Strich sollte man daher mMn nicht allzusehr seinen Fokus auf darauf zu richten, unbedingt einen Sinn zu erkennen. Am Ende hilft es mehr gewisse Tatsachen hinzunehmen* und im Vertrauen (Glauben) in Gott, seine Vorsehung und Verheißung zu verweilen.
Wenn man im seelsorgerischen Bereich einem leidenden Menschen verkündet, "Dein Leiden hat einen Sinn!" dann sollte man auf die nächste Frage eine sehr gute Antwort haben, welcher Sinn das nun sei.
*Die stoische Ethik wurde bereits genannt und ich mag es nicht bezweifeln, dass (vor allem in der Antike) diese einen gewissen Einfluss auf die christliche Ethik hatte. Ich empfehle hier
Epiktet's "
Handbüchlein der Moral und Unterredungen" (dieses Werk wird auch unter mindestens zwei anderen Titeln angeboten).
So schreibt er ganz passend zu unserem Thema:
"Du und die Götter
Merke dir: In der Frömmigkeit ist es das wichtigste , die rechte Vorstellung von den Göttern zu haben, zu wissen, dass sie sind und das Weltall weise und gerecht regieren. Du selbst gewöhne dich, ihnen zu gehorchen und alles, was geschieht, still anzunehmen und es gerne zu befolgen. Denn du musst wissen, es ist die vollkommene Vernunft, die alles schafft und hält. So wirst du die Götter nie anklagen oder beschuldigen, sie hätten dich vergessen.
Diese Einsicht wirst du erst erlangen, wenn du die Begriffe Gut und Böse von allem scheidest, was nicht in deiner Macht steht, und sie nur auf das anwendest, was in deiner Hand liegt. Denn hältst du Fremdes für gut oder böse, und erreichst du nicht, wonach du strebst, oder erleidest, was du vermeiden wolltest, klagst du freilich die Urheber von all dem an.
Jeder sucht, ganz angeboren, was ihm schädlich scheint , zu fliehen und wird bewundern, was ihm vermeintlich Nutzen bringt. Doch es ist auch ausgeschlossen, dass, wer sich geschädigt glaubt, die Ursache oder den Nachteil selbst begrüßt. [...] Darum verflucht mancher Bauer, Seefahrer und Kaufmann die Götter, auch jener tut es, der Frau und Kind verloren hat.
Wo aber Zufriedenheit herrscht, ist auch Frömmigkeit. Strebe und meide daher richtig, und du siehst die Götter.
Die Bräuche zu erfüllen ist deine Pflicht: nicht oberflächlich, sondern reinen Herzens, nicht kärglich, aber auch nicht über alles Maß."
Ersetze einfach "Götter" durch "Gott" und es hätte genauso gut von einem christlichen Autor stammen können.