Clemens hat geschrieben:Ich selbst denke auch seit meiner Jugend immer wieder darüber nach, was alles passieren würde, wenn man "das KS-System" kippen würde und bin nicht sicher, ob ich wirklich wollen täte: eine Revolution wäre es allemal. Vielleicht mit wunderbaren Chancen für eine Neubesinnung auf die Grundlagen des Glaubens, aber davor sehr schmerzhaft.
Das Kirchensteuersystem hat - wie die meisten Dinge - Vorteile und Nachteile. Es hat die Großkirchen in Deutschland lange Zeit davor bewahrt, sich wirklich ernsthaft um ihre Gemeinden zu kümmern oder Sorgen zu machen. Was schert es einen Pfarrer, wenn 2000 Leute Kirchensteuer zahlen, von denen am Sonntag aber nur 25 zum Gottesdienst kommen? Leere Kirchen lassen sich so lange gut ertragen, wie die schweigende Masse zahlt. Würde das KS-System fallen, wäre man plötzlich auf die Menschen angewiesen, die eine innere Verbindung zur Kirche haben. So sehr, daß sie auch dafür freiwillig zahlen. In diesem Augenblick müßten aber die aktiven Kirchenchristen wesentlich mehr zahlen als im Augenblick.
Sind sie dazu bereit?
Ein zweiter Punkt kommt hinzu: Wegen des hohen KS-Aufkommens kann die Kirche im Augenblick viele Dinge leisten, die ohne KS bedroht wären. Sicher gehören dazu viele Arbeitszweige, die gerade konservativen Christen ein Dorn im Auge sind, wie zum Beispiel kirchliche Bildungshäuser. Davon betroffen ist aber auch die kulturelle Arbeit der Kirchen, nicht zu letzt die Kirchenmusik und die Erhaltung von Gebäuden. Die Kirche müßte sich hier in Deutschland aus Geldnot "aus der Fläche" zurückziehen und wesentlich stärker auf ehrenamtliche Arbeit setzen als bisher. Vieles wäre nicht mehr zu halten.
Ist man dazu bereit?
Es gibt natürlich auch positive Effekte, das ist nicht zu leugnen. In England gibt es keine Kirchensteuer. Die Gemeinden hier sind wesentlich direkter darauf angewiesen, vor Ort Konzepte zu entwickeln, eine erfolgreiche Seelsorgearbeit anzubieten. Die Kirche als Ganze gibt ihnen dazu nicht nur die Freiheit, sondern ermutigt und unterstützt dies nach Kräften mit entsprechenden Beratern und Konzepten. Hilfreich ist natürlich auch, daß aufgrund der Bandbreite der Kirche von England die Gemeinden in einer gewissen Profilkonkurrenz stehen. So wird man kaum zwei Gemeinden in direkter Nachbarschaft finden, die ein gleiches Profil haben. Man bildet Profile aus und erreicht damit bestimmte Gruppen von Menschen. In einem durchschnittlichen Londoner Stadtteil wird es in der Regel eine moderne Familienkirche geben, eine Smells & Bells High Church, eine eher evangelisch ausgerichtete Low Church Gemeinde. Alle erreichen aufgrund dieser Schärfung ihres Profils eine kritische Masse an Gläubigen und ehrenamtlichen Mitarbeitern, um ein gesundes Gemeindeleben zu ermöglichen. Diese kritische Masse ist auch nötig, um den Gemeindebetrieb und die Erhaltung von Gebäuden zu ermöglichen, denn das Geld geht an die Gemeinde selbst.
Von einer solchen Flexibilisierung der Profile ist man in Deutschland aber sowohl evangelischerseits wie katholischerseits noch weit entfernt. Das Kirchensteuersystem hat stattdessen den Einheitsbrei gefördert. Das Geld ging ja auch nicht an die Gemeinden direkt, sondern in den großen Topf. Erst ganz langsam fängt man an, hier umzudenken. Die Frage ist auch hier:
Will man solche eine lebendige Konkurrenz der Profile?
Aber was ich hier an Ausflüssen von Hass und Verachtung lesen darf (oder ist es "nur" jahrzehntelang angestaute Frustration?), das wäre imho Stoff für einige ausführliche Beichten.
Ja, der Mann wird medial abgeschlachtet, vor allem auf den konservativen katholischen Websites. Widerwärtig.