Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

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iustus
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von iustus »

Stefan hat geschrieben:Ein anderes Beispiel ist die Autobahn. Wer dort drängelt und erwischt wird, bekommt ein Knöllchen.
Da kann man auch nicht argumentieren, die Autobahn sei nicht breit genug gewesen, man habe es eilig gehabt. Kommt es dort zum Unfall, ist der Drängler dran.
Bei dieser Menschenmasse geht es nicht um rücksichtslose Drängler: Das fängt geht hinten ganz langsam voran, wird dann immer enger und vorne tödlich. Es gibt da keinen, der sich bewusst danebenbenimmt.

Auf der Autpbahn kann in der Tat Ähnliches passieren, aber umgekehrt: Vorne bremst einer ganz leicht. Der hintere bremst etwas stärker, der Dritte noch etwas stärker und hinten bleiben alle stehen ("Phantomstau"). Der vorne ist längst weg und hatte doch nur leicht gebremst.

Bei drängenden Menschenmassen merken die hinten auch nichts, die doch nur langsam vorangehen.

iustus
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von iustus »

Stefan hat geschrieben:Die Menschen sind deswegen die Wände hochgeklettert, weil unten gedrängelt wurde. Der Aufstieg diente als Ventil.
Das sehe ich auch so. Ich halte es für eine unverschämte Ausrede der Veranstalter und Entwickler des Sicherheitskonzepts, die jetzt argumentieren: "Hätten sich die Leute so verhalten, wie wir es erwarteten, das heißt wären sie nicht die Treppe hochgeklettert und abgestürzt, hätte es keine Toten gegeben" (http://www.faz.net/s/RubB8CD9E6B87466 ... ntent.html) Mit anderen Worten: Sie hätten also das Gedränge aushalten sollen. Eine Frechheit!

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asderrix
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von asderrix »

Heute in Idea:
Nach der Massenpanik bei der Love-Parade am 24. Juli in Duisburg mit 19 Toten und rund 340 Verletzten waren rund 50 evangelische Notfallseelsorger im Einsatz.
Ungewöhnlich sei die Betreuung unter Dauerbeschallung der Techno-Musik gewesen. Müller-Lange: „Wir hätten uns gewünscht, dass es auf dem Fest eine vernünftige Ansage über die Katastrophe gäbe.“
Jedes Gedächtnismahl sagt: Das Beste kommt noch!

iustus
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von iustus »

iustus hat geschrieben:
Stefan hat geschrieben:Die Menschen sind deswegen die Wände hochgeklettert, weil unten gedrängelt wurde. Der Aufstieg diente als Ventil.
Das sehe ich auch so. Ich halte es für eine unverschämte Ausrede der Veranstalter und Entwickler des Sicherheitskonzepts, die jetzt argumentieren: "Hätten sich die Leute so verhalten, wie wir es erwarteten, das heißt wären sie nicht die Treppe hochgeklettert und abgestürzt, hätte es keine Toten gegeben" (http://www.faz.net/s/RubB8CD9E6B87466 ... ntent.html) Mit anderen Worten: Sie hätten also das Gedränge aushalten sollen. Eine Frechheit!
Aber ich nehme das zurück und will den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht vorgreifen...

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Lioba
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Lioba »

Stefan, sei nicht naiv. Die Veranstalter der Loveparade wissen, dass sie ein spezielles Publikum haben-lebensunerfahrene junge Leute, leider immer mehr Teenies, ein gewisser Prozentsatz von Drogenkonsumenten, Alkohol und eine Atmosphäre, die emotional aufputscht.
Jeder, der eine Veranstaltung oder Aktion organisiert muss in seine Planung miteinbeziehen, mit welchem Klientel er es zu tun hat.
Ausserdem gab es auch unter den von dir gescholtenen Besuchern der Loveparade etliche, die versuchten, Ruhe zu bewahren, zu helfen.
Die Leute, die gefallen sind, haben ev. gar nicht aus bewusster Disziplinlosigkeit gehandelt, sondern aus Angst vor der Enge.
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
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Raimund J.
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Raimund J. »

