Trugen auch deutsche Priester die Tonsur, oder gab es hier andere "recepti populorum mores"?Omnes clerici ... tonsuram seu coronam clericalem, nisi recepti populorum mores aliter ferant, gestent

Trugen auch deutsche Priester die Tonsur, oder gab es hier andere "recepti populorum mores"?Omnes clerici ... tonsuram seu coronam clericalem, nisi recepti populorum mores aliter ferant, gestent
Ich kenne die Sache nur aus Erzählungen, wie es früher meist in Paderborn gehalten wurde.Berolinensis hat geschrieben:Wenn man alte Bilder aus katholischen Ländern (z.B. das unten stehende von ballspeielenden Kaplänen aus Spanien) ansieht, fällt auf, daß auch Weltpriester die Tonsur trugen. Der alte Codex bestimmte ja auch (can. 136 § 1 CJC 1917):
Trugen auch deutsche Priester die Tonsur, oder gab es hier andere "recepti populorum mores"?Omnes clerici ... tonsuram seu coronam clericalem, nisi recepti populorum mores aliter ferant, gestent
Ich zitiere aus Prümmers "Manuale Iuris Canonici" von 1933(!):Berolinensis hat geschrieben:Mir fällt auf, daß - soweit ich sehen kann - auch die Priester der Ecclesia Dei-Gemeinschaften keine Tonsur tragen. Warum? Sie empfangen ja immerhin noch die Tonsur. Wie sieht es bei der FSSPX aus?
Ähnlich Eichmann-Mörsdorf von 1959:Quantum ad tonsuram mitior nunc viget praxis. Optimum quidem est, ut clerici gestent tonsuram clericalem, sed eam omittere possunt, sie recepti populorum mores aliter ferant.
Fazit: Tonsur gibt es natürlich bei der FSSPX, getragen wird sie aber ebenfalls nicht. Den Grund kann man aus den Zitaten ablesen: Gegenteilige Gewohnheit, durch die heutzutage außerdem das Gesetz abrogiert wäre, wenn es den CIC/1917 noch gäbe.In gleicher Weise ist der Geistliche zum Tragen der Tonsur verpflichtet, sofern diese nicht kraft örtlicher Gewohnheit abgeschafft ist (z.B. GB, USA, einige Großstädte Deutschlands,...)
Es hat sich dabei wohl um einen länger dauernden Prozess gehandelt, der auch regional unterschiedlich verlaufen ist. Aus Photos und Berichten aus den 50er Jahren aus kleineren Städten (Bamberg, Limburg, Trier usw.) weiß ich, daß auch Weltpriester oft noch die 5-Marks-Tonsur trugen. Jedenfalls hatte das damals noch keinen Seltensheitswert und war wohl in keiner Weise auffällig.Gamaliel hat geschrieben: Ich zitiere aus Prümmers "Manuale Iuris Canonici" von 1933(!):
Ähnlich Eichmann-Mörsdorf von 1959:Quantum ad tonsuram mitior nunc viget praxis. Optimum quidem est, ut clerici gestent tonsuram clericalem, sed eam omittere possunt, sie recepti populorum mores aliter ferant.
In gleicher Weise ist der Geistliche zum Tragen der Tonsur verpflichtet, sofern diese nicht kraft örtlicher Gewohnheit abgeschafft ist (z.B. GB, USA, einige Großstädte Deutschlands,...)
Logisch,Bernado hat geschrieben:...und war wohl in keiner Weise auffällig.
Da es für den normalen Kleriker keine Tonsur mehr gibt, kann er sie auch nicht tragen.Berolinensis hat geschrieben:Ich schließe mich aber der Meinung des Artikels an, daß es erstrebenswert, die Tonsur wiederzugewinnen, und gerade bei Gemeinschaften, die explizit der Tradition verhaftet sind, fände ich dies angebracht.
Was den Zeichencharakter betrifft, so verliert der sich freilich im lauf der Zeit, wenn die "Natur-Tonsur" bei vielen Männern das Ausmaß des 5-Mark-Stückes deutlich überschreitet.Berolinensis hat geschrieben:Gamaliel, Bernado - vielen Dank (es hat sich also doch gelohnt, einen neuen Versuch zu diesem Thema zu starten).
Dem Zitat aus Eichmann-Mörsdorf entnehme ich, daß es bis auf "einige Großstädte Deutschlands" ncoh 1959 keine andere örtliche Gewohnheit gab und folglich ein ständiges Tragen der Tonsur rechtlich vorgeschrieben war. Dies bestätigt Bernados Hinweis auf die Praxis.
Daß heute keine Pflicht mehr zum Tragen der Tonsur besteht ist klar. Was mir weniger einleuchtet, ist, warum man sie nicht trotzdem trägt, angesichts ihrer altehrwürdigen Tradition und ihrem mit dem der Soutane einhergehenden, ja diesen übertreffenden Zeichencharakter, vgl. auch den von mir im zweiten post verlinkten Artikel. Ich will keineswegs einen Vorwurf gegen jemanden erheben, der die Tonsur nicht trägt. Ich schließe mich aber der Meinung des Artikels an, daß es erstrebenswert, die Tonsur wiederzugewinnen, und gerade bei Gemeinschaften, die explizit der Tradition verhaftet sind, fände ich dies angebracht.
