Uwahrscheinlich, dass Russland in Deutschland einmarschieren würde ( siehe martin v. tours Gedanken dazu, guter Beitrag

). Aber im Fall der Fälle ist kein großer Widerstand zu erwarten. Ich kenne auch niemanden, der zur Waffe greifen würde und ich habe erst letztens mit einem Kumpel aus der Bundeswehrzeit drüber geredet. Gibts denn hier jemanden, der sich freiwillig melden würde?
PascalBlaise hat geschrieben: ↑Sonntag 10. Juli 2022, 19:25
Die entscheidende Frage ist, ob und wie stark die USA eingreifen würden. Deutschland alleine könnte sie vllt ein paar Tage aufhalten. Wenn die Amerikaner entsprechend Nato-Bündnisfall ernst machen, hat Russland vermutlich keine Chance. Viel mehr Geld, viel mehr Material und High-Tech. Die USA mögen den Zenith überschritten haben, aber sie spielen de facto immer noch in einer anderen Liga als der Rest der Welt.
Das ist glaube ich die gefährlichste Fehlannahme im Westen heutzutage.
1.) Es fängt damit an, dass die US-Militärs heute überall auf der Welt in Hunderten von Basen verteilt sind, d.h. man gar nicht über EINE Streitmacht verfügt, die man in einem Krieg dieses Ausmaßes einsetzen könnte.
2.) Das US-Militär besitzt keinerlei Erfahrungen mit "large-scale conflicts", wie die oft schlechten Entscheidungen der NATO-Berater in der Ukraine bewiesen (z.B. Mariupol, Angriffe auf offenem Feld bei Zaporozhie usw.). Man hat sowas schlicht die letzten 80 Jahre nicht erlebt.
3.) Das US-Militär hat in Afghanistan, Syrien und dem Irak eklatante Mängel im operativ-taktischen Vorgehen bewiesen. In keinem Fall kamen die USA ihrem durch Hollywood inszenierten Mythos der unbesiegbaren Armee nur irgendwie nahe. Top-Gun ist nicht die Realität, auch wenn das für die meisten Menschen im Westen heute die einzige "Kriegserfahrung" sein mag. Und nein, eine F-16 wird im Dogfight niemals eine SU-57 vom Himmel holen können. Niemals.
4.) Russland und China verfügen mittlerweile über überlegene Waffensysteme. Man hat die Entwicklung verschlafen. Auch das zeigt sich in der Ukraine. Warum werden eigentlich keine Patriot Luftabwehrsysteme in die Ukraine verlegt? Man frage mal die Saudis, wie "toll" die Patriots gegen selbstgebaute jemenitische Drohnen verteidigen.
Warum hat man noch keine "no-Fly" Zone durchgesetzt? Man verfügt doch über die angeblich mächtige F-35? Weil man weiß, dass die Dinger links und rechts vom Himmel geholt werden würden. Die Russen verfügen mit der S-500 bzw. ab Herbst S-550 über die vermutlich beste Luftabwehr der Welt.
Was ist eigentlich aus den als "game-changer" gelobten M777 US-Haubitzen geworden? Man hört nichts mehr. Außer in der russischen Propaganda, wo sie als Altmetall vorgeführt werden. HIMARS & co. wird es nicht anders ergehen.
Man ist derzeit komplett schutzlos gegenüber russischen Hyperschallraketen; besitzt gleichzeitig aber keine eigenen. Der letzte Test eines Prototypen
misslang erneut. Man ist da Jahre hinterher. Wie konnte das passieren?
5.) Die Amerikaner sind auf einen Kampf in der Fläche überhaupt nicht vorbereitet. Weder personell noch materiell noch doktrinär. Rückrat des US-Militärs ist die US-Navy mit ihren Flugzeugträgerverbänden. Von dort starten Kampfflugzeuge zur Durchsetzung der Lufthoheit und Marschflugkörper. Danach folgen Flächenbombardements. Erst danach im Zweifel Infantrie. Diese Flottenverbände wären aber ein lächerlich leichtes Ziel für russische und chinesische Raketen, gegen die es keine Verteidigung gäbe.
6.) Der Westen liefert bereits, was er liefern kann an die Ukraine. Einige Länder wie z.B. die Niederlande geben offen zu, praktisch über kein nennenswertes Militärgerät mehr zu verfügen. Mehr wie jetzt Richtung Ukraine geliefert wird, geht gar nicht. Man verfügt über keinerlei Mittel, um um kurzfristig die Produktion hochzufahren.
Hier eine
interessant Einschätzung aus UK dazu. Man kann nicht von heute auf morgen die Produktion von Trigema-Sweatshirts auf Haubitzen umstellen. Im Westen existiert keine Militärindustrie für einen Konflikt dieses Ausmaßes.
7.) Der wichtigste Faktor aber überhaupt ist die Psychologie. Warum sollte Billy Bob aus Alabama für Osteuropa sterben wollen? Ich schrieb das schon andernorts, aber gegen Russland kämpfen heißt pro Woche Tausende Soldaten zu verlieren. Die tapferen Ukrainer können das. Der Westen auch? Da habe ich doch starke Zweifel!
Wie lange, ehe Massenproteste und der Druck in Washington so unerträglich werden, bis man seine Truppen abzieht? In Vietnam verlor man in zwei Jahrzehnten 50.000 Mann und es gilt als "Trauma". Ich will nicht wissen, was nach einem vierwöchigen Konflikt NATO vs. Russland los wäre.
8.) Die USA würden niemals all-in nach Europa gehen, ohne die China-Flanke komplett offen und verletzbar zu lassen. Und das ist die nach US-Lesart gefährlichere Flanke, denn da sitzt der große Gegenspieler der Zukunft. Eine Schwäche im Westen und China wird das sofort ausnutzen.
Mich sorgt die Schwäche des Westens im Sinne des Gleichgewichts der Kräfte! Wie Martin v. Tours schon beschrieb, dass moderne Russland ist (entgegen der Propaganda) kein expansiver Staat a la Sowjetunion mit Mission zur Weltrevolution. Aber (!) wenn der Westen sich selbst zerlegt und gleichzeitig auf Konfrontationskurs bleibt, könnte die Hawk-Fraktion im Kreml sich durchsetzen und die vermeintlich leichte Befreiung Europas einleiten. Und um wieder zur Eingangsfrage zurückzukommen, da sehe ich keine Chancen für Kontintenaleuropa militärisch zu bestehen.