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,708426,00.html

Veranstaltungsgelände war nur für 250.000 Personen genehmigt:
"Die maximale Personenzahl, die sich gleichzeitig auf dem Veranstaltungsgelände aufhalten darf wird (...) auf 250.000 Personen begrenzt."
Wie SPIEGEL ONLINE erfuhr, wurden bei der Bundespolizei inzwischen sämtliche Unterlagen zur Love Parade - Einsatzbefehle, Lagemeldungen, Karten - von den Computern der Beamten sowie aus deren E-Mail-Accounts gelöscht. "Da kam sehr schnell der ganz große Staubsauger", sagte ein Beamter, der sogar eine konzertierte "Vertuschungsaktion" im Gang wähnt.
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Edi
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Edi »

Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

iustus
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von iustus »

Edi hat geschrieben:Eva Hermann schreibt: http://info.kopp-verlag.de/hintergruend ... sburg.html
Tja, man muss sich sicher vor Pauschalierungen hüten, aber es gab bei der Weiterfeiererei tatsächlich sehr Unerfreuliches (http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1 ... ezial.html):
Die Musik auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz ist so laut, dass man von den Martinshörnern kaum etwas hören kann, die noch immer die Duisburger Innenstadt dominieren. Immer wieder scheint Blaulicht auf - sieben Rettungswagen bahnen sich den Weg in Richtung Bahnhof. Auch den Hubschrauber, der über der Stadt kreist, nimmt wohl nur wahr, wer seinen Blick gen Himmel richtet. Mehrere hundert Leute tanzen hier, in der verkehrsfreien Innenstadt, auf dem Brunnen, an Straßenlaternen, den Kopf in Richtung „Love Mobile“, wo ein DJ die Masse anheizt. Sie wollen noch alles geben, bevor die Stecker gezogen werden. Menschen gehen mitten auf der Straße, sitzen auf Gehsteigen, essen, schlafen, trinken, lehnen berauscht an den Hausmauern. Die Toten auf dem Weg zu Gelände? Ja, davon hätten sie gehört, wie viele waren's noch mal, 17? Oder 3? Schon krass. Sag' mal, hast Du nicht Lust, ein bisschen mitzutanzen?

(...)

War er nun da oder nicht, David Guetta? Diese Frage bewegt die vier jungen Erwachsenen aus Oldenburg gerade. Zumindest haben sie ihn nicht gesehen - und das nervt sie schon ein wenig, sind die vier doch zum ersten Mal auf der Love-Parade und haben für Topacts wie Guetta einen weiten Weg zurück gelegt. (...) Ihre Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen. Denn ein bisschen schäbig kämen sie sich schon vor, dass sie sich trotz dieses Unglücks eigentlich ganz gut amüsiert hätten und nun sogar darüber diskutieren, ob David Guetta gar nicht da war oder ob sie ihn einfach verpasst hätten. Sie wollen die Nacht jetzt auf dem Bahnhof verbringen, um am nächsten Tag in Hamburg gleich weiterzufeiern.
Gleiches konnte man eben ja im ARD-Brennpunkt sehen.

Raimund J.
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Raimund J. »

Edi hat geschrieben:Eva Hermann schreibt: http://info.kopp-verlag.de/hintergruend ... sburg.html
Na ja, das ist dann doch etwas billig und unangebracht.

Man kann die Kommerzialisierung und gewisse Auswüchse kritisieren. Die Musik, den Tanz und das Lebensgefühl möchte ich den jungen Leuten jedoch durchaus
gönnen. Ich wäre in dem Alter auch für so etwas zu begeistern gewesen.
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Robert Ketelhohn
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich glaube nicht, daß die Klänge solcher Veranstaltungen auch nur entfernt mit Musik zu tun haben.

