Trisagion hat geschrieben: ↑Montag 21. September 2020, 01:30Erstens, es gibt derzeit meines Wissens nach keine gute philosophische - oder naturwissenschaftliche - Lösung des Konfliktes zwischen dem scheinbaren Determinsmus der Natur und der scheinbaren Freiheit des menschlichen Willens. Ich halte auch die Ansätze Willensfreiheit quantenmechanisch zu verorten (z.B. Penrose) für wenig mehr als intellektuelle Trickserei: hier wird ein Rätsel für ein anderes verantwortlich gemacht, und das dann eine "Erklärung" genannt. Schließlich würde ich auch noch sagen, daß von traditionell-christlicher Seite hier oft die klassische Philosophie überbewertet wird. Auch die klärt hier leider wenig...philipp hat geschrieben: ↑Sonntag 20. September 2020, 20:26mir fällt es nämlich recht leicht den mensch als determiniert anzusehen. Ich glaube zwar an den freien willen, aber mein glaube ist nicht stark, weil es sehr logisch auf mich wirkt, dass wir einfach produkt unserer erfahrungen und genetik sind und demnach so wie atome mit gewissen wahrscheinlichkeiten gewisse handlungen ausführen. kannst du mir helfen diesen gedanken zu überdenken?
Zweitens, obwohl die Erfahrung menschlicher Freiheit innerlich ist, ist sie doch dermaßen universell und allgegenwärtig bei Menschen quer durch alle Zeiten, Kulturen und Orte, daß man wohl kaum eine objektivere Beobachtung finden wird. Denn die Idee einer objektiven Beobachtung ist ja gerade, daß ein anderer Mensch hinschauen und meine Beobachtung bestätigen kann. Nun, so gut wie jeder Mensch kann hier schauen und diese Freiheit bestätigen, außer er ist sehr jung, sehr dement, schläft, im Koma... Es ist nur so, daß er in sich schaut und ich in mich. Wir müssen also annehmen, daß Menschen beobachtbare Gemeinsamkeiten haben. Aber das ist keine problematische Annahme. Man darf diese Daten deshalb nicht einfach beiseite wischen, das ist eben gerade nicht naturwissenschaftlich! Der Wissenschaftler hat nach Kräften unvoreingenommen alle Daten zu berücksichtigen, nicht nur die, die ihm in den Kram passen oder ein gewohntes Format haben.
Drittens, selbstverständlich sind wir alle sehr weitgehend von Genetik, Erfahrungen, und Umständen bestimmt. Niemand behauptet, daß wir ununterbrochen jede unserer Aktionen souverän, unabhängig und bewußt kontrolliert entscheiden. Ohne jede Frage verbringen wir einen großen Teil unser Wachzeit vom "Autopilot" gesteuert und von der Welt auf die Spur gezwungen. Und psychologisch gesehen ist Unfreiheit durchaus attraktiv und nötig, und wir arrangieren einen großen Teil unseres sozialen Umgangs um Freiheit zu minimieren. Die von uns gemachte Welt ist voller Zwänge: Gesetze, Prozesse, Formulare, Dienstwege, ... Schließlich wird uns unsere Freiheit oft gerade durch ihre Abwesenheit bewußt. Wir tun "was wir nicht wollen" obwohl wir es lassen könnten, eine ganz normale Schizophrenie. Alle diese Dinge scheinen gegen menschliche Freiheit zu sprechen. Aber sie haben ihre Bedeutung eben nur, weil es diese Freiheit gibt und sie eingeschränkt wird. Nichts was ich hier in diesem Paragraphen gesagt habe würde für einen Automat irgendeine Rolle spielen, die ganze Diskussion würde sich schlicht erübrigen. Es ist gerade weil wir wissen, daß wir in diesen Fesseln der Welt und unseres Daseien eben doch einen gewissen Spielraum haben, uns bewegen können, daß wir über die Fesseln debatieren und stöhnen. Eine Statue kann man nicht fesseln.
Zusammengefasst: nach heutiger Datenlage bietet die Natur wahrscheinlich keinen Raum für Freiheit, jedoch hat der Mensch wahrscheinlich echte Freiheit (wenn auch in engen Grenzen). Der Widerspruch ist offenbar. Es ist aber ein Fehler nun einfach eine der beiden Seiten zu verneinen. Wir brauchen hier schlicht einen Fortschritt, entweder in den Beobachtungen oder unseren Theorien, um den Widerspruch aufzulösen. Bis das geschieht müssen wir ihn aushalten.
(Wenn man "übernatürliche" Phänomene zulässt, dann kann man die Freiheit jenseits der normalen "Natur" verorten. Ich habe diese Möglichkeit hier bewußt ignoriert, aber nur um im "naturwissenschaftlichen Modus" zu verbleiben, nicht weil ich dies ausschließe.)
Ich habe dein Argument für die Freiheit nicht ganz verstanden. Wo und wie kannst du die Freiheit des Menschen sehen? Als Determinist sieht man nämlich auch subjektives "Freiheitsgefühl" nur aus der Warte der Nützlichkeit. Der Mensch hat über Jahrhunderte an den Freien Willen geglaubt weil er nur so lebensfähig ist.das ist aber kein Beweis für die tatsächliche Existenz eines freien Willen.