Klaus Berger ist katholischer NT-Exeget an der Universität Heidelberg.Klaus Berger hat geschrieben:
Katholische Theologie in Deutschland
Ich bin erschrocken darüber, wie zerspalten gerade die aktiven Katholiken und dann noch einmal die Katholiken rechts von der Mitte sind. Es ist immer wieder die Spaltung zwischen Traditionalisten und Reformisten. Dabei entsprechen die Reformisten etwa dem, was zu 80 bis 90 Prozent an katholischen Fakultäten gelehrt wird. Und das ist ein irenischer, aufgeklärter Rationalismus – ohne ernstzunehmenden Bezug zur ganzen Bibel; eucharistische Frömmigkeit und Marienverehrung sind abhanden gekommen. Aus moralischen Gründen ist man antipäpstlich, antihierarchisch und oft antikirchlich. Diese oftmals interreligiös begründeten Positionen finden sich besonders oft auch im Apparat der kirchlichen Angestellten und bei Pfarrern zwischen 45 und 65. Es gehört oft zum, guten Ton, gegen die Kirche zu sein. Wer nicht gegen die Kirche ist, kann nichts werden.
Zum Beleg für die Zustände an den katholischen Fakultäten nur wenige Fragen: Wo ist die eucharistische Frömmigkeit geblieben? Irgendjemand hat den Menschen eingeredet, aus Rücksicht auf die Protestanten dürfe man nicht mehr an die Gegenwart Jesu in Brot und Wein glauben. In vielen Pfarreien werden seit Jahren keine Sakramentsandachten mehr gehalten, in sehr vielen Kirchen ist der Tabernakel schamhaft in die Ecken abgedrängt. – Und zweitens: Die Vereinigung deutschsprachiger katholischer Systematiker hat jüngst erklärt, sie entschuldige sich bei den Protestanten für „Dominus Jesus". Das nenne ich „katholische Weicheier". Kein Protestant wird dieses ernsthaft würdigen wollen und können. Denn man kann froh darüber sein, daß die Diskussion über Kirche" endlich ehrlicher wird.
Zur Diagnose: Daß der Mangel an Priesternachwuchs am Zölibat hinge, ist im wesentlichen eine Ausrede. Vielmehr: Es stimmt mit der Theologie das meiste nicht. Sie ist seicht aufklärerisch und naiv angepaßt. Die Heilmittel liegen auf der Hand: biblischer und urkirchlicher Pfeffer, Freude am Glauben und apokalyptische Distanz zur Gesellschaft, und wie wäre es mit einem Schuß Radikalität?
„Apokalytische Distanz", weil die Nähe zum Staat zu groß ist. „Freude am Glauben", weil es im Evangelium heißt: Voll Freude ging der, der den Schatz im Acker gefunden hatte, hin und gab alles auf, was er hatte. Ob man den Zölibat schafft, das ist ein Indikator für die Freude am Glauben. – Eine erneuerte Theologie stelle ich mir vor als monastische Theologie und eben nicht nur als Neuauflage der Scholastik. Meine Fragezeichenbücher („Wer war Jesus wirklich?", „Darf man an Wunder glauben?" usw.) sind als Beiträge zu monastischer Theologie gedacht.
Nun werden meiner These von der „erneuerten Spiritualität" sicher fast alle zustimmen können, weil es sich da um etwas Schwammiges zu handeln scheint, die These aber, mit der Theologie stimme das meiste nicht, werden Theologen, Apologetik gewöhnt, bestreiten. Doch die Spiritualität ist nicht zu haben ohne eine zugehörige Theologie. Und genau das habe ich seit meiner Jugend entbehrt.
Schon als ich Theologie studierte, wurden Spirituale in den Priesterseminaren als Witzfiguren geführt. Ihre Rolle entsprach ungefähr der des Zeichenlehrers an einem Gymnasium voll rotzfrecher Buben. Die Unterstützung durch die Regenten war halbherzig. Das wäre ein Heilmittel: Die jungen Menschen zu faszinieren durch den Reichtum, den Liturgie und Väter in spiritueller Hinsicht bieten. Bei meinen protestantischen Hörern in Heidelberg ist wenigstens die Frage aufgebrochen. In einer Kirche mit durchschnittlich einem Prozent Gottesdienstbesuch entdeckt man plötzlich, daß das Überleben von der Spiritualität abhängt. Geradezu verzweifelt sucht man danach, reist nach Taize, um wenigstens „Zisterzienser light" zu erleben.
Der Artikel geht noch weiter, aber ist zu lang, um ihn hier zu posten. Ich möchte aber Bergers These aufgreifen:
Eine erneuerte Theologie stelle ich mir vor als monastische Theologie
Ist dies der Weg, den die Kirche im nachchristlichen Europa zu beschreiten hat?