Was das „Lebensgefühl“, betrifft, so stimmt der Begriff in beiden Teilen nicht. Statt um „Gefühl“ handelt es sich um künstliche Stimulation einiger Sinne zwecks Ausschaltung der Vernunft. Und wenn schon der Schlaf, wie die Alten wußten, der kleine Bruder des Todes ist, so gehört zu diesem finstern Samen des Erebus erst recht solch mutwillige Betäubung des Geistes: von „Leben“ kann da keine Rede sein.
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Raimund J.
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Raimund J. »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ich glaube nicht, daß die Klänge solcher Veranstaltungen auch nur entfernt mit Musik zu tun haben.
Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen.
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Juergen
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Juergen »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ich glaube nicht, daß die Klänge solcher Veranstaltungen auch nur entfernt mit Musik zu tun haben.
Dein Glaube sei Dir unbenommen.

Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden. (W. Busch)

Und wenn Du als Administrator die Möglichkeit hast, Beiträge zu ändern, ohne daß drunter steht "geändert am..." so sei Dir dieses Privileg auch unbenommen. :kotz:


EDIT:
Den Smily wieder ergänzt, nachdem er auf wundersame Weise aus der Datenbank verschwunden ist.
Zuletzt geändert von Juergen am Sonntag 25. Juli 2010, 22:45, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß Jürgen

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Robert Ketelhohn
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Der Begriff der Harmonie ist dir als Organisten vielleicht nicht völlig fremd.
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Raimund J.
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Raimund J. »

Bereits J.S. Bach wurde vorgeworfen, zu oft die Tonart zu wechseln, dissonante Begleitakkorde zu spielen und mit ungewöhnlichen Tönen die Gemeinde zu verwirren.
Halthen Ihm vor daß er bißher in dem Choral viele wunderliche variationes gemachet, viele frembde Thone mit eingemischet, daß die Gemeinde darüber confundiret worden. Er habe ins künfftige wann er ja einen tonum peregrinum mit einbringen wolte, selbingen auch außzuhalthen, und nicht zu geschwinde auf etwas anderen zu fallen, oder wie er bißher im brauch gehabt, gar einen Tonum contrarium zu spiehlen.
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obsculta
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von obsculta »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Der Begriff der Harmonie ist dir als Organisten vielleicht nicht völlig fremd.
Harmonie und Musik decken sich doch nicht.

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Juergen
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Juergen »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Der Begriff der Harmonie ist dir als Organisten vielleicht nicht völlig fremd.
Über Tonalität und Harmonik bei den hunderten von Arten elektronischer Musik, die gerne unter dem Begriff "Techno" subsumiert werden, könnte man einen eigenen Thread aufmachen.
Gruß Jürgen

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Nassos
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Nassos »

Das wäre sehr zu begrüßen, immerhin geht es hier um Tote und Verletzte.
Aus diesem Grund habe ich meinen Superhirnibeitrag von vorhin auch wegoptimieren lassen.

Nichts für ungut,
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Linus
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Linus »

cantus planus hat geschrieben:In Österreich drängt man sich grundsätzlich vor. Gehört offenbar zum guten Ton. :roll: )
Nein, wir machen das taktisch und mit Einverständnis. Ich steh an der Kassenschlange mit einem max. zwei Artikel. Werde vom Vordermann idR nach vor gebeten. Danach rufe ich meiner Frau, weiter hinten in der Schlange stehend (und mit den restlichen 854 Artikeln im Einkaufswagen) zu, sie kann nach vor kommen :breitgrins:

Linus, das nur einmal gemacht habend
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Lioba
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Lioba »

