Dostojewskij hat geschrieben:Von der Hölle und vom höllischen Feuer, eine mystische Betrachtung
Väter und Lehrer, ich denke darüber nach, was wohl die Hölle ist. Und ich komme zu dem Schluss: »Es ist der Schmerz darüber, dass man nicht mehr lieben darf.« Einmal im endlosen Sein, das keine Zeit und keinen Raum kennt, war jedem geistigen Wesen, bei seinem Erscheinen auf Erden, die Fähigkeit gegeben zu sagen: »Ich bin, und ich liebe.« Einmal, nur einmal, wird ihm ein Augenblick tätiger, lebendiger Liebe gegeben, und zu dem Zweck auch das irdische Leben, mit Zeiten und Fristen. Und was geschieht? Das glückliche Geschöpf lehnt diese kostbare Gabe ab, es schätzt und liebt sie nicht, spöttisch sieht es darauf und bleibt gefühllos. Und nachdem der Mensch die Erde so verlassen hat, sieht er den Schoß Abrahams und unterhält sich mit Abraham, wie es uns im Gleichnis vom Reichen und vom armen Lazarus erzählt wird; er sieht das Paradies und kann zum Herrn kommen, doch er quält sich darüber, dass er zum Herrn kommen wird, ohne geliebt zu haben, und mit denen in Berührung kommen wird, die er zu lieben verabsäumt hat. Denn er sieht klar und er spricht zu sich: »Jetzt habe ich die Erkenntnis, doch selbst wenn ich nach Liebe dürste, könnte ich doch meine Liebe nicht betätigen, ich kann auch keine Opfer bringen; denn das irdische Leben ist abgeschlossen, und Abraham wird mit keinem Tropfen lebendigen Wassers (das heißt, von neuem mit der Gabe des früheren irdischen tätigen Lebens) kommen, um die Flammen des Durstes nach seelischer Liebe zu kühlen, in denen ich jetzt brenne, der Liebe, die ich auf Erden vernachlässigt habe; es gibt kein Leben, es gibt auch keine Zeit mehr. Wenn ich auch froh wäre, mein Leben für andere zu lassen -, jetzt kann ich es nicht mehr; denn das Leben ist vergangen, das man der Liebe zum Opfer hätte bringen können. Und jetzt ist ein Abgrund zwischen jenem Leben und diesem Sein.« Man spricht von einem materiellen höllischen Feuer. Ich will dieses Geheimnis nicht ergründen und fürchte mich davor, doch ich denke mir, selbst wenn es ein materielles Feuer geben sollte, könnte man sich wirklich nur darüber freuen; denn, so überlege ich, die physischen Qualen würden einem wenigstens für einen Augenblick die viel schrecklicheren seelischen Qualen vergessen lassen. Ja, es ist auch unmöglich, die Bedauernswerten von seelischen Qualen zu befreien; denn es sind keine äußeren, sondern innere Qualen. Und sollte es auch möglich sein, so, glaube ich, würde das den Unglücklichen noch bittrer sein. Denn selbst wenn die Gerechten im Paradies ihnen beim Anblick ihrer Qualen vergeben und sie in grenzenloser Liebe zu sich herbeirufen würden, so würden sie doch damit nur die Qualen vermehren, und nur stärker die Flammen des Durstes nach tätiger, dankbarer Liebe, die doch nicht mehr möglich ist, entfachen. In der Schüchternheit meines Herzens meine ich aber, dass die Erkenntnis dieser Unmöglichkeit ihnen schließlich doch nützen und ihnen Erleichterung schaffen würde, denn wenn sie die Liebe der Gerechten annehmen müssen, ohne sie erwidern zu können, so wird die Ergebenheit und Demut, mit der sie es tun, sie schließlich zum Abbild jener tätigen Liebe verwandeln, die sie auf Erden vernachlässigten, und eine ähnliche Wirkung hervorbringen. Ich bedaure es, Brüder und Freunde, dass ich mich nicht klarer ausdrücken kann; doch wehe denen, die sich auf Erden selbst vernichtet haben, wehe den Selbstmördern! Ich glaube, dass es keine unglücklicheren Menschen als diese geben kann. Man lehrt uns, es sei Sünde, für sie zu Gott zu beten, und die Kirche stößt sie öffentlich aus, doch im geheimen meines Herzens glaube ich, dass man auch für sie beten kann. Christus wird doch nicht über Liebe zürnen! Für solche Menschen habe ich mein ganzes Leben hindurch innerlich gebetet, ich beichte es euch, Väter und Lehrer, und ich bete für sie auch jetzt noch jeden Tag.
Oh, es gibt in der Hölle solche, die stolz und grausam gewesen sind, trotzdem sie unzweifelhaft die Erkenntnis der unbestrittenen Wahrheit gehabt haben. Es gibt furchtbare Menschen, die sich dem Satan und seinem stolzen Geiste ganz und gar hingegeben haben. Für diese in ihrer Halsstarrigkeit ist die Hölle sogar ein freiwilliger Aufenthalt, sie sind freiwillige Märtyrer. Denn sie haben sich selbst verflucht, indem sie Gott und das Leben verfluchten. Sie nähren sich von ihrem bösartigen Stolz, wie die Hungrigen in der Wüste, die ihr eignes Blut aus ihrem Leibe saugen. Doch bleiben sie von Ewigkeit zu Ewigkeit halsstarrig, sie lehnen die Vergebung ab und fluchen Gott, der sie ruft. Gott, den Lebendigen, können sie sich nicht ohne Hass vorstellen und sie fordern, dass Gott nicht leben soll, dass er sich selbst und seine Schöpfung vernichten soll. Und diese werden im Feuer seines Zornes ewig brennen und nach Tod und Nichtsein dürsten. Doch der Tod wird nicht kommen.