Ich wurde katholisch getauft (in der bekannten Basilika in Weingarten, die mit der Heilig-Blut-Reliquie). Meine Eltern sind allerdings beide nicht gläubig und beide schon lange aus der Kirche ausgetreten.
So habe ich meine religiöse Sozialisation vor allem von meiner Großmutter und, solange sie noch lebte, von meiner Urgroßmutter mütterlicherseits erhalten. Wie gut erinnere ich mich daran, wie sie in ihrem Sessel saß und mir Geschichten von Jesus, aus der Bibel, von Himmel und Hölle (ja, auch das) erzählte!
Mit ihnen zusammen habe ich gebetet (ich kann mich heute noch daran erinnern: „Heiliger Schutzengel mein, lass mich Dir empfohlen sein…“), und meine Oma hat mich immer zur Kirche mitgenommen.
Ich war begeistert und fasziniert vom Glauben und wahnsinnig interessiert.
Ich habe schon als kleines Kind immer Pfarrer gespielt. Meine Oma musste mir ein Messgewand aus alten Gardinen nähen, und dann habe ich immer vor der versammelten Verwandtschaft die „Messe gelesen“ – mit Kommunionspendung und allem drum und dran. Und wehe, es wagte einer zu lachen – ich drohte, die Messe sofort abzubrechen…
Es existiert heute noch eine Tonbandaufnahme, auf der ich im Alter von 4 Jahren Kirchenlieder singe und Meßtexte rezitiere.
Kaum konnte ich lesen, war keine Kinderbibel oder ähnliche Bücher vor mir sicher. Bereits im Zeugnis der ersten (oder zweiten) Klasse steht, dass ich den Religionsunterricht mit eigenen Beiträgen und Erfahrungen bereichert hätte, so dass mir meine Mitschüler gerne zugehört hätten. Sonntagmorgens ging ich meistens allein zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Messe. Mein Berufswunsch damals war klar: Ich wollte Pfarrer werden. Wie oft musste ich mir von meiner Mutter drohend anhören „Wenn du Pfarrer wirst, dann…“.
Logischerweise wurde ich dann Ministrant – ich war ein eifriger Messdiener, und stets mit viel Engagement bei der Sache - das ist bei etlichen meiner damaligen Mit-Meßdiener, mit denen ich heute noch befreundet bin, heute noch sprichwörtlich (so habe ich sie, die viel seltener ministrierten als ich und oft nicht zum Dienst kamen, obwohl sie eingeteilt waren, nicht selten zusammengestaucht, wenn sie etwas falsch machten
![laechel :-)](./images/smilies/laechel.gif)
Aber – und das wurde mir erst viel später dann klar – bei allem Engagement und Einsatz fehlte etwas Entscheidendes. Paulus schreibt „hätte ich die Liebe nicht, wäre ich ein dröhnendes Erz und eine lärmende Pauke“. Ich glaube, ich war so eine Pauke. Ich habe viel Lärm und Betrieb gemacht – aber die Liebe zur Sache und ein tieferes Verständnis fehlten mir.
Schon damals kamen mir Zweifel und Fragen. Zum Beispiel: Warum machen wir vor dem Tabernakel eine Kniebeuge? Warum verehren wir die Hostie? Warum rufen wir Maria und die Heiligen um Fürsprache an – wir könnten uns doch genauso gut direkt an Jesus wenden, dieser Umweg ist doch umständlich? Warum beten wir den Rosenkranz? Warum singen wir Marienlieder? Warum sind Reliquien für uns wichtig?
Gelöst wurde all das nicht – und das wirft aus heutiger Sicht auch ein schlechtes Licht auf den Religionsunterricht und auf die Ministrantenkatechese. Hätte mir jemand dies vernünftig erklärt, wer weiß, vielleicht wäre ich heute noch katholisch.
Dazu kam, dass meine Mutter oft versuchte, mir den Glauben auszureden und madig zu machen.
Das alles führte dazu, dass ich in der Jugendzeit und Pubertät in eine, nennen wir es „agnostische“ Phase kam (ich glaube so eine Phase machen viele einmal durch). Ich quittierte den Ministrantendienst, ging nicht mehr zur Kirche, firmen ließ ich mich zwar noch, aber richtig überzeugt war ich nicht davon. Im Firmunterricht habe ich mit den Begleitern heiß diskutiert, ob z.B. Jesus wirklich am Kreuz gestorben sei (bei meinen Eltern stand damals das Buch von Franz Alt, Jesus – der erste neue Mann herum, in dem solches vertreten wird). So hat mich dann Glaube und Kirche jahrelang nicht interessiert.