Ich bin im Grunde froh, dass diese Veranstaltung aufhört. In meinen Ohren klang da viel von dem make love not war meiner Jugendzeit mit. Dass das Konzept nicht aufging, wissen wir.
Eva Herrmann hat wie meist überzogen und damit dem Richtigen in ihrem Artikel Schaden zugefügt.
Hier noch ein paar Links:
http://www.focus.de/politik/weitere-mel ... 34285.html
Theoretisch könne immer eine Massenpanik durch Unglücke oder irrationales Verhalten der Besucher auftreten. Dies müsse aber vom Veranstalter einkalkuliert werden, forderte der CSU-Politiker. Beim Münchner Oktoberfest beispielsweise gebe es für einen solchen Fall ausgereifte Konzepte.
http://www.spiegel.de/panorama/,1518,78426,.html

http://www.faz.net/s/RubB8CD9E6B87466 ... ezial.html
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M. v. Ebner- Eschenbach

Stefan

Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Stefan »

Hier kann man nachlesen, wie es einer Augenzeugin ergangen ist.

Ein paar Auszüge daraus:
Wir folgten der Anweisung eines Polizisten, bogen gleich beim Ausgang nach rechts ab und mischten uns in die feiernde Menge, die uns Händchen haltend und ausgelassen bis zum Eingang in den Tunnel trug. Bereits da war es schon sehr eng und die ersten Betrunkenen versuchten, sich johlend durch die Menschenmasse zu drängen, während wir uns beeilten, unsere Glasflaschen loszuwerden, während wir fast schon an den Zaun gepresst wurden – so viele Menschen wollten endlich zum eigentlichen Festivalgelände. Nach einer kurzen und unangenehmen Wartezeit, in der der Ansturm immer größer wurde, betraten wir den Tunnel, der uns für immer in Erinnerung bleiben würde.
Wie kann man in so einer Situation in den Tunnel gehen?
Meine schweißnassen Hände hielten die meiner Freunde fest umklammert, als wir die Menschen die Treppe aufsteigen sahen, auf dem Weg in die Freiheit.
Dieser Anblick verlieh uns Hoffnung, wir beeilten uns, fühlten einen immensen Druck von hinten und Gliedmaßen überall um uns herum, während der Freiraum immer kleiner wurde und schließlich völlig ausblieb – wir waren eingequetscht in einer schreienden Meute, in der jeder nur eins im Sinn hatte – unbeschadet die Treppe hochkommen. Tatsächlich gelang dies auch etlichen, denen die Polizisten die hohen Stufen hochhalfen, während wir anderen unten blieben, mit immer stärker werdendem Luftmangel und einem immer kleiner werdenden Hoffnungsschimmer. Plötzlich kam ein gewaltiger Stoß von hinten, sodass wir Mühe hatten, uns auf den Beinen zu halten – die Hand meiner Freundin rutschte ab, ich schrie laut auf, versuchte die Leute hinter mir zu Ruhe zu bewegen, aber die Panik wurde immer größer. Ich krallte meine Fingernägel in die Haut meines Freundes und wünschte mir, die gesamte Situation ausblenden zu können, den Schmerz, den Luftmangel, den extremen Schweißgeruch, der die ersten Menschen in den Tod begleitete – und einfach in einen Tagtraum versinken zu können, bis es endlich vorbei war. Mein Gehirn arbeitete jedoch weiter, suchte und suchte nach einem Ausweg, suchte nach einem bekannten Gesicht in der Menge und fand es nicht – und brach schließlich in schiere Verzweiflung aus, ich schrie und schlug um mich, bis ich zwei starke Arme auf meinem Rücken spürte, als mein Freund mich an sich presste und mir liebevolle Worte ins Ohr schrie, die ich nicht verstand, dafür aber das, was er damit sagen wollte. Plötzlich sah ich das tränenüberströmte Gesicht meiner Freundin etwas rechts von mir und ließ meinen Freund los, drehte mich mit Mühe und Not um, obwohl das eigentlich kaum möglich war, streckte die Hand aus und ergriff die ihre, während ein halb ohnmächtiger betrunkener Kerl auf uns zuwankte und sie versuchte, ihn zu stützen, bevor ihn einige andere Leute aus der Menge ergriffen.
In diesem Augenblick fiel mein Blick nach unten und dem meinen folgten die Blicke meiner Freunde.
Was ich sah, blendete tatsächlich meinen Schmerz aus.
Da lagen Menschen übereinander. Einer über dem anderen, in Reihen auf dem Boden gestapelt, wie Heringe im Fischernetz oder wie Tote in einem Totengraben in Ausschwitz und sahen mich mit ihren gequälten sterbenden Augen an.
Von diesem "gewaltigen Stoß von hinten" wurde auch an anderer Stelle berichtet. Aus dem Bericht wird eindeutig klar, dass letztlich Unvernunft und Trunkenheit, insbesondere aber Drängelei Ursache für die Katastrophe war. Die Leute schalten ihren Verstand aus, weil sie in unserer Stewardessengesellschaft einfach nicht mehr mit Problemen rechnen. Dieses Fehlverhalten wird aber leider nur noch verstärkt durch diese Forderungen nach einer Rundumversorgung für "Betrunkene mit irrationalem Verhalten". Dies ist der Nährboden für die nächsten Katastrophen, weil sich die Menschen in absolut gefährliche Situationen begeben, ohne die Risiken selbst einzuschätzen.