Das stimmt. Wobei es an sich ja der Sinn der Tonsur ist, aufzufallen.Juergen hat geschrieben:Logisch,Bernado hat geschrieben:...und war wohl in keiner Weise auffällig.
damals wurde vermehrt Hut getragen; oder Birett oder Pileolus oder was gerade passte.
Natürlich, aber das ist ja kein Argument gegen die Tonsur. Welche Wichtigkeit dieser beigemessen wurde, kann man an der noch im Codex von 1917 geltenden Norm erkennen, daß Kleriker mit niederen Weihen, die aufhörten, die Tonsur zu tragen, und auf Ermahnung des Bischofs hin nicht innerhalb eines Monats wieder begannen, sie zu tragem, automatisch aus dem Klerikerstand ausschieden.Bernado hat geschrieben:
Was den Zeichencharakter betrifft, so verliert der sich freilich im lauf der Zeit, wenn die "Natur-Tonsur" bei vielen Männern das Ausmaß des 5-Mark-Stückes deutlich überschreitet.
Gleichzeitig darf aber das "omittere possunt" bei Prümmer (und so auch in anderen Kommentaren, die ich jetzt aber nicht abtippe, gerade einmal 15 Jahre nach erscheinen des Kodex nicht völlig ausklammern. (Selbstverständlich kenne ich aber den Unterschied zwischen einem Gesetzbuch und einem bloßen Kommentar dazu.)Berolinensis hat geschrieben:Natürlich, aber das ist ja kein Argument gegen die Tonsur. Welche Wichtigkeit dieser beigemessen wurde, kann man an der noch im Codex von 1917 geltenden Norm erkennen, daß Kleriker mit niederen Weihen, die aufhörten, die Tonsur zu tragen, und auf Ermahnung des Bischofs hin nicht innerhalb eines Monats wieder begannen, sie zu tragem, automatisch aus dem Klerikerstand ausschieden.
Ich weiß nicht, was die anderen Kommentare sagen, aber das Zitat von Prümmer, das du gebracht hast, wiederholt doch nur wörtlich die Bestimmung des Codex: "si recepti populorum mores aliter ferant". Und Eichmann-Mörsdorf sagt doch, daß es solche anderen Mores noch 1959 außerhalb einer Großstädte in Deutschland nicht gab.Gamaliel hat geschrieben: Gleichzeitig darf aber das "omittere possunt" bei Prümmer (und so auch in anderen Kommentaren, die ich jetzt aber nicht abtippe, gerade einmal 15 Jahre nach erscheinen des Kodex nicht völlig ausklammern. (Selbstverständlich kenne ich aber den Unterschied zwischen einem Gesetzbuch und einem bloßen Kommentar dazu.)
Ich will auch gar nicht groß diskutieren. Und nach der Handhabung bei der FSSPX habe ich nur interessehalber gefragt. Ich meine auch nicht, daß das eine vordringliche Frage sei. Allerdings ist das ein Argument, das ja fast bei jeder Frage gebracht wird ("Haben Sie keine anderen Sorgen als die alte Messe?"; "Gibt es nicht Wichtigeres als XY"). Wie gesagt, hier trifft es sicher zu. Nur: inwiefern stünde das Tragen der Tonsur dem Heranbilden heiligmäßige Priester im Wege? Die Kirche scheint ja über lange Zeit der Ansicht gewesen zu sein, daß es dabei förderlich ist.Zur FSSPX: Erzbischof Lefebvre war bei aller Traditionstreue und "Strenge" ein sehr praktisch veranlagter Mann. Für ihn ging es vorwiegend darum heiligmäßige Priester heranzubilden und das in einer Umgebung, die ihm (Lef. & dem Priester) feindlich gesonnen war und in der der Glaube bzw. die religiöse Praxis zusammengebrochen ist. Die Frage der Tonsur und viele andere Dinge, die man einmahnen könnte, waren unter diesen Umständen nicht vordringlich und wie ich meine, sind sie es auch heute nicht.
Anders wäre die Frage zu beurteilen, sobald die Kirchenkrise beendet ist bzw. ihrem Ende entgegen geht, davon kann allerdings noch lange keine Rede sein.
Ich weiß, daß man über diese Fragen (meinetwegen mit guten Gründen) stundenlang oder seitenweise diskutieren kann. Das werde ich nicht tun und das hat auch Msgr. Lefebvre nie getan, andere brauchen sich davon aber nicht abhalten zu lassen.![]()
»Howgh, ich habe gesprochen«
In den orthodoxen Kirchen wird der Täufling tonsuriert. Die Klerikertonsur gibt es auch in der ostsyrischen Kirche. In beiden Fällen wird ein Haarbüschel mit einer Schere abgeschnitten.Juergen hat geschrieben: Wenn die Tonsur aber keinen praktischen (oder auch rechtlichen) Nutzen hat, sondern nur ein (dann eher bedeutungsloses) Zeichen ist, halte ich eine Wiederbelebung für problematisch.