Das änderte sich erst, als ich meine damalige Freundin (und heutige Frau) kennenlernte, die praktizierende evangelische (landeskirchliche) Christin war und ist. Mit dem Protestantismus hatte ich bisher quasi nichts zu tun gehabt und wusste kaum etwas über ihn, denn im urkatholischen Milieu, in das ich durch meine Oma hineingewachsen war, wurde schon kein Zweifel daran gelassen, dass evangelisch etwas minderwertiges sei
Ich bin dann mit meiner Frau (zunächst widerstrebend) in einen evangelischen Gottesdienst mitgegangen. Das war DAS entscheidende Erlebnis – ich bin da herausgekommen und war wie vom Donner gerührt. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt ja schon viele Predigten gehört, aber keine hatte mich bisher so beeindruckt wie diese (man muss auch sagen, dass der Pfarrer ein hervorragender Prediger war). Noch nie erschien mir Gottes Wort so brandaktuell und ich habe bemerkt: Der Glaube ist nichts gestriges, sondern hilft uns im Heute. Gott ist nicht fern, sondern ganz nah und will heute etwas mit uns zu tun haben.
Nach dieser Initialzündung begann ich, mich mit dem evangelischen Glauben, den Unterschieden zum Katholizismus, zu beschäftigen. Und siehe da: Ich stellte fest, dass das ja viel besser zu mir passt, meiner Spiritualität mehr entspricht. Ich merkte: Meine Fragen, die sich mir schon als Ministrant gestellt hatten (siehe oben), haben sich auch schon vielen anderen gestellt. Und sie fanden überzeugende Antworten.
Der letzte Schritt zur Konversion ergab sich, als ich mich zum ersten Mal alleine, also ohne meine Freundin, einen evangelischen Gottesdienst besuchte. Das kostete schon noch etwas Überwindung und war aufregend. Aber ich fühlte mich dann so wohl, erfüllt, aufgehoben und zuhause, dass ich wusste: Das ist meins, da gehöre ich hin.
Ein weiterer Grund, der aber nur eine untergeordnete Rolle spielte, war auch noch, dass meine Freundin und ich auch damals schon an Heirat und Kinder dachten (seit 2009 ist eins da). Da wollten wir uns nicht auf Konfessionsverschiedenheit einlassen mit all ihren Fragen, z.B. wie wird das Kind getauft, in welchem Glauben erzogen etc. Wir wollten da klare Verhältnisse: Wir sind beide evangelisch, und unsere Kinder werden auch evangelisch, klar und deutlich.
Und so bin ich dann 2003 endgültig konvertiert, und fühle mich nach wie vor pudelwohl (natürlich ist auch nicht alles Gold was glänzt, aber das dürfte überall so sein).
Ich bin glücklich, diesen Weg gegangen zu sein. Er hat mich zurück zum Glauben geführt. Und ich kann mir nicht mehr vorstellen, ohne den zu sein. Und er hat mich mittlerweile sogar zum Prädikantendienst geführt, wofür ich sehr dankbar bin. Wenn der vierjährige Junge von oben, der begeistert Messe gespielt hat, damals schon gewusst hätte, dass er einmal von den Kanzeln evangelischer Kirchen das Wort Gottes verkünden darf – was hätte er wohl gesagt…?
Natürlich wird mein Engagement und meine Begeisterung (jetzt ist beides wieder da) von meiner Familie und meinen Freunden (nach wie vor) nicht verstanden. Vor allem meine atheistisch-sozialistischen Eltern tragen da glaube ich ziemlich schwer daran. Viele meiner Freunde können die Gründe zwar nicht nachvollziehen, aber akzeptieren und respektieren es zumindest. Ich hoffe und bete, dass auch sie wieder zum Glauben geführt werden mögen.
Meine wichtigste Verbündete ist nach wie vor meine Oma (die immer noch lebt). Sie ist glaube ich heilfroh, dass unter allen Kindern und Enkeln wenigstens einer die religiöse Sozialisation, die sie ihm zuteil werden ließ, bewahrt hat und nun weiterträgt. Dass das nun beim „anderen Gesangbuch“ passiert, akzeptiert sie, freut sich für mich und ermutigt mich.
Zuspruch erfahre ich natürlich auch von meiner Frau und deren Familie.
Soweit von mir, ich wünsche Euch allen Gottes Segen für all Eure (Glaubens-)wege, wohin sie Euch auch führen mögen.