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cantus planus
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von cantus planus »

Das ist nicht überraschend. Schon, dass die Parade überhaupt seit Jahren genehmigt wird, ist denkenden Menschen ein Ärgernis. Es geht hier ja nicht um die Musik, sondern vor allem um das Massenerlebnis, Drogen, Alkohol und Sex.

Im Übrigen bin ich strikt dafür, sturztrunkene Teilnehmer solcher Veranstaltungen nicht auf Kosten der Krankenkasse, und damit der Allgemeinheit, den Magen auszupumpen. Die Krankenhausrechnung ist hinterher saftig, aber nicht unbezahlbar. Es kann ruhig mal ein paar Monate lang im Geldbeutel wehtun. Vielleicht sorgt das für etwas mehr Vernunft und Mäßigung.
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Lutheraner
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Lutheraner »

Stefan hat geschrieben:Hier kann man nachlesen, wie es einer Augenzeugin ergangen ist.

(...)
In diesem Augenblick fiel mein Blick nach unten und dem meinen folgten die Blicke meiner Freunde.
Was ich sah, blendete tatsächlich meinen Schmerz aus.
Da lagen Menschen übereinander. Einer über dem anderen, in Reihen auf dem Boden gestapelt, wie Heringe im Fischernetz oder wie Tote in einem Totengraben in Ausschwitz und sahen mich mit ihren gequälten sterbenden Augen an.
Ach ne, ist das eine Hobby-Schriftstellerin, die versucht sich zu profilieren?
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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cantus planus
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von cantus planus »

Das ist die typisch weibliche Tatsachenbeschreibung, die ihrerseits bereits problematisch interpretierend ist.
Der Bericht, so kitschig er auch klingen mag, deckt sich allerdings mit wesentlich nüchterneren Zeugenaussagen.
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Nueva
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Nueva »

cantus planus hat geschrieben:Das ist nicht überraschend. Schon, dass die Parade überhaupt seit Jahren genehmigt wird, ist denkenden Menschen ein Ärgernis. Es geht hier ja nicht um die Musik, sondern vor allem um das Massenerlebnis, Drogen, Alkohol und Sex.

Im Übrigen bin ich strikt dafür, sturztrunkene Teilnehmer solcher Veranstaltungen nicht auf Kosten der Krankenkasse, und damit der Allgemeinheit, den Magen auszupumpen. Die Krankenhausrechnung ist hinterher saftig, aber nicht unbezahlbar. Es kann ruhig mal ein paar Monate lang im Geldbeutel wehtun. Vielleicht sorgt das für etwas mehr Vernunft und Mäßigung.
:klatsch: :klatsch:

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Lioba
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Lioba »

Wie man in diesen Tunnel hineingehen konnte? Naivität, Unbedachtheit, mangelnder Sinn für Gefahr?
Der Gedanke, wenn ich jetzt schon mal bis hierhin gekommen bin, dann gebe ich nicht auf? etc.
Viele junge Leute haben ja einen Rückzieher gemacht, nachdem sie schon vor dem Eingang das Gewühle sahen, spätestens nachdem sie telefonisch gewarnt wurden.
Zur Stewardessengesellschaft- da wo zugelassen wird, dass Minderjährige ohne Begleitung Erwachsener teilnehmen, wären Stewardessen durchaus angebracht.
Ausserdem- wenn eine Veranstaltung zum offiziellen Kulturprogramm einer Stadt gehört, Veranstalter, Polizei und Kommune die Planung abgesegnet haben, sollte man als Bürger eigentlich vertrauen können.
Letztlich hat man dieses Event, dem der politische Charakter längst abhanden gekommen war weiterhin in der Öffentlichkeit nicht nur geduldet sondern auch gefördert, weil es Geld und Prestige bringen sollte.
Es hätte, nachdem Berlin als Veranstaltungsort ausfiel einfach in der Versenkung verschwinden können.
Einer meiner Sprösslinge war seinerzeit in Essen- ohne Interesse an Sex and Drugs, nur um das mal mitzubekommen. Einige Zeit später auf einer christlichen Grossveranstaltung.
Kommentar- letztere war viel schöner. Das Vertrauen, der Umgang miteinander, die Atmosphäre...
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Nassos
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Nassos »

cantus planus hat geschrieben:Das ist nicht überraschend. Schon, dass die Parade überhaupt seit Jahren genehmigt wird, ist denkenden Menschen ein Ärgernis. Es geht hier ja nicht um die Musik, sondern vor allem um das Massenerlebnis, Drogen, Alkohol und Sex.

Im Übrigen bin ich strikt dafür, sturztrunkene Teilnehmer solcher Veranstaltungen nicht auf Kosten der Krankenkasse, und damit der Allgemeinheit, den Magen auszupumpen. Die Krankenhausrechnung ist hinterher saftig, aber nicht unbezahlbar. Es kann ruhig mal ein paar Monate lang im Geldbeutel wehtun. Vielleicht sorgt das für etwas mehr Vernunft und Mäßigung.
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Haiduk
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Haiduk »

Lioba hat geschrieben:Eva Herrmann hat wie meist überzogen und damit dem Richtigen in ihrem Artikel Schaden zugefügt.
Meinst Du? Wo? Ich finde diesen Satz von ihr nicht unbedingt falsch:

"Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen."

Freilich sind wir es heute gewohnt, uns solche Katastrophen von irgendwelchen Wissenschaftlern erklären zu lassen. Bereits jetzt zeigt die öffentliche Debatte zur Schuldfrage aber ja, daß jeder irgendwie der Auffassung ist, nichts falsch gemacht zu haben: Die Stadt und die Veranstalter meinen es wäre persönliches Verschulden der Teilnehmer und die Teilnehmer verweisen wiederum auf den Veranstalter und die Stadt. Offenbar gab es hier also eine sich der Vernunft entziehende Grauzone, die durch allseitige Bereitschaft für das Ungewisse gekennzeichnet war. Es ist durchaus nicht gewagt, sondern eher naheligend, hier dämonische Kräfte am Werk zu sehen, wenn dann so eine Konstellation im Verbund mit Geltungssucht, Profitgier, Drogenmißbrauch und ein 100.000-faches Sehnen nach Massenekstase zu solch einem Ergebnis führt. Es genügt ein einziger, der von bösen Geistern in die Raserei getrieben wird, um so eine Massenpanik auszulösen.

Ansonsten erinnert mich diese Katastrophe an das Ereignis, von dem u.a. im Lukas-Evangelium berichtet wird. Statt neunzehn waren es dort achzehn Tote:

"Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle andern Menschen, die in Jerusalem wohnen?" (Lk. 13, 4)

Christus warnte die Besserwisser damals davor sich frei von der Sünde zu wähnen, wegen derer diese Achzehn damals starben.
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

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cantus planus
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von cantus planus »

Nassos hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Das ist nicht überraschend. Schon, dass die Parade überhaupt seit Jahren genehmigt wird, ist denkenden Menschen ein Ärgernis. Es geht hier ja nicht um die Musik, sondern vor allem um das Massenerlebnis, Drogen, Alkohol und Sex.

Im Übrigen bin ich strikt dafür, sturztrunkene Teilnehmer solcher Veranstaltungen nicht auf Kosten der Krankenkasse, und damit der Allgemeinheit, den Magen auszupumpen. Die Krankenhausrechnung ist hinterher saftig, aber nicht unbezahlbar. Es kann ruhig mal ein paar Monate lang im Geldbeutel wehtun. Vielleicht sorgt das für etwas mehr Vernunft und Mäßigung.
Ich gelobe hiermit feierlich: cantus, gingest Du in die Bundespolitik, würde ich mir die deutsche Staatsangehörigkeit zulegen und Dich wählen. :kussmund:
Das würde nichts bringen, weil ein einzelner Politiker nicht in der Lage ist, irgendetwas durchzusetzen. Vom Problem der schwindenden Handlungsfähigkeit, die die Politik in Land und Stadt mittlerweile vollkommen lahmlegt, und der Bundesregierung ermöglicht, die eigene Verantwortung nach "Brüssel" zu delegieren, ganz zu schweigen. Die Perfidie dieses Systems haben die wenigsten überhaupt erkannt.

Die Krise der Demokratie ist übrigens keine Krise der Politik, sondern eine Krise des Wahlvolks. Wenn jeder Politiker, der eine ehrliche und damit in Teilen immer schmerzhafte Reform anstrebt, prompt abgewählt wird, darf man sich eben nicht wundern, wenn sowas wie Merkel, Westerwelle, Gabriel und Lafontaine übrigbleibt, oder man sogar die Grünen für eine Partei hält.
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Nassos
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Nassos »

Schade. Wenn man etwas ändern will, egal wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dann nur von innen (in Anbetracht des Fehlens einer Alternative).
Dann bleibe ich halt Grieche.... :blinker:
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cantus planus
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von cantus planus »

Das ist schon richtig. Und ich zitiere als Lösung den auf diesem Gebiet ganz griechischen ( ;D ) Kanzler Brandt: "Mehr Demokratie wagen!"
(Immer vorausgesetzt, man will an der Demokratie festhalten.)
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Lioba
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Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Lioba »

Ansonsten erinnert mich diese Katastrophe an das Ereignis, von dem u.a. im Lukas-Evangelium berichtet wird. Statt neunzehn waren es dort achzehn Tote:

"Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle andern Menschen, die in Jerusalem wohnen?" (Lk. 13, 4)

Christus warnte die Besserwisser damals davor sich frei von der Sünde zu wähnen, wegen derer diese Achzehn damals starben.
:daumen-rauf:

Das Schlimme sehe ich darin, dass man den Kindern und Jugendlichen die Kirche miesmacht, das Gemeinschaftserlebnis und Freude dort.
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

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Torsten
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Registriert: Dienstag 17. Februar 2004, 02:23

Re: Panik auf der Loveparade: Tote und Verletzte

Beitrag von Torsten »

cantus planus hat geschrieben:Die Krise der Demokratie ist übrigens keine Krise der Politik, sondern eine Krise des Wahlvolks. Wenn jeder Politiker, der eine ehrliche und damit in Teilen immer schmerzhafte Reform anstrebt, prompt abgewählt wird, darf man sich eben nicht wundern
Ehrliche Reformen. Was macht ehrliche Reformen aus? Mehr Selbstverantwortung aber auch mehr Selbstbestimmung? Mehr Demokratie? Mehr "Kirche" von unten?

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